Schaaren von Beamten, Kriegesbeamte und Friedensbeamte, die mit einander in Widerspruch sind, wie ihr beiderseitiges Geschäft. Die ge- sammte Kraft, welche der Staat im Frieden braucht, bedeutet wenig oder gar nichts, und bleibt unbenutzt im Kriege; die gesammte Krieges- kraft ist wieder eben so unthätig im Frieden.
Der alte goldne Spruch: Wenn du den Frieden willst, so bilde dich kriegerisch aus! wird von ihnen entweder gar nicht geach- tet, oder doch so ausgelegt: "Wenn du den Frieden willst, so mache die gehörigen Vorkeh- rungen zum Kriege, baue Festungen, und rekru- tire deine Armee!" Damit ist aber nichts ge- wonnen; der Krieg ist und bleibt bloßes Ge- werbe einer einzelnen Zunft, und wird nicht zur National-Angelegenheit. Jener herrliche Spruch will sagen: Der Kriegeszustand ist eben so natür- lich, wie der Friedenszustand; der Staat ist al- lenthalben beides zugleich: ein liebreiches und ein streitendes Wesen; und der Gedanke, der Muth des Krieges muß alle Familien, alle Ge- setze, alle Institutionen des ganzen Friedens durchdringen. Jeder Staat hat nicht bloß von außen, sondern auch von innen, ewige Feinde, geheime und öffentliche; oft ist gerade seine Träg- heit und Friedensliebe der gefährlichste. Wie der
Schaaren von Beamten, Kriegesbeamte und Friedensbeamte, die mit einander in Widerſpruch ſind, wie ihr beiderſeitiges Geſchaͤft. Die ge- ſammte Kraft, welche der Staat im Frieden braucht, bedeutet wenig oder gar nichts, und bleibt unbenutzt im Kriege; die geſammte Krieges- kraft iſt wieder eben ſo unthaͤtig im Frieden.
Der alte goldne Spruch: Wenn du den Frieden willſt, ſo bilde dich kriegeriſch aus! wird von ihnen entweder gar nicht geach- tet, oder doch ſo ausgelegt: „Wenn du den Frieden willſt, ſo mache die gehoͤrigen Vorkeh- rungen zum Kriege, baue Feſtungen, und rekru- tire deine Armee!” Damit iſt aber nichts ge- wonnen; der Krieg iſt und bleibt bloßes Ge- werbe einer einzelnen Zunft, und wird nicht zur National-Angelegenheit. Jener herrliche Spruch will ſagen: Der Kriegeszuſtand iſt eben ſo natuͤr- lich, wie der Friedenszuſtand; der Staat iſt al- lenthalben beides zugleich: ein liebreiches und ein ſtreitendes Weſen; und der Gedanke, der Muth des Krieges muß alle Familien, alle Ge- ſetze, alle Inſtitutionen des ganzen Friedens durchdringen. Jeder Staat hat nicht bloß von außen, ſondern auch von innen, ewige Feinde, geheime und oͤffentliche; oft iſt gerade ſeine Traͤg- heit und Friedensliebe der gefaͤhrlichſte. Wie der
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Schaaren von Beamten, Kriegesbeamte und
Friedensbeamte, die mit einander in Widerſpruch
ſind, wie ihr beiderſeitiges Geſchaͤft. Die ge-
ſammte Kraft, welche der Staat im Frieden
braucht, bedeutet wenig oder gar nichts, und bleibt
unbenutzt im Kriege; die geſammte Krieges-
kraft iſt wieder eben ſo unthaͤtig im Frieden.
Der alte goldne Spruch: Wenn du den
Frieden willſt, ſo bilde dich kriegeriſch
aus! wird von ihnen entweder gar nicht geach-
tet, oder doch ſo ausgelegt: „Wenn du den
Frieden willſt, ſo mache die gehoͤrigen Vorkeh-
rungen zum Kriege, baue Feſtungen, und rekru-
tire deine Armee!” Damit iſt aber nichts ge-
wonnen; der Krieg iſt und bleibt bloßes Ge-
werbe einer einzelnen Zunft, und wird nicht zur
National-Angelegenheit. Jener herrliche Spruch
will ſagen: Der Kriegeszuſtand iſt eben ſo natuͤr-
lich, wie der Friedenszuſtand; der Staat iſt al-
lenthalben beides zugleich: ein liebreiches und
ein ſtreitendes Weſen; und der Gedanke, der
Muth des Krieges muß alle Familien, alle Ge-
ſetze, alle Inſtitutionen des ganzen Friedens
durchdringen. Jeder Staat hat nicht bloß von
außen, ſondern auch von innen, ewige Feinde,
geheime und oͤffentliche; oft iſt gerade ſeine Traͤg-
heit und Friedensliebe der gefaͤhrlichſte. Wie der
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/47>, abgerufen am 21.11.2024.
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