annahm, eben so das älteste Römische Gesetz sich mehr auf den weltlichen, sächlichen Besitz richten mußte. Roms vorzüglichster Zweck war Behaup- tung und Erweiterung eines sächlichen Besitzes, Israels Hauptzweck die Reinerhaltung und Be- festigung der alten Familienverbindung. Der Sinn der Römer richtet sich nothwendig auf den Ruhm kriegerischer Thaten; und wenn es auch Israel keinesweges an kriegerischem Geiste man- gelte, so werden doch die Thaten nur mit Rück- sicht auf den Hauptzweck, auf die Verewigung der Familie Abrahams, gewürdigt: aller Ruhm der Israeliten liegt, wie ich schon einmal erinnert habe, in den National-Stammbäumen, also in der Fortpflanzung des Geschlechtes.
Der Landbau neben dem Kriege war, wie der Israeliten, so auch der Römer ursprüngliche Be- schäftigung, freilich bei den Römern fast ohne alle Beziehung auf einen unsichtbaren Grund- herrn, weshalb der Arten Eigenthum zu erwer- ben bei ihnen so viele, als bei den Israe- liten wenige waren. Daher ist, wenn auch in den strengen Beschäftigungen und in der festen Treue gegen das Gesetz unter beiden Völkern eine große Aehnlichkeit Statt findet, der Geist beider dennoch durchaus entgegengesetzt.
Das Band der Römer war weltliches Eigen-
annahm, eben ſo das aͤlteſte Roͤmiſche Geſetz ſich mehr auf den weltlichen, ſaͤchlichen Beſitz richten mußte. Roms vorzuͤglichſter Zweck war Behaup- tung und Erweiterung eines ſaͤchlichen Beſitzes, Iſraels Hauptzweck die Reinerhaltung und Be- feſtigung der alten Familienverbindung. Der Sinn der Roͤmer richtet ſich nothwendig auf den Ruhm kriegeriſcher Thaten; und wenn es auch Iſrael keinesweges an kriegeriſchem Geiſte man- gelte, ſo werden doch die Thaten nur mit Ruͤck- ſicht auf den Hauptzweck, auf die Verewigung der Familie Abrahams, gewuͤrdigt: aller Ruhm der Iſraeliten liegt, wie ich ſchon einmal erinnert habe, in den National-Stammbaͤumen, alſo in der Fortpflanzung des Geſchlechtes.
Der Landbau neben dem Kriege war, wie der Iſraeliten, ſo auch der Roͤmer urſpruͤngliche Be- ſchaͤftigung, freilich bei den Roͤmern faſt ohne alle Beziehung auf einen unſichtbaren Grund- herrn, weshalb der Arten Eigenthum zu erwer- ben bei ihnen ſo viele, als bei den Iſrae- liten wenige waren. Daher iſt, wenn auch in den ſtrengen Beſchaͤftigungen und in der feſten Treue gegen das Geſetz unter beiden Voͤlkern eine große Aehnlichkeit Statt findet, der Geiſt beider dennoch durchaus entgegengeſetzt.
Das Band der Roͤmer war weltliches Eigen-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0060"n="52"/>
annahm, eben ſo das aͤlteſte Roͤmiſche Geſetz ſich<lb/>
mehr auf den weltlichen, ſaͤchlichen Beſitz richten<lb/>
mußte. Roms vorzuͤglichſter Zweck war Behaup-<lb/>
tung und Erweiterung eines ſaͤchlichen Beſitzes,<lb/>
Iſraels Hauptzweck die Reinerhaltung und Be-<lb/>
feſtigung der alten Familienverbindung. Der<lb/>
Sinn der Roͤmer richtet ſich nothwendig auf den<lb/>
Ruhm kriegeriſcher Thaten; und wenn es auch<lb/>
Iſrael keinesweges an kriegeriſchem Geiſte man-<lb/>
gelte, ſo werden doch die Thaten nur mit Ruͤck-<lb/>ſicht auf den Hauptzweck, auf die Verewigung<lb/>
der Familie Abrahams, gewuͤrdigt: aller Ruhm<lb/>
der Iſraeliten liegt, wie ich ſchon einmal erinnert<lb/>
habe, in den National-Stammbaͤumen, alſo in<lb/>
der Fortpflanzung des Geſchlechtes.</p><lb/><p>Der Landbau neben dem Kriege war, wie der<lb/>
Iſraeliten, ſo auch der Roͤmer urſpruͤngliche Be-<lb/>ſchaͤftigung, freilich bei den Roͤmern faſt ohne<lb/>
alle Beziehung auf einen unſichtbaren Grund-<lb/>
herrn, weshalb der Arten Eigenthum zu erwer-<lb/>
ben bei ihnen ſo <hirendition="#g">viele</hi>, als bei den Iſrae-<lb/>
liten <hirendition="#g">wenige</hi> waren. Daher iſt, wenn auch in<lb/>
den ſtrengen Beſchaͤftigungen und in der feſten<lb/>
Treue gegen das Geſetz unter beiden Voͤlkern<lb/>
eine große Aehnlichkeit Statt findet, der Geiſt<lb/>
beider dennoch durchaus entgegengeſetzt.</p><lb/><p>Das Band der Roͤmer war weltliches Eigen-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[52/0060]
annahm, eben ſo das aͤlteſte Roͤmiſche Geſetz ſich
mehr auf den weltlichen, ſaͤchlichen Beſitz richten
mußte. Roms vorzuͤglichſter Zweck war Behaup-
tung und Erweiterung eines ſaͤchlichen Beſitzes,
Iſraels Hauptzweck die Reinerhaltung und Be-
feſtigung der alten Familienverbindung. Der
Sinn der Roͤmer richtet ſich nothwendig auf den
Ruhm kriegeriſcher Thaten; und wenn es auch
Iſrael keinesweges an kriegeriſchem Geiſte man-
gelte, ſo werden doch die Thaten nur mit Ruͤck-
ſicht auf den Hauptzweck, auf die Verewigung
der Familie Abrahams, gewuͤrdigt: aller Ruhm
der Iſraeliten liegt, wie ich ſchon einmal erinnert
habe, in den National-Stammbaͤumen, alſo in
der Fortpflanzung des Geſchlechtes.
Der Landbau neben dem Kriege war, wie der
Iſraeliten, ſo auch der Roͤmer urſpruͤngliche Be-
ſchaͤftigung, freilich bei den Roͤmern faſt ohne
alle Beziehung auf einen unſichtbaren Grund-
herrn, weshalb der Arten Eigenthum zu erwer-
ben bei ihnen ſo viele, als bei den Iſrae-
liten wenige waren. Daher iſt, wenn auch in
den ſtrengen Beſchaͤftigungen und in der feſten
Treue gegen das Geſetz unter beiden Voͤlkern
eine große Aehnlichkeit Statt findet, der Geiſt
beider dennoch durchaus entgegengeſetzt.
Das Band der Roͤmer war weltliches Eigen-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/60>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.