Müller, Wilhelm: Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Dessau, 1821.Daß die Silberblüthen alle Ist zu Ende nun die Sage, Schweig' auch ich, und was im Herzen Mir sich regt mit jedem Schlage, Hat sich heute still getrunken In dem kühlen Wundersafte, Und so send' ich ohne Deutung, Freundin, dir die Gärtnersage. Daß die Silberbluͤthen alle Iſt zu Ende nun die Sage, Schweig' auch ich, und was im Herzen Mir ſich regt mit jedem Schlage, Hat ſich heute ſtill getrunken In dem kuͤhlen Wunderſafte, Und ſo ſend' ich ohne Deutung, Freundin, dir die Gaͤrtnerſage. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="1"> <pb facs="#f0165" n="153"/> <l>Daß die Silberbluͤthen alle</l><lb/> <l>Offnen Auges landwaͤrts ſchauten,</l><lb/> <l>Und das Meer nur Gruͤnes ſahe.</l><lb/> <l>Und als nun der Herbſt gekommen,</l><lb/> <l>Und den erſten goldnen Apfel</l><lb/> <l>Pruͤfend ich vom Baume pfluͤckte,</l><lb/> <l>Ward mir klar der Zweige Schwanken</l><lb/> <l>Und der Bluͤthen ſeltſam Draͤngen:</l><lb/> <l>Denn gleich heißen Blutes Flammen,</l><lb/> <l>Voll, wie langverhalt'nes Sehnen,</l><lb/> <l>Floß der Saft aus goldner Schale.</l><lb/> <l>Alſo ſprach der kluge Gaͤrtner,</l><lb/> <l>Und ich pfluͤckte mir Orangen</l><lb/> <l>Von dem ſeltnen Uferbaume.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Iſt zu Ende nun die Sage,</l><lb/> <l>Schweig' auch ich, und was im Herzen</l><lb/> <l>Mir ſich regt mit jedem Schlage,</l><lb/> <l>Hat ſich heute ſtill getrunken</l><lb/> <l>In dem kuͤhlen Wunderſafte,</l><lb/> <l>Und ſo ſend' ich ohne Deutung,</l><lb/> <l>Freundin, dir die Gaͤrtnerſage.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [153/0165]
Daß die Silberbluͤthen alle
Offnen Auges landwaͤrts ſchauten,
Und das Meer nur Gruͤnes ſahe.
Und als nun der Herbſt gekommen,
Und den erſten goldnen Apfel
Pruͤfend ich vom Baume pfluͤckte,
Ward mir klar der Zweige Schwanken
Und der Bluͤthen ſeltſam Draͤngen:
Denn gleich heißen Blutes Flammen,
Voll, wie langverhalt'nes Sehnen,
Floß der Saft aus goldner Schale.
Alſo ſprach der kluge Gaͤrtner,
Und ich pfluͤckte mir Orangen
Von dem ſeltnen Uferbaume.
Iſt zu Ende nun die Sage,
Schweig' auch ich, und was im Herzen
Mir ſich regt mit jedem Schlage,
Hat ſich heute ſtill getrunken
In dem kuͤhlen Wunderſafte,
Und ſo ſend' ich ohne Deutung,
Freundin, dir die Gaͤrtnerſage.
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Zitationshilfe: | Müller, Wilhelm: Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Dessau, 1821, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_waldhornist_1821/165>, abgerufen am 29.07.2024. |