Vergleichen Sie den vermeintlich allmächti- gen, Römischen, aber verarmten tiers-etat des Continents von Europa, mit dem weise balan- cirten und beschränkten, aber blühenden tiers-etat von England. Ein recht großes Handelshaus wird sein Capital ebenfalls nicht anders, denn als ein Lehn betrachten. --
So ist, frei von allen Entstellungen blinder Partheiwuth, der wahre Geist des Lehnsrechtes. Wenn man es im Ganzen und Großen und in seiner Einwirkung auf die Weltgeschichte betrach- tet, so wird man darin vor allen andern Gesetz- gebungen ein schönes Gleichgewicht der Herr- schaft und des Gehorsams, eine unvergleichliche und unaufhörliche Wechselwirkung zwischen der Freiheit und der Autorität finden, die aus kei- ner andern Quelle herzuleiten ist, als aus dem natürlichen Einfluß christlicher Ideen auf die Ge- müther jugendlicher, freiheitsliebender Völker.
Vergleichen Sie den vermeintlich allmaͤchti- gen, Roͤmiſchen, aber verarmten tiers-état des Continents von Europa, mit dem weiſe balan- cirten und beſchraͤnkten, aber bluͤhenden tiers-état von England. Ein recht großes Handelshaus wird ſein Capital ebenfalls nicht anders, denn als ein Lehn betrachten. —
So iſt, frei von allen Entſtellungen blinder Partheiwuth, der wahre Geiſt des Lehnsrechtes. Wenn man es im Ganzen und Großen und in ſeiner Einwirkung auf die Weltgeſchichte betrach- tet, ſo wird man darin vor allen andern Geſetz- gebungen ein ſchoͤnes Gleichgewicht der Herr- ſchaft und des Gehorſams, eine unvergleichliche und unaufhoͤrliche Wechſelwirkung zwiſchen der Freiheit und der Autoritaͤt finden, die aus kei- ner andern Quelle herzuleiten iſt, als aus dem natuͤrlichen Einfluß chriſtlicher Ideen auf die Ge- muͤther jugendlicher, freiheitsliebender Voͤlker.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0107"n="99"/><p>Vergleichen Sie den vermeintlich allmaͤchti-<lb/>
gen, Roͤmiſchen, aber verarmten <hirendition="#aq">tiers-état</hi> des<lb/>
Continents von Europa, mit dem weiſe balan-<lb/>
cirten und beſchraͤnkten, aber bluͤhenden <hirendition="#aq">tiers-état</hi><lb/>
von England. Ein recht großes Handelshaus<lb/>
wird ſein Capital ebenfalls nicht anders, denn<lb/>
als ein Lehn betrachten. —</p><lb/><p>So iſt, frei von allen Entſtellungen blinder<lb/>
Partheiwuth, der wahre Geiſt des Lehnsrechtes.<lb/>
Wenn man es im Ganzen und Großen und in<lb/>ſeiner Einwirkung auf die Weltgeſchichte betrach-<lb/>
tet, ſo wird man darin vor allen andern Geſetz-<lb/>
gebungen ein ſchoͤnes Gleichgewicht der Herr-<lb/>ſchaft und des Gehorſams, eine unvergleichliche<lb/>
und unaufhoͤrliche Wechſelwirkung zwiſchen der<lb/>
Freiheit und der Autoritaͤt finden, die aus kei-<lb/>
ner andern Quelle herzuleiten iſt, als aus dem<lb/>
natuͤrlichen Einfluß chriſtlicher Ideen auf die Ge-<lb/>
muͤther jugendlicher, freiheitsliebender Voͤlker.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[99/0107]
Vergleichen Sie den vermeintlich allmaͤchti-
gen, Roͤmiſchen, aber verarmten tiers-état des
Continents von Europa, mit dem weiſe balan-
cirten und beſchraͤnkten, aber bluͤhenden tiers-état
von England. Ein recht großes Handelshaus
wird ſein Capital ebenfalls nicht anders, denn
als ein Lehn betrachten. —
So iſt, frei von allen Entſtellungen blinder
Partheiwuth, der wahre Geiſt des Lehnsrechtes.
Wenn man es im Ganzen und Großen und in
ſeiner Einwirkung auf die Weltgeſchichte betrach-
tet, ſo wird man darin vor allen andern Geſetz-
gebungen ein ſchoͤnes Gleichgewicht der Herr-
ſchaft und des Gehorſams, eine unvergleichliche
und unaufhoͤrliche Wechſelwirkung zwiſchen der
Freiheit und der Autoritaͤt finden, die aus kei-
ner andern Quelle herzuleiten iſt, als aus dem
natuͤrlichen Einfluß chriſtlicher Ideen auf die Ge-
muͤther jugendlicher, freiheitsliebender Voͤlker.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/107>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.