sen, hartnäckig beibehalten haben, oder sie aufs neue mit ganzer Seele und ohne ökonomische Restriction schließen; dann wird es auch, wie wir schon jetzt sehen, an wahren und innigen Bünd- nissen unter den Zeitgenossen nicht fehlen. --
So kamen die Bundesgenossenschaften des tiers-etat im Mittelalter zu Stande, die der Schweizer, der Rheinischen und der hanseatischen Städte, die noch jetzt aller Föderal-Verfassung zum Muster dienen, nicht so wohl in ihrer Form, als in ihrem Geiste. Aber ein würdiger Feind stand ihnen gegenüber, den sie ökonomisch, recht- lich und in jeder Beziehung respectiren mußten, während sie ihn bekriegten, von dem sie lernten, indem sie sich gegen ihn vertheidigten, und mit dem sie in der Hauptsache, in dem Glauben, der alle Herzen beschützte, eins waren: mit einem Stande, mit dem Adel. Von Adel und tiers- etat im Mittelalter gilt, was Göthe von der Feindschaft zwischen Antonio und Tasso sagt: sie wären darum Feinde gewesen, weil die Natur nicht Eins aus ihnen Beiden schuf.
Wir haben einen Feind uns gegenüber, von dem wir gründlich und methodisch lernen sollen, was nicht Wahrheit, nicht Recht, nicht Friede, nicht Krieg, nicht Staat ist: -- nehmlich das uns Allen, wie ich gezeigt habe, mehr oder we-
ſen, hartnaͤckig beibehalten haben, oder ſie aufs neue mit ganzer Seele und ohne oͤkonomiſche Reſtriction ſchließen; dann wird es auch, wie wir ſchon jetzt ſehen, an wahren und innigen Buͤnd- niſſen unter den Zeitgenoſſen nicht fehlen. —
So kamen die Bundesgenoſſenſchaften des tiers-état im Mittelalter zu Stande, die der Schweizer, der Rheiniſchen und der hanſeatiſchen Staͤdte, die noch jetzt aller Foͤderal-Verfaſſung zum Muſter dienen, nicht ſo wohl in ihrer Form, als in ihrem Geiſte. Aber ein wuͤrdiger Feind ſtand ihnen gegenuͤber, den ſie oͤkonomiſch, recht- lich und in jeder Beziehung reſpectiren mußten, waͤhrend ſie ihn bekriegten, von dem ſie lernten, indem ſie ſich gegen ihn vertheidigten, und mit dem ſie in der Hauptſache, in dem Glauben, der alle Herzen beſchuͤtzte, eins waren: mit einem Stande, mit dem Adel. Von Adel und tiers- état im Mittelalter gilt, was Goͤthe von der Feindſchaft zwiſchen Antonio und Taſſo ſagt: ſie waͤren darum Feinde geweſen, weil die Natur nicht Eins aus ihnen Beiden ſchuf.
Wir haben einen Feind uns gegenuͤber, von dem wir gruͤndlich und methodiſch lernen ſollen, was nicht Wahrheit, nicht Recht, nicht Friede, nicht Krieg, nicht Staat iſt: — nehmlich das uns Allen, wie ich gezeigt habe, mehr oder we-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0157"n="149"/>ſen, hartnaͤckig beibehalten haben, oder ſie aufs<lb/>
neue mit ganzer Seele und ohne oͤkonomiſche<lb/>
Reſtriction ſchließen; dann wird es auch, wie wir<lb/>ſchon jetzt ſehen, an wahren und innigen Buͤnd-<lb/>
niſſen unter den Zeitgenoſſen nicht fehlen. —</p><lb/><p>So kamen die Bundesgenoſſenſchaften des<lb/><hirendition="#aq">tiers-état</hi> im Mittelalter zu Stande, die der<lb/>
Schweizer, der Rheiniſchen und der hanſeatiſchen<lb/>
Staͤdte, die noch jetzt aller Foͤderal-Verfaſſung<lb/>
zum Muſter dienen, nicht ſo wohl in ihrer Form,<lb/>
als in ihrem Geiſte. Aber ein wuͤrdiger Feind<lb/>ſtand ihnen gegenuͤber, den ſie oͤkonomiſch, recht-<lb/>
lich und in <hirendition="#g">jeder</hi> Beziehung reſpectiren mußten,<lb/>
waͤhrend ſie ihn bekriegten, von dem ſie lernten,<lb/>
indem ſie ſich gegen ihn vertheidigten, und mit<lb/>
dem ſie in der Hauptſache, in dem Glauben, der<lb/>
alle Herzen beſchuͤtzte, eins waren: mit einem<lb/>
Stande, mit dem Adel. Von Adel und <hirendition="#aq">tiers-<lb/>
état</hi> im Mittelalter gilt, was Goͤthe von der<lb/>
Feindſchaft zwiſchen Antonio und Taſſo ſagt: ſie<lb/>
waͤren darum Feinde geweſen, weil die Natur<lb/>
nicht Eins aus ihnen Beiden ſchuf.</p><lb/><p>Wir haben einen Feind uns gegenuͤber, von<lb/>
dem wir gruͤndlich und methodiſch lernen ſollen,<lb/>
was nicht Wahrheit, nicht Recht, nicht Friede,<lb/>
nicht Krieg, nicht Staat iſt: — nehmlich das<lb/>
uns Allen, wie ich gezeigt habe, mehr oder we-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[149/0157]
ſen, hartnaͤckig beibehalten haben, oder ſie aufs
neue mit ganzer Seele und ohne oͤkonomiſche
Reſtriction ſchließen; dann wird es auch, wie wir
ſchon jetzt ſehen, an wahren und innigen Buͤnd-
niſſen unter den Zeitgenoſſen nicht fehlen. —
So kamen die Bundesgenoſſenſchaften des
tiers-état im Mittelalter zu Stande, die der
Schweizer, der Rheiniſchen und der hanſeatiſchen
Staͤdte, die noch jetzt aller Foͤderal-Verfaſſung
zum Muſter dienen, nicht ſo wohl in ihrer Form,
als in ihrem Geiſte. Aber ein wuͤrdiger Feind
ſtand ihnen gegenuͤber, den ſie oͤkonomiſch, recht-
lich und in jeder Beziehung reſpectiren mußten,
waͤhrend ſie ihn bekriegten, von dem ſie lernten,
indem ſie ſich gegen ihn vertheidigten, und mit
dem ſie in der Hauptſache, in dem Glauben, der
alle Herzen beſchuͤtzte, eins waren: mit einem
Stande, mit dem Adel. Von Adel und tiers-
état im Mittelalter gilt, was Goͤthe von der
Feindſchaft zwiſchen Antonio und Taſſo ſagt: ſie
waͤren darum Feinde geweſen, weil die Natur
nicht Eins aus ihnen Beiden ſchuf.
Wir haben einen Feind uns gegenuͤber, von
dem wir gruͤndlich und methodiſch lernen ſollen,
was nicht Wahrheit, nicht Recht, nicht Friede,
nicht Krieg, nicht Staat iſt: — nehmlich das
uns Allen, wie ich gezeigt habe, mehr oder we-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/157>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.