gerathen, empfohlen, beschützt, tolerirt, aber -- wie aus allen diesen verschiedenen Ausdrücken hervorleuchtet -- als ein die Ordnung befördern- des, den Gesetzen nachhelfendes Erziehungsmit- tel, nur unmaßgeblich unter vielen andern Cul- tur-Anstalten herbeigebracht, damit alles dem öf- fentlichen Wohle Ersprießliche vorräthig sey.
Dennoch existirt auch in denen Ländern, deren geistiger Verband durch die Ungebundenheit und den privativen Charakter des absoluten Prote- stantismus am meisten aufgelös't ist, eine Art von unzerstörbarer Sage, daß öffentliche reli- giöse Institute unentbehrlich seyen. Die Gebil- deten schmeicheln ihrem Verstande, indem sie diese Unentbehrlichkeit mit der Bildungslosigkeit der niedern Stände motiviren und, recht heidni- scher Weise, die Furcht vor unsichtbaren Mäch- ten zu einem politischen Hebel gebrauchen wollen. Dessen ungeachtet erklären diese Gründe den dumpfen, instinctartigen Respect vor der Religion nicht: die Kirchen eines protestantischen Landes müßten einmal alle zerstört oder geschlossen und der Sonntag aufgehoben werden, so würden die Gebildeten fühlen, daß eine große, ihnen selbst jetzt unbewußte Hoffnung aus ihrer Seele ver- schwände; sie würden fühlen, daß dieser wirkliche Gottesdienst, außer seiner politischen Wirkung
gerathen, empfohlen, beſchuͤtzt, tolerirt, aber — wie aus allen dieſen verſchiedenen Ausdruͤcken hervorleuchtet — als ein die Ordnung befoͤrdern- des, den Geſetzen nachhelfendes Erziehungsmit- tel, nur unmaßgeblich unter vielen andern Cul- tur-Anſtalten herbeigebracht, damit alles dem oͤf- fentlichen Wohle Erſprießliche vorraͤthig ſey.
Dennoch exiſtirt auch in denen Laͤndern, deren geiſtiger Verband durch die Ungebundenheit und den privativen Charakter des abſoluten Prote- ſtantismus am meiſten aufgeloͤſ’t iſt, eine Art von unzerſtoͤrbarer Sage, daß oͤffentliche reli- gioͤſe Inſtitute unentbehrlich ſeyen. Die Gebil- deten ſchmeicheln ihrem Verſtande, indem ſie dieſe Unentbehrlichkeit mit der Bildungsloſigkeit der niedern Staͤnde motiviren und, recht heidni- ſcher Weiſe, die Furcht vor unſichtbaren Maͤch- ten zu einem politiſchen Hebel gebrauchen wollen. Deſſen ungeachtet erklaͤren dieſe Gruͤnde den dumpfen, inſtinctartigen Reſpect vor der Religion nicht: die Kirchen eines proteſtantiſchen Landes muͤßten einmal alle zerſtoͤrt oder geſchloſſen und der Sonntag aufgehoben werden, ſo wuͤrden die Gebildeten fuͤhlen, daß eine große, ihnen ſelbſt jetzt unbewußte Hoffnung aus ihrer Seele ver- ſchwaͤnde; ſie wuͤrden fuͤhlen, daß dieſer wirkliche Gottesdienſt, außer ſeiner politiſchen Wirkung
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gerathen, empfohlen, beſchuͤtzt, tolerirt, aber —
wie aus allen dieſen verſchiedenen Ausdruͤcken
hervorleuchtet — als ein die Ordnung befoͤrdern-
des, den Geſetzen nachhelfendes Erziehungsmit-
tel, nur unmaßgeblich unter vielen andern Cul-
tur-Anſtalten herbeigebracht, damit alles dem oͤf-
fentlichen Wohle Erſprießliche vorraͤthig ſey.
Dennoch exiſtirt auch in denen Laͤndern, deren
geiſtiger Verband durch die Ungebundenheit und
den privativen Charakter des abſoluten Prote-
ſtantismus am meiſten aufgeloͤſ’t iſt, eine Art
von unzerſtoͤrbarer Sage, daß oͤffentliche reli-
gioͤſe Inſtitute unentbehrlich ſeyen. Die Gebil-
deten ſchmeicheln ihrem Verſtande, indem ſie
dieſe Unentbehrlichkeit mit der Bildungsloſigkeit
der niedern Staͤnde motiviren und, recht heidni-
ſcher Weiſe, die Furcht vor unſichtbaren Maͤch-
ten zu einem politiſchen Hebel gebrauchen wollen.
Deſſen ungeachtet erklaͤren dieſe Gruͤnde den
dumpfen, inſtinctartigen Reſpect vor der Religion
nicht: die Kirchen eines proteſtantiſchen Landes
muͤßten einmal alle zerſtoͤrt oder geſchloſſen und
der Sonntag aufgehoben werden, ſo wuͤrden die
Gebildeten fuͤhlen, daß eine große, ihnen ſelbſt
jetzt unbewußte Hoffnung aus ihrer Seele ver-
ſchwaͤnde; ſie wuͤrden fuͤhlen, daß dieſer wirkliche
Gottesdienſt, außer ſeiner politiſchen Wirkung
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/119>, abgerufen am 16.02.2025.
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