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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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ohne Sünde war, und die Sünde gehört ja nicht zu
unserm Wesen. Dieß letztere war wegen der innigen
Vereinigung, in der in Christo die menschliche Natur
mit der göttlichen stand, nothwendig, und auch deswe-
gen, weil er sonst nicht für anderer, sondern nur für seine
eignen Sünden, hätte leiden können. -- So ungezwei-
felt nun diese Wahrheit ist: Christus ist wahrer Mensch,
so finden die Apostel es doch nöthig, sie mehrmals zu
wiederhohlen, und ins Licht zu setzen. Ebr. 2, 14. Ebr.
4, 15. Phil. 2, 6-7. Wie hätten sie das für nöthig hal-
ten können, wenn sie ihn nicht zugleich für den wahren
Gott erkannt hätten, wenn seine Gottheit nicht von den
Christen, an die sie schrieben, wäre geglaubt worden?
Sie mußten dadurch verhindern wollen, daß man nicht
etwa denken sollte, Christus sey allein Gott, und nicht
zugleich im eigentlichen Verstande Mensch. Es sind also
eben diese Stellen, die die Menschheit Christi bezeugen,
Beweise seiner Gottheit. -- Er fand diese Folgerung
gegründet, und gestand, daß der Erweis der Menschheit
Christi in den angeführten Stellen überflüssig sehn würde
wenn man nicht geglaubt hätte, daß Christus zugleich
wahrer Gott sey.

Was ist nun der Vernunft hier unbegreiflich?
Christus ist Mensch, ohne von einem menschlichen Vater
gezeugt zu seyn. Müssen wir aber nicht zugeben, daß
es in der Macht Gottes stehet, wenn seine Weisheit es
nöthig findet, den ordentlichen Weg der Natur zu ver-
lassen, und durch außerordentliche Mittel zu thun was
er will? Konnte er nicht das bey der Zeugung des Sohns
der Maria fehlende Zuthun eines Mannes durch seine
alles vermögende Kraft ersetzen? Luc. 1, 34. 35. --
Dieß, sagte der Graf, halte ich, so bald ich voraussetzte,
daß Gott es nöthig gefunden hat den ordentlichen Weg
der Natur zu verlassen, nur für eine kleine Schwürigkeit.

Ferner
L 2



ohne Suͤnde war, und die Suͤnde gehoͤrt ja nicht zu
unſerm Weſen. Dieß letztere war wegen der innigen
Vereinigung, in der in Chriſto die menſchliche Natur
mit der goͤttlichen ſtand, nothwendig, und auch deswe-
gen, weil er ſonſt nicht fuͤr anderer, ſondern nur fuͤr ſeine
eignen Suͤnden, haͤtte leiden koͤnnen. — So ungezwei-
felt nun dieſe Wahrheit iſt: Chriſtus iſt wahrer Menſch,
ſo finden die Apoſtel es doch noͤthig, ſie mehrmals zu
wiederhohlen, und ins Licht zu ſetzen. Ebr. 2, 14. Ebr.
4, 15. Phil. 2, 6-7. Wie haͤtten ſie das fuͤr noͤthig hal-
ten koͤnnen, wenn ſie ihn nicht zugleich fuͤr den wahren
Gott erkannt haͤtten, wenn ſeine Gottheit nicht von den
Chriſten, an die ſie ſchrieben, waͤre geglaubt worden?
Sie mußten dadurch verhindern wollen, daß man nicht
etwa denken ſollte, Chriſtus ſey allein Gott, und nicht
zugleich im eigentlichen Verſtande Menſch. Es ſind alſo
eben dieſe Stellen, die die Menſchheit Chriſti bezeugen,
Beweiſe ſeiner Gottheit. — Er fand dieſe Folgerung
gegruͤndet, und geſtand, daß der Erweis der Menſchheit
Chriſti in den angefuͤhrten Stellen uͤberfluͤſſig ſehn wuͤrde
wenn man nicht geglaubt haͤtte, daß Chriſtus zugleich
wahrer Gott ſey.

Was iſt nun der Vernunft hier unbegreiflich?
Chriſtus iſt Menſch, ohne von einem menſchlichen Vater
gezeugt zu ſeyn. Muͤſſen wir aber nicht zugeben, daß
es in der Macht Gottes ſtehet, wenn ſeine Weisheit es
noͤthig findet, den ordentlichen Weg der Natur zu ver-
laſſen, und durch außerordentliche Mittel zu thun was
er will? Konnte er nicht das bey der Zeugung des Sohns
der Maria fehlende Zuthun eines Mannes durch ſeine
alles vermoͤgende Kraft erſetzen? Luc. 1, 34. 35. —
Dieß, ſagte der Graf, halte ich, ſo bald ich vorausſetzte,
daß Gott es noͤthig gefunden hat den ordentlichen Weg
der Natur zu verlaſſen, nur fuͤr eine kleine Schwuͤrigkeit.

Ferner
L 2
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[163/0175] ohne Suͤnde war, und die Suͤnde gehoͤrt ja nicht zu unſerm Weſen. Dieß letztere war wegen der innigen Vereinigung, in der in Chriſto die menſchliche Natur mit der goͤttlichen ſtand, nothwendig, und auch deswe- gen, weil er ſonſt nicht fuͤr anderer, ſondern nur fuͤr ſeine eignen Suͤnden, haͤtte leiden koͤnnen. — So ungezwei- felt nun dieſe Wahrheit iſt: Chriſtus iſt wahrer Menſch, ſo finden die Apoſtel es doch noͤthig, ſie mehrmals zu wiederhohlen, und ins Licht zu ſetzen. Ebr. 2, 14. Ebr. 4, 15. Phil. 2, 6-7. Wie haͤtten ſie das fuͤr noͤthig hal- ten koͤnnen, wenn ſie ihn nicht zugleich fuͤr den wahren Gott erkannt haͤtten, wenn ſeine Gottheit nicht von den Chriſten, an die ſie ſchrieben, waͤre geglaubt worden? Sie mußten dadurch verhindern wollen, daß man nicht etwa denken ſollte, Chriſtus ſey allein Gott, und nicht zugleich im eigentlichen Verſtande Menſch. Es ſind alſo eben dieſe Stellen, die die Menſchheit Chriſti bezeugen, Beweiſe ſeiner Gottheit. — Er fand dieſe Folgerung gegruͤndet, und geſtand, daß der Erweis der Menſchheit Chriſti in den angefuͤhrten Stellen uͤberfluͤſſig ſehn wuͤrde wenn man nicht geglaubt haͤtte, daß Chriſtus zugleich wahrer Gott ſey. Was iſt nun der Vernunft hier unbegreiflich? Chriſtus iſt Menſch, ohne von einem menſchlichen Vater gezeugt zu ſeyn. Muͤſſen wir aber nicht zugeben, daß es in der Macht Gottes ſtehet, wenn ſeine Weisheit es noͤthig findet, den ordentlichen Weg der Natur zu ver- laſſen, und durch außerordentliche Mittel zu thun was er will? Konnte er nicht das bey der Zeugung des Sohns der Maria fehlende Zuthun eines Mannes durch ſeine alles vermoͤgende Kraft erſetzen? Luc. 1, 34. 35. — Dieß, ſagte der Graf, halte ich, ſo bald ich vorausſetzte, daß Gott es noͤthig gefunden hat den ordentlichen Weg der Natur zu verlaſſen, nur fuͤr eine kleine Schwuͤrigkeit. Ferner L 2

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/175>, abgerufen am 21.11.2024.