Müllner, Adolph: Der Kaliber. Leipzig, 1829."Was ist das für ein seltsamer Rückfall?" sagte ich: "und an welchem Tage! Reden Sie! Sie stehen vor dem Freunde." "Das dürfen Sie mir nicht mehr seyn," antwortete er fest: "Sie sind mein Richter. Es ist ein Brudermord, den ich Ihnen freiwillig bekenne. Kein veranlaßter, sondern ein begangener, ein mit Willen verübter. Nicht meine übereilte Rede, sondern diese meine Hand ist Heinrichs Mörderin. Von Ihrem Amte verlang' ich mein Recht: den Tod." Ich war betäubt von dem Ausdrucke der Wahrheit, womit er diese Worte sprach. Und doch sträubte sich meine ganze Seele dagegen, zu glauben, was Marianen in das tiefste Elend stürzen mußte. Der Gedanke an sie überfiel mich mit einer Peinigung, die ich nicht „Was ist das für ein seltsamer Rückfall?“ sagte ich: „und an welchem Tage! Reden Sie! Sie stehen vor dem Freunde.“ „Das dürfen Sie mir nicht mehr seyn,“ antwortete er fest: „Sie sind mein Richter. Es ist ein Brudermord, den ich Ihnen freiwillig bekenne. Kein veranlaßter, sondern ein begangener, ein mit Willen verübter. Nicht meine übereilte Rede, sondern diese meine Hand ist Heinrichs Mörderin. Von Ihrem Amte verlang’ ich mein Recht: den Tod.“ Ich war betäubt von dem Ausdrucke der Wahrheit, womit er diese Worte sprach. Und doch sträubte sich meine ganze Seele dagegen, zu glauben, was Marianen in das tiefste Elend stürzen mußte. Der Gedanke an sie überfiel mich mit einer Peinigung, die ich nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0129" n="109"/> <p>„Was ist das für ein seltsamer Rückfall?“ sagte ich: „und an welchem Tage! Reden Sie! Sie stehen vor dem <hi rendition="#g">Freunde</hi>.“</p> <p>„<hi rendition="#g">Das</hi> dürfen Sie mir nicht mehr seyn,“ antwortete er fest: „Sie sind mein <hi rendition="#g">Richter</hi>. Es ist ein <hi rendition="#g">Brudermord</hi>, den ich Ihnen freiwillig bekenne. Kein veranlaßter, sondern ein begangener, ein mit Willen verübter. Nicht meine übereilte Rede, sondern diese meine <hi rendition="#g">Hand</hi> ist Heinrichs Mörderin. Von Ihrem <hi rendition="#g">Amte</hi> verlang’ ich mein <hi rendition="#g">Recht</hi>: den <hi rendition="#g">Tod</hi>.“</p> <p>Ich war betäubt von dem Ausdrucke der Wahrheit, womit er diese Worte sprach. Und doch sträubte sich meine ganze Seele dagegen, zu glauben, was <hi rendition="#g">Marianen</hi> in das tiefste Elend stürzen mußte. Der Gedanke an sie überfiel mich mit einer Peinigung, die ich nicht </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [109/0129]
„Was ist das für ein seltsamer Rückfall?“ sagte ich: „und an welchem Tage! Reden Sie! Sie stehen vor dem Freunde.“
„Das dürfen Sie mir nicht mehr seyn,“ antwortete er fest: „Sie sind mein Richter. Es ist ein Brudermord, den ich Ihnen freiwillig bekenne. Kein veranlaßter, sondern ein begangener, ein mit Willen verübter. Nicht meine übereilte Rede, sondern diese meine Hand ist Heinrichs Mörderin. Von Ihrem Amte verlang’ ich mein Recht: den Tod.“
Ich war betäubt von dem Ausdrucke der Wahrheit, womit er diese Worte sprach. Und doch sträubte sich meine ganze Seele dagegen, zu glauben, was Marianen in das tiefste Elend stürzen mußte. Der Gedanke an sie überfiel mich mit einer Peinigung, die ich nicht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/muellner_kaliber_1829 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/muellner_kaliber_1829/129 |
Zitationshilfe: | Müllner, Adolph: Der Kaliber. Leipzig, 1829, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muellner_kaliber_1829/129>, abgerufen am 16.02.2025. |