die Wesentlichkeiten festhält, welche jetzt vielleicht deutlicher als je zu erkennen sind! Wir haben Staaten decomponiren sehen, und können über ihre Composition Rechenschaft geben. -- Daß wir, die denkenden Zeitgenossen einer allgemei- nen politischen Revolution, unterstützt durch einen ausgebreiteten literarischen Commerz und Ge- danken-Verkehr, wie er bei keiner ähnlichen früheren Weltbegebenheit Statt fand, von dem Wesen der Staaten mehr wissen können, als frühere Zeitalter, ist hiernach klar, wenn auch die Erfahrung mich widerlegen möchte. Weniges ist nehmlich geschehen; und in demselben Maße, wie die Politik sich aller Köpfe bemächtigt hat und das tägliche Brot des großen Haufens gewor- den ist, hat sie aufgehört, die Gemüther einzel- ner großgearteter und tiefsinniger Menschen zu beschäftigen. Der Ernst, den dieses Studium vor allen andern fordert, ist nicht weiter vor- handen; die Entstehung außerordentlicher Werke über die Gesetzgebung und Staatskunst wird nicht mehr, wie ehemals, begünstigt durch die Ehrfurcht ganzer Völker und Jahrhunderte vor Talenten und gewaltigen Arbeiten des Geistes; die Mei- sten trauen ihrem eignen Talente mehr zu, als der in einem einzigen Kopfe vereinigten Weis- heit einer ganzen Nation. Und wie Wenigen
die Weſentlichkeiten feſthaͤlt, welche jetzt vielleicht deutlicher als je zu erkennen ſind! Wir haben Staaten decomponiren ſehen, und koͤnnen uͤber ihre Compoſition Rechenſchaft geben. — Daß wir, die denkenden Zeitgenoſſen einer allgemei- nen politiſchen Revolution, unterſtuͤtzt durch einen ausgebreiteten literariſchen Commerz und Ge- danken-Verkehr, wie er bei keiner aͤhnlichen fruͤheren Weltbegebenheit Statt fand, von dem Weſen der Staaten mehr wiſſen koͤnnen, als fruͤhere Zeitalter, iſt hiernach klar, wenn auch die Erfahrung mich widerlegen moͤchte. Weniges iſt nehmlich geſchehen; und in demſelben Maße, wie die Politik ſich aller Koͤpfe bemaͤchtigt hat und das taͤgliche Brot des großen Haufens gewor- den iſt, hat ſie aufgehoͤrt, die Gemuͤther einzel- ner großgearteter und tiefſinniger Menſchen zu beſchaͤftigen. Der Ernſt, den dieſes Studium vor allen andern fordert, iſt nicht weiter vor- handen; die Entſtehung außerordentlicher Werke uͤber die Geſetzgebung und Staatskunſt wird nicht mehr, wie ehemals, beguͤnſtigt durch die Ehrfurcht ganzer Voͤlker und Jahrhunderte vor Talenten und gewaltigen Arbeiten des Geiſtes; die Mei- ſten trauen ihrem eignen Talente mehr zu, als der in einem einzigen Kopfe vereinigten Weis- heit einer ganzen Nation. Und wie Wenigen
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die Weſentlichkeiten feſthaͤlt, welche jetzt vielleicht
deutlicher als je zu erkennen ſind! Wir haben
Staaten decomponiren ſehen, und koͤnnen uͤber
ihre Compoſition Rechenſchaft geben. — Daß
wir, die denkenden Zeitgenoſſen einer allgemei-
nen politiſchen Revolution, unterſtuͤtzt durch einen
ausgebreiteten literariſchen Commerz und Ge-
danken-Verkehr, wie er bei keiner aͤhnlichen
fruͤheren Weltbegebenheit Statt fand, von dem
Weſen der Staaten mehr wiſſen koͤnnen, als
fruͤhere Zeitalter, iſt hiernach klar, wenn auch die
Erfahrung mich widerlegen moͤchte. Weniges iſt
nehmlich geſchehen; und in demſelben Maße, wie
die Politik ſich aller Koͤpfe bemaͤchtigt hat und
das taͤgliche Brot des großen Haufens gewor-
den iſt, hat ſie aufgehoͤrt, die Gemuͤther einzel-
ner großgearteter und tiefſinniger Menſchen zu
beſchaͤftigen. Der Ernſt, den dieſes Studium
vor allen andern fordert, iſt nicht weiter vor-
handen; die Entſtehung außerordentlicher Werke
uͤber die Geſetzgebung und Staatskunſt wird nicht
mehr, wie ehemals, beguͤnſtigt durch die Ehrfurcht
ganzer Voͤlker und Jahrhunderte vor Talenten
und gewaltigen Arbeiten des Geiſtes; die Mei-
ſten trauen ihrem eignen Talente mehr zu, als
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/44>, abgerufen am 21.11.2024.
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