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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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derung die christliche Religion gehabt haben möge,
kommt mir an diesem Orte nicht zu.

Denken Sie Sich, als ob die Unterwerfung
der Welt durch die Römer nun gelehrt habe, daß
die bloße Kraft und der bloße Verstand zur eigent-
lichen wahren Herrschaft über die Welt denn
doch nicht führe; daß man einen neuen, entgegen-
gesetzten Weg einzuschlagen habe, und daß in
dem Unterworfenen, anscheinend Schwächeren
eine eigne, ganz eigenthümliche Kraft sey, die
respectirt werden müsse, und aus deren Reaction
gegen die Action der äußeren männlichen Kraft,
erst die wahre, lebendige, schöne und dauernde
Ordnung der Dinge hervorgehe; kurz, daß alles,
was der Mensch eigentlich wolle und auf die
Dauer wollen könne, erzeugt werden müsse,
und nicht erzwungen werden könne. Dieser
Gedanke liegt der ganzen adeligen Verfassung
des Mittelalters zum Grunde, vor allem aber
den Successions- oder den Erbfolge-Gesetzen,
die erst in dieser Zeit in tausendfältigen Formen
ausgebildet worden sind.

Wenn in der Römischen Gesetzgebung -- wie
ausgebildet die Lehre von der Uebertragung der
todten Sachen auf einen andern eben so todten
Besitzer, oder das, was damals Succession hieß,
auch schon seyn mag -- dennoch die Sachen als

derung die chriſtliche Religion gehabt haben moͤge,
kommt mir an dieſem Orte nicht zu.

Denken Sie Sich, als ob die Unterwerfung
der Welt durch die Roͤmer nun gelehrt habe, daß
die bloße Kraft und der bloße Verſtand zur eigent-
lichen wahren Herrſchaft uͤber die Welt denn
doch nicht fuͤhre; daß man einen neuen, entgegen-
geſetzten Weg einzuſchlagen habe, und daß in
dem Unterworfenen, anſcheinend Schwaͤcheren
eine eigne, ganz eigenthuͤmliche Kraft ſey, die
reſpectirt werden muͤſſe, und aus deren Reaction
gegen die Action der aͤußeren maͤnnlichen Kraft,
erſt die wahre, lebendige, ſchoͤne und dauernde
Ordnung der Dinge hervorgehe; kurz, daß alles,
was der Menſch eigentlich wolle und auf die
Dauer wollen koͤnne, erzeugt werden muͤſſe,
und nicht erzwungen werden koͤnne. Dieſer
Gedanke liegt der ganzen adeligen Verfaſſung
des Mittelalters zum Grunde, vor allem aber
den Succeſſions- oder den Erbfolge-Geſetzen,
die erſt in dieſer Zeit in tauſendfaͤltigen Formen
ausgebildet worden ſind.

Wenn in der Roͤmiſchen Geſetzgebung — wie
ausgebildet die Lehre von der Uebertragung der
todten Sachen auf einen andern eben ſo todten
Beſitzer, oder das, was damals Succeſſion hieß,
auch ſchon ſeyn mag — dennoch die Sachen als

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[257[237]/0271] derung die chriſtliche Religion gehabt haben moͤge, kommt mir an dieſem Orte nicht zu. Denken Sie Sich, als ob die Unterwerfung der Welt durch die Roͤmer nun gelehrt habe, daß die bloße Kraft und der bloße Verſtand zur eigent- lichen wahren Herrſchaft uͤber die Welt denn doch nicht fuͤhre; daß man einen neuen, entgegen- geſetzten Weg einzuſchlagen habe, und daß in dem Unterworfenen, anſcheinend Schwaͤcheren eine eigne, ganz eigenthuͤmliche Kraft ſey, die reſpectirt werden muͤſſe, und aus deren Reaction gegen die Action der aͤußeren maͤnnlichen Kraft, erſt die wahre, lebendige, ſchoͤne und dauernde Ordnung der Dinge hervorgehe; kurz, daß alles, was der Menſch eigentlich wolle und auf die Dauer wollen koͤnne, erzeugt werden muͤſſe, und nicht erzwungen werden koͤnne. Dieſer Gedanke liegt der ganzen adeligen Verfaſſung des Mittelalters zum Grunde, vor allem aber den Succeſſions- oder den Erbfolge-Geſetzen, die erſt in dieſer Zeit in tauſendfaͤltigen Formen ausgebildet worden ſind. Wenn in der Roͤmiſchen Geſetzgebung — wie ausgebildet die Lehre von der Uebertragung der todten Sachen auf einen andern eben ſo todten Beſitzer, oder das, was damals Succeſſion hieß, auch ſchon ſeyn mag — dennoch die Sachen als

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 257[237]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/271>, abgerufen am 22.11.2024.