Müller, Wilhelm: Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Dessau, 1821.Der Dichter, als Epilog. Weil gern man schließt mit einer runden Zahl, Tret' ich noch einmal in den vollen Saal, Als letztes, fünf und zwanzigstes Gedicht, Als Epilog, der gern das Klügste spricht. Doch pfuschte mir der Bach in's Handwerk schon Mit seiner Leichenred' im nassen Ton. Aus solchem hohlen Wasserorgelschall Zieht Jeder selbst sich besser die Moral; Ich geb' es auf, und lasse diesen Zwist, Weil Widerspruch nicht meines Amtes ist. So hab' ich denn nichts lieber hier zu thun, Als euch zum Schluß zu wünschen, wohl zu ruhn. Wir blasen unsre Sonn' und Sternlein aus -- Nun findet euch im Dunkel gut nach Haus, Und wollt ihr träumen einen leichten Traum, So denkt an Mühlenrad und Wasserschaum, Wenn ihr die Augen schließt zu langer Nacht, Bis es den Kopf zum Drehen euch gebracht. 4
Der Dichter, als Epilog. Weil gern man ſchließt mit einer runden Zahl, Tret' ich noch einmal in den vollen Saal, Als letztes, fuͤnf und zwanzigſtes Gedicht, Als Epilog, der gern das Kluͤgſte ſpricht. Doch pfuſchte mir der Bach in's Handwerk ſchon Mit ſeiner Leichenred' im naſſen Ton. Aus ſolchem hohlen Waſſerorgelſchall Zieht Jeder ſelbſt ſich beſſer die Moral; Ich geb' es auf, und laſſe dieſen Zwiſt, Weil Widerſpruch nicht meines Amtes iſt. So hab' ich denn nichts lieber hier zu thun, Als euch zum Schluß zu wuͤnſchen, wohl zu ruhn. Wir blaſen unſre Sonn' und Sternlein aus — Nun findet euch im Dunkel gut nach Haus, Und wollt ihr traͤumen einen leichten Traum, So denkt an Muͤhlenrad und Waſſerſchaum, Wenn ihr die Augen ſchließt zu langer Nacht, Bis es den Kopf zum Drehen euch gebracht. 4
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Der Dichter, als Epilog.
Weil gern man ſchließt mit einer runden Zahl,
Tret' ich noch einmal in den vollen Saal,
Als letztes, fuͤnf und zwanzigſtes Gedicht,
Als Epilog, der gern das Kluͤgſte ſpricht.
Doch pfuſchte mir der Bach in's Handwerk ſchon
Mit ſeiner Leichenred' im naſſen Ton.
Aus ſolchem hohlen Waſſerorgelſchall
Zieht Jeder ſelbſt ſich beſſer die Moral;
Ich geb' es auf, und laſſe dieſen Zwiſt,
Weil Widerſpruch nicht meines Amtes iſt.
So hab' ich denn nichts lieber hier zu thun,
Als euch zum Schluß zu wuͤnſchen, wohl zu ruhn.
Wir blaſen unſre Sonn' und Sternlein aus —
Nun findet euch im Dunkel gut nach Haus,
Und wollt ihr traͤumen einen leichten Traum,
So denkt an Muͤhlenrad und Waſſerſchaum,
Wenn ihr die Augen ſchließt zu langer Nacht,
Bis es den Kopf zum Drehen euch gebracht.
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Zitationshilfe: | Müller, Wilhelm: Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Dessau, 1821, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_waldhornist_1821/61>, abgerufen am 16.02.2025. |