doch Eure Begriffe vom Privat-Eigenthum re- spectiren. Also braucht ihr eine Macht, die Euch unmittelbar zur Seite stehe und mit Eurem gu- ten Willen in Einverständnisse sey. -- Das ist nicht unsre Sache, erwiedert Ihr; Ihr verweis't mich an die Militär- und Polizei-Verständigen. -- So lös't sich, wenn erst Ein Glied des großen Körpers isolirt ist, der ganze Verband auf: es ist Zufall, es ist Gewohnheit, was den Schein der Vereinigung heute noch erhält; für morgen sagt uns niemand gut, -- wenn nicht angeborne Ideen, aus edleren Zeiten herstammend, in ih- rer letzten entartetsten Gestalt noch mächtiger wären, als der ganze Rechtsbegriff in seiner Con- sequenz-Pralerei, der mir nicht gut dafür sagen kann, ob nicht bloß mein Privat-Eigenthum morgen noch dauern wird, sondern auch nicht, ob ich selbst morgen noch seyn werde. --
Um das, was die Gesellschaft heüte eigent- lich noch bindet, kümmert sich die Wissen- schaft nicht; aber was den alten Verband auf- lös't, was die einzelnen Bürger in der eigen- nützigen Richtung, welche sie ohnedies schon von der Zeit und den Umständen bekommen haben, bestärkt, das wird von der Theorie eifrig ge- pflegt und genährt. -- Nur die Religion, die Mutter aller Ideen, kann den Staaten den Le-
bens-
doch Eure Begriffe vom Privat-Eigenthum re- ſpectiren. Alſo braucht ihr eine Macht, die Euch unmittelbar zur Seite ſtehe und mit Eurem gu- ten Willen in Einverſtaͤndniſſe ſey. — Das iſt nicht unſre Sache, erwiedert Ihr; Ihr verweiſ’t mich an die Militaͤr- und Polizei-Verſtaͤndigen. — So loͤſ’t ſich, wenn erſt Ein Glied des großen Koͤrpers iſolirt iſt, der ganze Verband auf: es iſt Zufall, es iſt Gewohnheit, was den Schein der Vereinigung heute noch erhaͤlt; fuͤr morgen ſagt uns niemand gut, — wenn nicht angeborne Ideen, aus edleren Zeiten herſtammend, in ih- rer letzten entartetſten Geſtalt noch maͤchtiger waͤren, als der ganze Rechtsbegriff in ſeiner Con- ſequenz-Pralerei, der mir nicht gut dafuͤr ſagen kann, ob nicht bloß mein Privat-Eigenthum morgen noch dauern wird, ſondern auch nicht, ob ich ſelbſt morgen noch ſeyn werde. —
Um das, was die Geſellſchaft heuͤte eigent- lich noch bindet, kuͤmmert ſich die Wiſſen- ſchaft nicht; aber was den alten Verband auf- loͤſ’t, was die einzelnen Buͤrger in der eigen- nuͤtzigen Richtung, welche ſie ohnedies ſchon von der Zeit und den Umſtaͤnden bekommen haben, beſtaͤrkt, das wird von der Theorie eifrig ge- pflegt und genaͤhrt. — Nur die Religion, die Mutter aller Ideen, kann den Staaten den Le-
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doch Eure Begriffe vom Privat-Eigenthum re-
ſpectiren. Alſo braucht ihr eine Macht, die Euch
unmittelbar zur Seite ſtehe und mit Eurem gu-
ten Willen in Einverſtaͤndniſſe ſey. — Das iſt
nicht unſre Sache, erwiedert Ihr; Ihr verweiſ’t
mich an die Militaͤr- und Polizei-Verſtaͤndigen. —
So loͤſ’t ſich, wenn erſt Ein Glied des großen
Koͤrpers iſolirt iſt, der ganze Verband auf: es
iſt Zufall, es iſt Gewohnheit, was den Schein
der Vereinigung heute noch erhaͤlt; fuͤr morgen
ſagt uns niemand gut, — wenn nicht angeborne
Ideen, aus edleren Zeiten herſtammend, in ih-
rer letzten entartetſten Geſtalt noch maͤchtiger
waͤren, als der ganze Rechtsbegriff in ſeiner Con-
ſequenz-Pralerei, der mir nicht gut dafuͤr ſagen
kann, ob nicht bloß mein Privat-Eigenthum
morgen noch dauern wird, ſondern auch nicht,
ob ich ſelbſt morgen noch ſeyn werde. —
Um das, was die Geſellſchaft heuͤte eigent-
lich noch bindet, kuͤmmert ſich die Wiſſen-
ſchaft nicht; aber was den alten Verband auf-
loͤſ’t, was die einzelnen Buͤrger in der eigen-
nuͤtzigen Richtung, welche ſie ohnedies ſchon von
der Zeit und den Umſtaͤnden bekommen haben,
beſtaͤrkt, das wird von der Theorie eifrig ge-
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/168>, abgerufen am 04.12.2024.
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