Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite


"Anstatt dich und mich mit unserm gemeinschaftlichen
"Kummer und Schmerzen zu unterhalten, finde mich
"vielmehr gedrungen, die gegenwärtige überwiegende
"Empfindung meines Herzens wegen deines jetzigen
"Zustandes dir bekannt zu machen. Seit Jahre und
"Tage ist der Jnhalt meines Gebets und Flehns zu
"dem dreyeinigen Gott dahin gerichtet gewesen, daß er
"deinen unsterblichen Geist von dem ewigen Verderben
"erretten möge, mit Aufopferung meiner sonst zärtli-
"chen Neigung, da ich als Mutter gewünscht, daß es
"ihren Kindern nach Seele und Leib wohl ergehen
"mögte. Wenn aber das Heil und die Wohlfahrt deines
"Geistes durch Gott auf keine andere Weise zu erreichen
"sey, als durch die härtesten und für den äußern Men-
"schen schmerzhafteste Mittel hiebey zu gebrauchen, daß
"ich diesem ewigen Erbarmer mit demüthigen und ge-
"lassenen Gemüth seinem heiligen und vollkommenen
"Gottes Willen mich unterwerfen wolle. Aber nim-
"mer habe deine gegenwärtige betrübte Umstände ver-
"muthen können. Mein mütterliches Herz ist darüber
"ganz zermalmet, und ich bin wie vermauert. Nur
"die einzige Zuflucht bey Gott bleibt mir offen. Mein
"einziger Trost bey so hartem Leiden wird die Errettung
"deiner Seele seyn, und ich werde Gott mit Freuden-
"thränen danken, wenn ich erfahre, daß der Liebhaber
"der sündigen Menschen auch Gedanken des Friedens
"noch über dich habe, und deinen Weg zum ewigen
"Untergang mit Dornen vermacht hat. Jch zweifle
"nicht, daß der Geist Gottes von dieser seeligen Absicht
"Gottes, albereits deinem Gemüth eine Ueberzeugung
"wird gegeben haben, wie Gott dich als sein Eigen-
"thum nicht ewig verlohren wissen wolle. Merke nur
"ferner auf die züchtigende Gnaden Arbeit des heiligen
"Geistes in deiner Seele. Dieser wird dir mehr sagen,
"und bekannt machen, als eine menschliche Zunge zu

"sagen


Anſtatt dich und mich mit unſerm gemeinſchaftlichen
“Kummer und Schmerzen zu unterhalten, finde mich
“vielmehr gedrungen, die gegenwaͤrtige uͤberwiegende
“Empfindung meines Herzens wegen deines jetzigen
“Zuſtandes dir bekannt zu machen. Seit Jahre und
“Tage iſt der Jnhalt meines Gebets und Flehns zu
“dem dreyeinigen Gott dahin gerichtet geweſen, daß er
“deinen unſterblichen Geiſt von dem ewigen Verderben
“erretten moͤge, mit Aufopferung meiner ſonſt zaͤrtli-
“chen Neigung, da ich als Mutter gewuͤnſcht, daß es
“ihren Kindern nach Seele und Leib wohl ergehen
“moͤgte. Wenn aber das Heil und die Wohlfahrt deines
“Geiſtes durch Gott auf keine andere Weiſe zu erreichen
“ſey, als durch die haͤrteſten und fuͤr den aͤußern Men-
“ſchen ſchmerzhafteſte Mittel hiebey zu gebrauchen, daß
“ich dieſem ewigen Erbarmer mit demuͤthigen und ge-
“laſſenen Gemuͤth ſeinem heiligen und vollkommenen
“Gottes Willen mich unterwerfen wolle. Aber nim-
“mer habe deine gegenwaͤrtige betruͤbte Umſtaͤnde ver-
“muthen koͤnnen. Mein muͤtterliches Herz iſt daruͤber
“ganz zermalmet, und ich bin wie vermauert. Nur
“die einzige Zuflucht bey Gott bleibt mir offen. Mein
“einziger Troſt bey ſo hartem Leiden wird die Errettung
“deiner Seele ſeyn, und ich werde Gott mit Freuden-
“thraͤnen danken, wenn ich erfahre, daß der Liebhaber
“der ſuͤndigen Menſchen auch Gedanken des Friedens
“noch uͤber dich habe, und deinen Weg zum ewigen
“Untergang mit Dornen vermacht hat. Jch zweifle
“nicht, daß der Geiſt Gottes von dieſer ſeeligen Abſicht
“Gottes, albereits deinem Gemuͤth eine Ueberzeugung
“wird gegeben haben, wie Gott dich als ſein Eigen-
“thum nicht ewig verlohren wiſſen wolle. Merke nur
“ferner auf die zuͤchtigende Gnaden Arbeit des heiligen
“Geiſtes in deiner Seele. Dieſer wird dir mehr ſagen,
“und bekannt machen, als eine menſchliche Zunge zu

“ſagen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0160" n="148"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>&#x201C;<hi rendition="#in">A</hi>n&#x017F;tatt dich und mich mit un&#x017F;erm gemein&#x017F;chaftlichen<lb/>
&#x201C;Kummer und Schmerzen zu unterhalten, finde mich<lb/>
&#x201C;vielmehr gedrungen, die gegenwa&#x0364;rtige u&#x0364;berwiegende<lb/>
&#x201C;Empfindung meines Herzens wegen deines jetzigen<lb/>
&#x201C;Zu&#x017F;tandes dir bekannt zu machen. Seit Jahre und<lb/>
&#x201C;Tage i&#x017F;t der Jnhalt meines Gebets und Flehns zu<lb/>
&#x201C;dem dreyeinigen Gott dahin gerichtet gewe&#x017F;en, daß er<lb/>
&#x201C;deinen un&#x017F;terblichen Gei&#x017F;t von dem ewigen Verderben<lb/>
&#x201C;erretten mo&#x0364;ge, mit Aufopferung meiner &#x017F;on&#x017F;t za&#x0364;rtli-<lb/>
&#x201C;chen Neigung, da ich als Mutter gewu&#x0364;n&#x017F;cht, daß es<lb/>
&#x201C;ihren Kindern nach Seele und Leib wohl ergehen<lb/>
&#x201C;mo&#x0364;gte. Wenn aber das Heil und die Wohlfahrt deines<lb/>
&#x201C;Gei&#x017F;tes durch Gott auf keine andere Wei&#x017F;e zu erreichen<lb/>
&#x201C;&#x017F;ey, als durch die ha&#x0364;rte&#x017F;ten und fu&#x0364;r den a&#x0364;ußern Men-<lb/>
&#x201C;&#x017F;chen &#x017F;chmerzhafte&#x017F;te Mittel hiebey zu gebrauchen, daß<lb/>
&#x201C;ich die&#x017F;em ewigen Erbarmer mit demu&#x0364;thigen und ge-<lb/>
&#x201C;la&#x017F;&#x017F;enen Gemu&#x0364;th &#x017F;einem heiligen und vollkommenen<lb/>
&#x201C;Gottes Willen mich unterwerfen wolle. Aber nim-<lb/>
&#x201C;mer habe deine gegenwa&#x0364;rtige betru&#x0364;bte Um&#x017F;ta&#x0364;nde ver-<lb/>
&#x201C;muthen ko&#x0364;nnen. Mein mu&#x0364;tterliches Herz i&#x017F;t daru&#x0364;ber<lb/>
&#x201C;ganz zermalmet, und ich bin wie vermauert. Nur<lb/>
&#x201C;die einzige Zuflucht bey Gott bleibt mir offen. Mein<lb/>
&#x201C;einziger Tro&#x017F;t bey &#x017F;o hartem Leiden wird die Errettung<lb/>
&#x201C;deiner Seele &#x017F;eyn, und ich werde Gott mit Freuden-<lb/>
&#x201C;thra&#x0364;nen danken, wenn ich erfahre, daß der Liebhaber<lb/>
&#x201C;der &#x017F;u&#x0364;ndigen Men&#x017F;chen auch Gedanken des Friedens<lb/>
&#x201C;noch u&#x0364;ber dich habe, und deinen Weg zum ewigen<lb/>
&#x201C;Untergang mit Dornen vermacht hat. Jch zweifle<lb/>
&#x201C;nicht, daß der Gei&#x017F;t Gottes von die&#x017F;er &#x017F;eeligen Ab&#x017F;icht<lb/>
&#x201C;Gottes, albereits deinem Gemu&#x0364;th eine Ueberzeugung<lb/>
&#x201C;wird gegeben haben, wie Gott dich als &#x017F;ein Eigen-<lb/>
&#x201C;thum nicht ewig verlohren wi&#x017F;&#x017F;en wolle. Merke nur<lb/>
&#x201C;ferner auf die zu&#x0364;chtigende Gnaden Arbeit des heiligen<lb/>
&#x201C;Gei&#x017F;tes in deiner Seele. Die&#x017F;er wird dir mehr &#x017F;agen,<lb/>
&#x201C;und bekannt machen, als eine men&#x017F;chliche Zunge zu<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201C;&#x017F;agen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0160] “Anſtatt dich und mich mit unſerm gemeinſchaftlichen “Kummer und Schmerzen zu unterhalten, finde mich “vielmehr gedrungen, die gegenwaͤrtige uͤberwiegende “Empfindung meines Herzens wegen deines jetzigen “Zuſtandes dir bekannt zu machen. Seit Jahre und “Tage iſt der Jnhalt meines Gebets und Flehns zu “dem dreyeinigen Gott dahin gerichtet geweſen, daß er “deinen unſterblichen Geiſt von dem ewigen Verderben “erretten moͤge, mit Aufopferung meiner ſonſt zaͤrtli- “chen Neigung, da ich als Mutter gewuͤnſcht, daß es “ihren Kindern nach Seele und Leib wohl ergehen “moͤgte. Wenn aber das Heil und die Wohlfahrt deines “Geiſtes durch Gott auf keine andere Weiſe zu erreichen “ſey, als durch die haͤrteſten und fuͤr den aͤußern Men- “ſchen ſchmerzhafteſte Mittel hiebey zu gebrauchen, daß “ich dieſem ewigen Erbarmer mit demuͤthigen und ge- “laſſenen Gemuͤth ſeinem heiligen und vollkommenen “Gottes Willen mich unterwerfen wolle. Aber nim- “mer habe deine gegenwaͤrtige betruͤbte Umſtaͤnde ver- “muthen koͤnnen. Mein muͤtterliches Herz iſt daruͤber “ganz zermalmet, und ich bin wie vermauert. Nur “die einzige Zuflucht bey Gott bleibt mir offen. Mein “einziger Troſt bey ſo hartem Leiden wird die Errettung “deiner Seele ſeyn, und ich werde Gott mit Freuden- “thraͤnen danken, wenn ich erfahre, daß der Liebhaber “der ſuͤndigen Menſchen auch Gedanken des Friedens “noch uͤber dich habe, und deinen Weg zum ewigen “Untergang mit Dornen vermacht hat. Jch zweifle “nicht, daß der Geiſt Gottes von dieſer ſeeligen Abſicht “Gottes, albereits deinem Gemuͤth eine Ueberzeugung “wird gegeben haben, wie Gott dich als ſein Eigen- “thum nicht ewig verlohren wiſſen wolle. Merke nur “ferner auf die zuͤchtigende Gnaden Arbeit des heiligen “Geiſtes in deiner Seele. Dieſer wird dir mehr ſagen, “und bekannt machen, als eine menſchliche Zunge zu “ſagen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/160
Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/160>, abgerufen am 21.11.2024.