Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Wilhelm: Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Dessau, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite
Februar.

Erkennst du mich in meinem bunten Kleide,
Mit meiner Pritsche, meinem Schellenhut,
Mit meinem unermüdlich krausen Muth,
Voll Scherz und Rank und Witz und Schadenfreude?
Doch zapft man hier, zu meinem großen Leide,
Mir jährlich ab ein Becken wildes Blut:
Humanitas meint es mit mir nicht gut,
Und schwärzt mich an mit unhumanem Neide.
Ich darf nicht mehr frei durch die Straße wandern,
In enge Säle schließen sie mich ein,
Und wollen gar, ich soll vernünftig sein.
Wie thut mir's weh um dich vor allen Andern!
Ich möchte gern dich römisch lustig sehn,
Und müßt' ich selbst dabei zu Grunde gehn.

Februar.

Erkennſt du mich in meinem bunten Kleide,
Mit meiner Pritſche, meinem Schellenhut,
Mit meinem unermuͤdlich krauſen Muth,
Voll Scherz und Rank und Witz und Schadenfreude?
Doch zapft man hier, zu meinem großen Leide,
Mir jaͤhrlich ab ein Becken wildes Blut:
Humanitas meint es mit mir nicht gut,
Und ſchwaͤrzt mich an mit unhumanem Neide.
Ich darf nicht mehr frei durch die Straße wandern,
In enge Saͤle ſchließen ſie mich ein,
Und wollen gar, ich ſoll vernuͤnftig ſein.
Wie thut mir's weh um dich vor allen Andern!
Ich moͤchte gern dich roͤmiſch luſtig ſehn,
Und muͤßt' ich ſelbſt dabei zu Grunde gehn.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0121" n="109"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Februar.</hi><lb/>
          </head>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">E</hi>rkenn&#x017F;t du mich in meinem bunten Kleide,</l><lb/>
              <l>Mit meiner Prit&#x017F;che, meinem Schellenhut,</l><lb/>
              <l>Mit meinem unermu&#x0364;dlich krau&#x017F;en Muth,</l><lb/>
              <l>Voll Scherz und Rank und Witz und Schadenfreude?</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Doch zapft man hier, zu meinem großen Leide,</l><lb/>
              <l>Mir ja&#x0364;hrlich ab ein Becken wildes Blut:</l><lb/>
              <l>Humanitas meint es mit mir nicht gut,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;chwa&#x0364;rzt mich an mit unhumanem Neide.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Ich darf nicht mehr frei durch die Straße wandern,</l><lb/>
              <l>In enge Sa&#x0364;le &#x017F;chließen &#x017F;ie mich ein,</l><lb/>
              <l>Und wollen gar, ich &#x017F;oll vernu&#x0364;nftig &#x017F;ein.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l>Wie thut mir's weh um dich vor allen Andern!</l><lb/>
              <l>Ich mo&#x0364;chte gern dich ro&#x0364;mi&#x017F;ch lu&#x017F;tig &#x017F;ehn,</l><lb/>
              <l>Und mu&#x0364;ßt' ich &#x017F;elb&#x017F;t dabei zu Grunde gehn.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0121] Februar. Erkennſt du mich in meinem bunten Kleide, Mit meiner Pritſche, meinem Schellenhut, Mit meinem unermuͤdlich krauſen Muth, Voll Scherz und Rank und Witz und Schadenfreude? Doch zapft man hier, zu meinem großen Leide, Mir jaͤhrlich ab ein Becken wildes Blut: Humanitas meint es mit mir nicht gut, Und ſchwaͤrzt mich an mit unhumanem Neide. Ich darf nicht mehr frei durch die Straße wandern, In enge Saͤle ſchließen ſie mich ein, Und wollen gar, ich ſoll vernuͤnftig ſein. Wie thut mir's weh um dich vor allen Andern! Ich moͤchte gern dich roͤmiſch luſtig ſehn, Und muͤßt' ich ſelbſt dabei zu Grunde gehn.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_waldhornist_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_waldhornist_1821/121
Zitationshilfe: Müller, Wilhelm: Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Dessau, 1821, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_waldhornist_1821/121>, abgerufen am 24.11.2024.