Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.den Eigenschaften Gottes halten wollte, weil ihm etwa die Methode Gottes bey dieser Sache nicht gefiele, oder weil er nach seiner eingeschränckten Einsicht glaubte, Gott hätte seine Absicht, uns mit sich zu versöhnen, auf einem andern bequemern Wege erreichen können. Wenn ein Verständigerer als ich mich glücklich machen will, und ich sehe ein, daß der Vorschlag, den er mir in die- ser Absicht thut, seiner würdig und mir vortheilhaft ist, ist es dann anständig, daß ich ihn mistrauisch frage: Warum machst du es so, und nicht anders? Wir können ja diesen Weg Gottes nicht ganz übersehen, wir können ja nicht wissen, wie unumgänglich nothwendig eben diese Art der Versöhnung nach den Absichten Gottes war, und was für große Würkungen sie in dem Plan der gött- lichen Regierung haben soll, der aufs Ganze geht. Wir finden auch selbst in der sichtbaren Welt, in der Schö- pfung und Vorsehung, vieles, das nach unsern Vorstel- lungen unschicklig ist, und wovon doch der Erfolg zeigt, daß es würdig sey, von Gott herzurühren. Die Eigen- schaften Gottes, die hier in Betrachtung kommen, sind die Liebe, die Weisheit, die Heiligkeit, die Gerechtig- keit. Die Erlösung der Welt ist eine moralische Ope- ration: es kommt also hier auf Gottes moralische Eigen- schaften an. Jn welch ein ehrwürdiges Licht sehen Sie die Er
den Eigenſchaften Gottes halten wollte, weil ihm etwa die Methode Gottes bey dieſer Sache nicht gefiele, oder weil er nach ſeiner eingeſchraͤnckten Einſicht glaubte, Gott haͤtte ſeine Abſicht, uns mit ſich zu verſoͤhnen, auf einem andern bequemern Wege erreichen koͤnnen. Wenn ein Verſtaͤndigerer als ich mich gluͤcklich machen will, und ich ſehe ein, daß der Vorſchlag, den er mir in die- ſer Abſicht thut, ſeiner wuͤrdig und mir vortheilhaft iſt, iſt es dann anſtaͤndig, daß ich ihn mistrauiſch frage: Warum machſt du es ſo, und nicht anders? Wir koͤnnen ja dieſen Weg Gottes nicht ganz uͤberſehen, wir koͤnnen ja nicht wiſſen, wie unumgaͤnglich nothwendig eben dieſe Art der Verſoͤhnung nach den Abſichten Gottes war, und was fuͤr große Wuͤrkungen ſie in dem Plan der goͤtt- lichen Regierung haben ſoll, der aufs Ganze geht. Wir finden auch ſelbſt in der ſichtbaren Welt, in der Schoͤ- pfung und Vorſehung, vieles, das nach unſern Vorſtel- lungen unſchicklig iſt, und wovon doch der Erfolg zeigt, daß es wuͤrdig ſey, von Gott herzuruͤhren. Die Eigen- ſchaften Gottes, die hier in Betrachtung kommen, ſind die Liebe, die Weisheit, die Heiligkeit, die Gerechtig- keit. Die Erloͤſung der Welt iſt eine moraliſche Ope- ration: es kommt alſo hier auf Gottes moraliſche Eigen- ſchaften an. Jn welch ein ehrwuͤrdiges Licht ſehen Sie die Er
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0122" n="110"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> den Eigenſchaften Gottes halten wollte, weil ihm etwa<lb/> die Methode Gottes bey dieſer Sache nicht gefiele, oder<lb/> weil er nach ſeiner eingeſchraͤnckten Einſicht glaubte,<lb/> Gott haͤtte ſeine Abſicht, uns mit ſich zu verſoͤhnen, auf<lb/> einem andern bequemern Wege erreichen koͤnnen. Wenn<lb/> ein Verſtaͤndigerer als ich mich gluͤcklich machen will,<lb/> und ich ſehe ein, daß der Vorſchlag, den er mir in die-<lb/> ſer Abſicht thut, ſeiner wuͤrdig und mir vortheilhaft iſt,<lb/> iſt es dann anſtaͤndig, daß ich ihn mistrauiſch frage:<lb/> Warum machſt du es ſo, und nicht anders? Wir koͤnnen<lb/> ja dieſen Weg Gottes nicht ganz uͤberſehen, wir koͤnnen<lb/> ja nicht wiſſen, wie unumgaͤnglich nothwendig eben dieſe<lb/> Art der Verſoͤhnung nach den Abſichten Gottes war,<lb/> und was fuͤr große Wuͤrkungen ſie in dem Plan der goͤtt-<lb/> lichen Regierung haben ſoll, der aufs Ganze geht. Wir<lb/> finden auch ſelbſt in der ſichtbaren Welt, in der Schoͤ-<lb/> pfung und Vorſehung, vieles, das nach unſern Vorſtel-<lb/> lungen unſchicklig iſt, und wovon doch der Erfolg zeigt,<lb/> daß es wuͤrdig ſey, von Gott herzuruͤhren. Die Eigen-<lb/> ſchaften Gottes, die hier in Betrachtung kommen, ſind<lb/> die Liebe, die Weisheit, die Heiligkeit, die Gerechtig-<lb/> keit. Die Erloͤſung der Welt iſt eine moraliſche Ope-<lb/> ration: es kommt alſo hier auf Gottes moraliſche Eigen-<lb/> ſchaften an.</p><lb/> <p>Jn welch ein ehrwuͤrdiges Licht ſehen Sie die<lb/> Liebe Gottes durch die Lehre von der Verſoͤhnung geſetzt!<lb/> Wenn Gott die Menſchen den Folgen ihrer Vergehun-<lb/> gen huͤlflos uͤberlaſſen haͤtte, ſo haͤtte ihn niemand beſchul-<lb/> digen koͤnnen, er habe keine Liebe gegen ſeine Geſchoͤpfe.<lb/> Man haͤtte denken muͤſſen, es gienge nun nicht anders an,<lb/> die Menſchen haͤtten es ja ſelbſt nicht beſſer haben wollen.<lb/> Aber nun will Gott die Suͤnder, die ſich ſelbſt ungluͤck-<lb/> lich gemacht haben, indem ſie feindſeelig gegen ihn und<lb/> ſeine Abſichten handelten, gleichwohl gluͤcklich machen.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Er</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [110/0122]
den Eigenſchaften Gottes halten wollte, weil ihm etwa
die Methode Gottes bey dieſer Sache nicht gefiele, oder
weil er nach ſeiner eingeſchraͤnckten Einſicht glaubte,
Gott haͤtte ſeine Abſicht, uns mit ſich zu verſoͤhnen, auf
einem andern bequemern Wege erreichen koͤnnen. Wenn
ein Verſtaͤndigerer als ich mich gluͤcklich machen will,
und ich ſehe ein, daß der Vorſchlag, den er mir in die-
ſer Abſicht thut, ſeiner wuͤrdig und mir vortheilhaft iſt,
iſt es dann anſtaͤndig, daß ich ihn mistrauiſch frage:
Warum machſt du es ſo, und nicht anders? Wir koͤnnen
ja dieſen Weg Gottes nicht ganz uͤberſehen, wir koͤnnen
ja nicht wiſſen, wie unumgaͤnglich nothwendig eben dieſe
Art der Verſoͤhnung nach den Abſichten Gottes war,
und was fuͤr große Wuͤrkungen ſie in dem Plan der goͤtt-
lichen Regierung haben ſoll, der aufs Ganze geht. Wir
finden auch ſelbſt in der ſichtbaren Welt, in der Schoͤ-
pfung und Vorſehung, vieles, das nach unſern Vorſtel-
lungen unſchicklig iſt, und wovon doch der Erfolg zeigt,
daß es wuͤrdig ſey, von Gott herzuruͤhren. Die Eigen-
ſchaften Gottes, die hier in Betrachtung kommen, ſind
die Liebe, die Weisheit, die Heiligkeit, die Gerechtig-
keit. Die Erloͤſung der Welt iſt eine moraliſche Ope-
ration: es kommt alſo hier auf Gottes moraliſche Eigen-
ſchaften an.
Jn welch ein ehrwuͤrdiges Licht ſehen Sie die
Liebe Gottes durch die Lehre von der Verſoͤhnung geſetzt!
Wenn Gott die Menſchen den Folgen ihrer Vergehun-
gen huͤlflos uͤberlaſſen haͤtte, ſo haͤtte ihn niemand beſchul-
digen koͤnnen, er habe keine Liebe gegen ſeine Geſchoͤpfe.
Man haͤtte denken muͤſſen, es gienge nun nicht anders an,
die Menſchen haͤtten es ja ſelbſt nicht beſſer haben wollen.
Aber nun will Gott die Suͤnder, die ſich ſelbſt ungluͤck-
lich gemacht haben, indem ſie feindſeelig gegen ihn und
ſeine Abſichten handelten, gleichwohl gluͤcklich machen.
Er
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |