Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

wird es besessen. Jeder einzelne Bürger ist eine
wahre Sache: der Staat ist die große Person,
welche ihn besitzt; aber dieser Besitz ist kein tod-
ter, keine Leibeigenschaft, kein einseitiges, despo-
tisches Festhalten, sondern ein gegenseitiges Wech-
selwirken. In so fern das Vaterland mich sei-
nen
Bürger, seinen Unterthan nennt, nenne
ich es wieder mein Vaterland. In demselben
Verhältnisse steht der Bürger auch wieder zu
dem kleinen Staate seines Hauswesens: der
kleinste Hausrath dient an seinem Orte als Sache
dem Ganzen, oder der Person, dem Hausherrn;
aber es herrscht auch wieder an seinem Orte als
kleine Person: seine Eigenheit will respectirt,
will geschont seyn. Ich sage noch einmal: unter
dieser Eigenheit der Sachen verstehe ich nicht
das, was diese Sachen an sich, sondern was
sie in Beziehung auf das menschliche, auf das
bürgerliche Leben sind. Wer Sachen, als Sa-
chen, zu gebrauchen, und in ihrer andern Eigen-
schaft, als Personen, wieder zu schonen, wer
lebendigen Gebrauch der Sache, und lebendige
Sparsamkeit und Vorsicht in diesem Gebrauche
zu vereinigen weiß: den nennen wir einen guten
Hauswirth, einen Oekonomen.

Dieselbe Idee der Gerechtigkeit, welche wir
oben im Großen und Ganzen betrachteten, fin-

wird es beſeſſen. Jeder einzelne Buͤrger iſt eine
wahre Sache: der Staat iſt die große Perſon,
welche ihn beſitzt; aber dieſer Beſitz iſt kein tod-
ter, keine Leibeigenſchaft, kein einſeitiges, despo-
tiſches Feſthalten, ſondern ein gegenſeitiges Wech-
ſelwirken. In ſo fern das Vaterland mich ſei-
nen
Buͤrger, ſeinen Unterthan nennt, nenne
ich es wieder mein Vaterland. In demſelben
Verhaͤltniſſe ſteht der Buͤrger auch wieder zu
dem kleinen Staate ſeines Hausweſens: der
kleinſte Hausrath dient an ſeinem Orte als Sache
dem Ganzen, oder der Perſon, dem Hausherrn;
aber es herrſcht auch wieder an ſeinem Orte als
kleine Perſon: ſeine Eigenheit will reſpectirt,
will geſchont ſeyn. Ich ſage noch einmal: unter
dieſer Eigenheit der Sachen verſtehe ich nicht
das, was dieſe Sachen an ſich, ſondern was
ſie in Beziehung auf das menſchliche, auf das
buͤrgerliche Leben ſind. Wer Sachen, als Sa-
chen, zu gebrauchen, und in ihrer andern Eigen-
ſchaft, als Perſonen, wieder zu ſchonen, wer
lebendigen Gebrauch der Sache, und lebendige
Sparſamkeit und Vorſicht in dieſem Gebrauche
zu vereinigen weiß: den nennen wir einen guten
Hauswirth, einen Oekonomen.

Dieſelbe Idee der Gerechtigkeit, welche wir
oben im Großen und Ganzen betrachteten, fin-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0268" n="234"/><hi rendition="#g">wird</hi> es be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en. Jeder einzelne Bu&#x0364;rger i&#x017F;t eine<lb/>
wahre Sache: der Staat i&#x017F;t die große Per&#x017F;on,<lb/>
welche ihn be&#x017F;itzt; aber die&#x017F;er Be&#x017F;itz i&#x017F;t kein tod-<lb/>
ter, keine Leibeigen&#x017F;chaft, kein ein&#x017F;eitiges, despo-<lb/>
ti&#x017F;ches Fe&#x017F;thalten, &#x017F;ondern ein gegen&#x017F;eitiges Wech-<lb/>
&#x017F;elwirken. In &#x017F;o fern das Vaterland mich <hi rendition="#g">&#x017F;ei-<lb/>
nen</hi> Bu&#x0364;rger, <hi rendition="#g">&#x017F;einen</hi> Unterthan nennt, nenne<lb/>
ich es wieder <hi rendition="#g">mein</hi> Vaterland. In dem&#x017F;elben<lb/>
Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;teht der Bu&#x0364;rger auch wieder zu<lb/>
dem kleinen Staate &#x017F;eines Hauswe&#x017F;ens: der<lb/>
klein&#x017F;te Hausrath dient an &#x017F;einem Orte als Sache<lb/>
dem Ganzen, oder der Per&#x017F;on, dem Hausherrn;<lb/>
aber es herr&#x017F;cht auch wieder an &#x017F;einem Orte als<lb/>
kleine Per&#x017F;on: &#x017F;eine Eigenheit will re&#x017F;pectirt,<lb/>
will ge&#x017F;chont &#x017F;eyn. Ich &#x017F;age noch einmal: unter<lb/>
die&#x017F;er Eigenheit der Sachen ver&#x017F;tehe ich nicht<lb/><hi rendition="#g">das,</hi> was die&#x017F;e Sachen an &#x017F;ich, &#x017F;ondern was<lb/>
&#x017F;ie in Beziehung auf das men&#x017F;chliche, auf das<lb/>
bu&#x0364;rgerliche Leben &#x017F;ind. Wer Sachen, als Sa-<lb/>
chen, zu gebrauchen, und in ihrer andern Eigen-<lb/>
&#x017F;chaft, als Per&#x017F;onen, wieder zu &#x017F;chonen, wer<lb/>
lebendigen Gebrauch der Sache, und lebendige<lb/>
Spar&#x017F;amkeit und Vor&#x017F;icht in die&#x017F;em Gebrauche<lb/>
zu vereinigen weiß: den nennen wir einen guten<lb/>
Hauswirth, einen Oekonomen.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;elbe Idee der Gerechtigkeit, welche wir<lb/>
oben im <hi rendition="#g">Großen</hi> und Ganzen betrachteten, fin-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[234/0268] wird es beſeſſen. Jeder einzelne Buͤrger iſt eine wahre Sache: der Staat iſt die große Perſon, welche ihn beſitzt; aber dieſer Beſitz iſt kein tod- ter, keine Leibeigenſchaft, kein einſeitiges, despo- tiſches Feſthalten, ſondern ein gegenſeitiges Wech- ſelwirken. In ſo fern das Vaterland mich ſei- nen Buͤrger, ſeinen Unterthan nennt, nenne ich es wieder mein Vaterland. In demſelben Verhaͤltniſſe ſteht der Buͤrger auch wieder zu dem kleinen Staate ſeines Hausweſens: der kleinſte Hausrath dient an ſeinem Orte als Sache dem Ganzen, oder der Perſon, dem Hausherrn; aber es herrſcht auch wieder an ſeinem Orte als kleine Perſon: ſeine Eigenheit will reſpectirt, will geſchont ſeyn. Ich ſage noch einmal: unter dieſer Eigenheit der Sachen verſtehe ich nicht das, was dieſe Sachen an ſich, ſondern was ſie in Beziehung auf das menſchliche, auf das buͤrgerliche Leben ſind. Wer Sachen, als Sa- chen, zu gebrauchen, und in ihrer andern Eigen- ſchaft, als Perſonen, wieder zu ſchonen, wer lebendigen Gebrauch der Sache, und lebendige Sparſamkeit und Vorſicht in dieſem Gebrauche zu vereinigen weiß: den nennen wir einen guten Hauswirth, einen Oekonomen. Dieſelbe Idee der Gerechtigkeit, welche wir oben im Großen und Ganzen betrachteten, fin-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/268
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/268>, abgerufen am 22.11.2024.