romanisirten Nießbraucher nichts mehr als ein Instrument weltlicher Autorität, und so hemm- ten die alten Majorats- und fideicommissari- schen Gesetze und der Lehns-Nexus das unbe- dingte Streben dieser Nießbraucher.
Auf solche Art erhielt die Römisch-Franzö- sische Revolution, die lange vor ihrem wirklichen Ausbruche die Europäischen Continental-Staa- ten schon innerlich zernagte, ihre gefährlichsten Partheigänger: der Europäische Adel selbst schlug sich größten Theils auf ihre Seite; und so konnte sie dem allgemeinen Ruin des bürgerlichen Lebens nichts mehr entgegensetzen.
Römisches strenges Privat-Eigenthum und Europäisches durch Lehnsrecht, persönliches und lebendiges, göttliches Gesetz gemäßigtes und ba- lancirtes Privat-Eigenthum, Römisches Bür- gerwesen und Europäischer tiers-etat sind zwei durchaus verschiedene, einander abstoßende und ausschließende Wesen. Römischer tiers-etat ist der, von dem der Abbe Sieyes in seiner Schrift: Qu'est ce que c'est le tiers-etat? spricht, und von dem er sagt, daß er alles sey, und dessen Geist auf dem Continent von Europa nur zu sehr um sich gegriffen hat: das ist der tiers-etat, der, anstatt aller Staatsvereinigung und anstatt alles Rechtes, nichts weiter verlangt, als eine große,
Müllers Elemente. II. [7]
romaniſirten Nießbraucher nichts mehr als ein Inſtrument weltlicher Autoritaͤt, und ſo hemm- ten die alten Majorats- und fideicommiſſari- ſchen Geſetze und der Lehns-Nexus das unbe- dingte Streben dieſer Nießbraucher.
Auf ſolche Art erhielt die Roͤmiſch-Franzoͤ- ſiſche Revolution, die lange vor ihrem wirklichen Ausbruche die Europaͤiſchen Continental-Staa- ten ſchon innerlich zernagte, ihre gefaͤhrlichſten Partheigaͤnger: der Europaͤiſche Adel ſelbſt ſchlug ſich groͤßten Theils auf ihre Seite; und ſo konnte ſie dem allgemeinen Ruin des buͤrgerlichen Lebens nichts mehr entgegenſetzen.
Roͤmiſches ſtrenges Privat-Eigenthum und Europaͤiſches durch Lehnsrecht, perſoͤnliches und lebendiges, goͤttliches Geſetz gemaͤßigtes und ba- lancirtes Privat-Eigenthum, Roͤmiſches Buͤr- gerweſen und Europaͤiſcher tiers-état ſind zwei durchaus verſchiedene, einander abſtoßende und ausſchließende Weſen. Roͤmiſcher tiers-état iſt der, von dem der Abbé Sieyes in ſeiner Schrift: Qu’est ce que c’est le tiers-état? ſpricht, und von dem er ſagt, daß er alles ſey, und deſſen Geiſt auf dem Continent von Europa nur zu ſehr um ſich gegriffen hat: das iſt der tiers-état, der, anſtatt aller Staatsvereinigung und anſtatt alles Rechtes, nichts weiter verlangt, als eine große,
Müllers Elemente. II. [7]
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0105"n="97"/>
romaniſirten Nießbraucher nichts mehr als ein<lb/>
Inſtrument weltlicher Autoritaͤt, und ſo hemm-<lb/>
ten die alten Majorats- und fideicommiſſari-<lb/>ſchen Geſetze und der Lehns-Nexus das unbe-<lb/>
dingte Streben dieſer Nießbraucher.</p><lb/><p>Auf ſolche Art erhielt die Roͤmiſch-Franzoͤ-<lb/>ſiſche Revolution, die lange vor ihrem wirklichen<lb/>
Ausbruche die Europaͤiſchen Continental-Staa-<lb/>
ten ſchon innerlich zernagte, ihre gefaͤhrlichſten<lb/>
Partheigaͤnger: der Europaͤiſche Adel ſelbſt ſchlug<lb/>ſich groͤßten Theils auf ihre Seite; und ſo<lb/>
konnte ſie dem allgemeinen Ruin des buͤrgerlichen<lb/>
Lebens nichts mehr entgegenſetzen.</p><lb/><p>Roͤmiſches ſtrenges Privat-Eigenthum und<lb/>
Europaͤiſches durch Lehnsrecht, perſoͤnliches und<lb/>
lebendiges, goͤttliches Geſetz gemaͤßigtes und ba-<lb/>
lancirtes Privat-Eigenthum, Roͤmiſches Buͤr-<lb/>
gerweſen und Europaͤiſcher <hirendition="#aq">tiers-état</hi>ſind zwei<lb/>
durchaus verſchiedene, einander abſtoßende und<lb/>
ausſchließende Weſen. Roͤmiſcher <hirendition="#aq">tiers-état</hi> iſt<lb/>
der, von dem der Abbé Sieyes in ſeiner Schrift:<lb/><hirendition="#aq">Qu’est ce que c’est le tiers-état?</hi>ſpricht, und<lb/>
von dem er ſagt, daß er alles ſey, und deſſen Geiſt<lb/>
auf dem Continent von Europa nur zu ſehr um<lb/>ſich gegriffen hat: das iſt der <hirendition="#aq">tiers-état</hi>, der,<lb/>
anſtatt aller Staatsvereinigung und anſtatt alles<lb/>
Rechtes, nichts weiter verlangt, als eine große,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Müllers Elemente. <hirendition="#aq">II.</hi> [7]</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[97/0105]
romaniſirten Nießbraucher nichts mehr als ein
Inſtrument weltlicher Autoritaͤt, und ſo hemm-
ten die alten Majorats- und fideicommiſſari-
ſchen Geſetze und der Lehns-Nexus das unbe-
dingte Streben dieſer Nießbraucher.
Auf ſolche Art erhielt die Roͤmiſch-Franzoͤ-
ſiſche Revolution, die lange vor ihrem wirklichen
Ausbruche die Europaͤiſchen Continental-Staa-
ten ſchon innerlich zernagte, ihre gefaͤhrlichſten
Partheigaͤnger: der Europaͤiſche Adel ſelbſt ſchlug
ſich groͤßten Theils auf ihre Seite; und ſo
konnte ſie dem allgemeinen Ruin des buͤrgerlichen
Lebens nichts mehr entgegenſetzen.
Roͤmiſches ſtrenges Privat-Eigenthum und
Europaͤiſches durch Lehnsrecht, perſoͤnliches und
lebendiges, goͤttliches Geſetz gemaͤßigtes und ba-
lancirtes Privat-Eigenthum, Roͤmiſches Buͤr-
gerweſen und Europaͤiſcher tiers-état ſind zwei
durchaus verſchiedene, einander abſtoßende und
ausſchließende Weſen. Roͤmiſcher tiers-état iſt
der, von dem der Abbé Sieyes in ſeiner Schrift:
Qu’est ce que c’est le tiers-état? ſpricht, und
von dem er ſagt, daß er alles ſey, und deſſen Geiſt
auf dem Continent von Europa nur zu ſehr um
ſich gegriffen hat: das iſt der tiers-état, der,
anſtatt aller Staatsvereinigung und anſtatt alles
Rechtes, nichts weiter verlangt, als eine große,
Müllers Elemente. II. [7]
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/105>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.