Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.hören mit wahrer Güte und Weisheit zu regieren, wenn er auf eine bloße unthätige Reue vergeben wollte. Der Graf folgte mir mit ununterbrochener Auf- Wir giengen nun zu der Besserung des Lebens, der
hoͤren mit wahrer Guͤte und Weisheit zu regieren, wenn er auf eine bloße unthaͤtige Reue vergeben wollte. Der Graf folgte mir mit ununterbrochener Auf- Wir giengen nun zu der Beſſerung des Lebens, der
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0104" n="92"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> hoͤren mit wahrer Guͤte und Weisheit zu regieren,<lb/> wenn er auf eine bloße unthaͤtige Reue vergeben wollte.</p><lb/> <p>Der Graf folgte mir mit ununterbrochener Auf-<lb/> merkſamkeit, und geſtand, daß die bloße Reue keine ge-<lb/> gruͤndete Hoffnung der Begnadigung gebe. Wir nahmen<lb/> alſo das andere von der Vernunft empfohlene Mittel vor<lb/> uns, und dieſes war die Erſetzung des verurſachten<lb/> Schadens. Dieſe Erſetzung, ſagte ich, waͤre freylich<lb/> weit mehr, als bloße Reue. Aber bey aller Erſetzung<lb/> waͤre doch noch der bewieſene Ungehorſam gegen Gott,<lb/> die Beleidigung ſeiner Majeſtaͤt, die Empoͤrung gegen<lb/> ſeine wohlthaͤtigen Abſichten, hoͤchſt ſtrafbar. Es waͤre<lb/> immer noch die Frage, ob Gott das alles ungeſtraft hin-<lb/> gehen laſſen wolle, und ob er es, nach den Regeln, nach<lb/> welchen er ſeine Welt regiert, ungeſtraft hingehen laſſen<lb/> koͤnne. — Was wollen wir aber auch von Erſetzung des<lb/> geſtifteten Schadens reden? Kann der Suͤnder ſie jemals<lb/> leiſten? Es ſind einige wenige Faͤlle moͤglich, wo er<lb/> vielleicht glauben moͤchte, daß er das verurſachte Boͤſe<lb/> wieder gut machen koͤnne. Aber im Ganzen? Kennt er<lb/> alle ſeine Suͤnden? Weiß er alle ihre Folgen? So muͤßte<lb/> er allwiſſend ſeyn! Kann er den Fortlauf dieſer Folgen<lb/> verhindern? Kann er ſie aus dem Ganzen, in welchem<lb/> ſie verwickelt ſind, losreißen? Kann er ihnen noch nach<lb/> ſeinem Tode, ja bis ans Ende der Welt, nachgehen,<lb/> und ſie uͤberall hemmen, wohin ſie ſich verbreiten? So<lb/> muͤßte er allmaͤchtig und allgegenwaͤrtig ſeyn! Nein,<lb/> Herr Graf, es iſt nichts mit der Erſetzung des Schadens.<lb/> Sie iſt nicht hinreichend, ſie iſt ſo gar ganz unmoͤglich!</p><lb/> <p>Wir giengen nun zu der Beſſerung des Lebens,<lb/> als dem dritten der von der Vernunft an die Hand gege-<lb/> benen Mittel fort. Sie iſt gut, ſagte ich, muß auch<lb/> wenigſtens dieſe Wuͤrkung haben, daß ſie dem Richter<lb/> <fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [92/0104]
hoͤren mit wahrer Guͤte und Weisheit zu regieren,
wenn er auf eine bloße unthaͤtige Reue vergeben wollte.
Der Graf folgte mir mit ununterbrochener Auf-
merkſamkeit, und geſtand, daß die bloße Reue keine ge-
gruͤndete Hoffnung der Begnadigung gebe. Wir nahmen
alſo das andere von der Vernunft empfohlene Mittel vor
uns, und dieſes war die Erſetzung des verurſachten
Schadens. Dieſe Erſetzung, ſagte ich, waͤre freylich
weit mehr, als bloße Reue. Aber bey aller Erſetzung
waͤre doch noch der bewieſene Ungehorſam gegen Gott,
die Beleidigung ſeiner Majeſtaͤt, die Empoͤrung gegen
ſeine wohlthaͤtigen Abſichten, hoͤchſt ſtrafbar. Es waͤre
immer noch die Frage, ob Gott das alles ungeſtraft hin-
gehen laſſen wolle, und ob er es, nach den Regeln, nach
welchen er ſeine Welt regiert, ungeſtraft hingehen laſſen
koͤnne. — Was wollen wir aber auch von Erſetzung des
geſtifteten Schadens reden? Kann der Suͤnder ſie jemals
leiſten? Es ſind einige wenige Faͤlle moͤglich, wo er
vielleicht glauben moͤchte, daß er das verurſachte Boͤſe
wieder gut machen koͤnne. Aber im Ganzen? Kennt er
alle ſeine Suͤnden? Weiß er alle ihre Folgen? So muͤßte
er allwiſſend ſeyn! Kann er den Fortlauf dieſer Folgen
verhindern? Kann er ſie aus dem Ganzen, in welchem
ſie verwickelt ſind, losreißen? Kann er ihnen noch nach
ſeinem Tode, ja bis ans Ende der Welt, nachgehen,
und ſie uͤberall hemmen, wohin ſie ſich verbreiten? So
muͤßte er allmaͤchtig und allgegenwaͤrtig ſeyn! Nein,
Herr Graf, es iſt nichts mit der Erſetzung des Schadens.
Sie iſt nicht hinreichend, ſie iſt ſo gar ganz unmoͤglich!
Wir giengen nun zu der Beſſerung des Lebens,
als dem dritten der von der Vernunft an die Hand gege-
benen Mittel fort. Sie iſt gut, ſagte ich, muß auch
wenigſtens dieſe Wuͤrkung haben, daß ſie dem Richter
der
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