ben und die Macht beschränken oder gar brechen sollen, stehen sie mit sich selbst in Widerspruch, und zerstören sich selbst.
Daß alle einzelne Freiheit, alles einzelne Be- dürfniß im Staat in großen, gewaltigen, leicht übersehlichen Massen sich vor dem Throne des Suveräns ordne, daß vor allen Dingen der Streit der Vergangenheit mit der Gegenwart, um der Dauer des Ganzen willen, lebendig vor den Augen des Suveräns geführt werde, wie es durch die wahre Standes-Opposition von Adel und Bürgerschaft geschieht: dadurch wird die Macht des Suveräns zugleich beschränkt und -- erzeugt; denn erst durch die unendlichen Schran- ken entsteht eine wirkliche Macht, und aus dem unendlichen bewegten Streit dieser Macht mit ihren Schranken, oder mit der liberte generale, wie ich sie genannt habe, auch hier erst die Idee des Rechtes, die Idee des Staatsrechtes. --
Wozu die Chimäre von einer unbeschränkten Macht eben sowohl, als die Fabel von einer absichtlichen, künstlichen Beschränkung der Macht, weiter im Staatsrechte? Doch weil sie nur von Begriffen des Gesetzes oder der Macht, und von Begriffen der Freiheit wußten, so mußten sie maschinenweise und todt die beiden mechani- schen und starren Elemente verbinden. -- In
ben und die Macht beſchraͤnken oder gar brechen ſollen, ſtehen ſie mit ſich ſelbſt in Widerſpruch, und zerſtoͤren ſich ſelbſt.
Daß alle einzelne Freiheit, alles einzelne Be- duͤrfniß im Staat in großen, gewaltigen, leicht uͤberſehlichen Maſſen ſich vor dem Throne des Suveraͤns ordne, daß vor allen Dingen der Streit der Vergangenheit mit der Gegenwart, um der Dauer des Ganzen willen, lebendig vor den Augen des Suveraͤns gefuͤhrt werde, wie es durch die wahre Standes-Oppoſition von Adel und Buͤrgerſchaft geſchieht: dadurch wird die Macht des Suveraͤns zugleich beſchraͤnkt und — erzeugt; denn erſt durch die unendlichen Schran- ken entſteht eine wirkliche Macht, und aus dem unendlichen bewegten Streit dieſer Macht mit ihren Schranken, oder mit der liberté générale, wie ich ſie genannt habe, auch hier erſt die Idee des Rechtes, die Idee des Staatsrechtes. —
Wozu die Chimaͤre von einer unbeſchraͤnkten Macht eben ſowohl, als die Fabel von einer abſichtlichen, kuͤnſtlichen Beſchraͤnkung der Macht, weiter im Staatsrechte? Doch weil ſie nur von Begriffen des Geſetzes oder der Macht, und von Begriffen der Freiheit wußten, ſo mußten ſie maſchinenweiſe und todt die beiden mechani- ſchen und ſtarren Elemente verbinden. — In
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ben und die Macht beſchraͤnken oder gar brechen
ſollen, ſtehen ſie mit ſich ſelbſt in Widerſpruch,
und zerſtoͤren ſich ſelbſt.
Daß alle einzelne Freiheit, alles einzelne Be-
duͤrfniß im Staat in großen, gewaltigen, leicht
uͤberſehlichen Maſſen ſich vor dem Throne des
Suveraͤns ordne, daß vor allen Dingen der
Streit der Vergangenheit mit der Gegenwart,
um der Dauer des Ganzen willen, lebendig vor
den Augen des Suveraͤns gefuͤhrt werde, wie
es durch die wahre Standes-Oppoſition von Adel
und Buͤrgerſchaft geſchieht: dadurch wird die
Macht des Suveraͤns zugleich beſchraͤnkt und —
erzeugt; denn erſt durch die unendlichen Schran-
ken entſteht eine wirkliche Macht, und aus dem
unendlichen bewegten Streit dieſer Macht mit
ihren Schranken, oder mit der liberté générale,
wie ich ſie genannt habe, auch hier erſt die Idee
des Rechtes, die Idee des Staatsrechtes. —
Wozu die Chimaͤre von einer unbeſchraͤnkten
Macht eben ſowohl, als die Fabel von einer
abſichtlichen, kuͤnſtlichen Beſchraͤnkung der Macht,
weiter im Staatsrechte? Doch weil ſie nur von
Begriffen des Geſetzes oder der Macht, und
von Begriffen der Freiheit wußten, ſo mußten
ſie maſchinenweiſe und todt die beiden mechani-
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/300>, abgerufen am 22.11.2024.
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