Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.handeln wollen. Es ist überhaupt unverschämt eines tu- gendhaften Mannes zu spotten. Der antike und unge- wöhnliche Ausdruck der heiligen Schrift kann es im Grunde auch nicht seyn, wodurch sie sich für berechtigt zu ihren Spöttereyen halten können. Sie lachen ja nicht über andre alte Schriften, die in eben einem solchen Tone geschrieben sind. Wenn sie z. Ex. des Confucius Bücher lesen sollten, so weiß ich gewiß, sie würden sich über die Schreibart desselben nicht aufhalten, sondern seine Moral loben. So erheben sie Aesops Fabeln: Christi Gleich- nisse und Erzählungen aber wollen ihnen nicht gefallen, ob sie gleich aus einer weit tiefern Kenntniß der Natur geschöpft, weit reichhaltiger an Moral, und mit einer edlern Simplicität vorgetragen sind, als alle ähnlichen Aufsätze alter und neuer Schriftsteller. Die seiner spot- ten müssen also sonst etwas wider ihn haben, und ich wüßte nicht, was das anders seyn könnte, als die Wider- setzlichkeit ihres Herzens gegen seine Vorschriften. Seit einigen Tagen hatte der Graf die Erlaub- Sie
handeln wollen. Es iſt uͤberhaupt unverſchaͤmt eines tu- gendhaften Mannes zu ſpotten. Der antike und unge- woͤhnliche Ausdruck der heiligen Schrift kann es im Grunde auch nicht ſeyn, wodurch ſie ſich fuͤr berechtigt zu ihren Spoͤttereyen halten koͤnnen. Sie lachen ja nicht uͤber andre alte Schriften, die in eben einem ſolchen Tone geſchrieben ſind. Wenn ſie z. Ex. des Confucius Buͤcher leſen ſollten, ſo weiß ich gewiß, ſie wuͤrden ſich uͤber die Schreibart deſſelben nicht aufhalten, ſondern ſeine Moral loben. So erheben ſie Aeſops Fabeln: Chriſti Gleich- niſſe und Erzaͤhlungen aber wollen ihnen nicht gefallen, ob ſie gleich aus einer weit tiefern Kenntniß der Natur geſchoͤpft, weit reichhaltiger an Moral, und mit einer edlern Simplicitaͤt vorgetragen ſind, als alle aͤhnlichen Aufſaͤtze alter und neuer Schriftſteller. Die ſeiner ſpot- ten muͤſſen alſo ſonſt etwas wider ihn haben, und ich wuͤßte nicht, was das anders ſeyn koͤnnte, als die Wider- ſetzlichkeit ihres Herzens gegen ſeine Vorſchriften. Seit einigen Tagen hatte der Graf die Erlaub- Sie
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handeln wollen. Es iſt uͤberhaupt unverſchaͤmt eines tu-
gendhaften Mannes zu ſpotten. Der antike und unge-
woͤhnliche Ausdruck der heiligen Schrift kann es im
Grunde auch nicht ſeyn, wodurch ſie ſich fuͤr berechtigt
zu ihren Spoͤttereyen halten koͤnnen. Sie lachen ja nicht
uͤber andre alte Schriften, die in eben einem ſolchen Tone
geſchrieben ſind. Wenn ſie z. Ex. des Confucius Buͤcher
leſen ſollten, ſo weiß ich gewiß, ſie wuͤrden ſich uͤber die
Schreibart deſſelben nicht aufhalten, ſondern ſeine Moral
loben. So erheben ſie Aeſops Fabeln: Chriſti Gleich-
niſſe und Erzaͤhlungen aber wollen ihnen nicht gefallen,
ob ſie gleich aus einer weit tiefern Kenntniß der Natur
geſchoͤpft, weit reichhaltiger an Moral, und mit einer
edlern Simplicitaͤt vorgetragen ſind, als alle aͤhnlichen
Aufſaͤtze alter und neuer Schriftſteller. Die ſeiner ſpot-
ten muͤſſen alſo ſonſt etwas wider ihn haben, und ich
wuͤßte nicht, was das anders ſeyn koͤnnte, als die Wider-
ſetzlichkeit ihres Herzens gegen ſeine Vorſchriften.
Seit einigen Tagen hatte der Graf die Erlaub-
niß zu ſchreiben, und er ſagte mir, daß er dieſe nun
brauchen wolle die Nachricht von ſeiner Bekehrung auf-
zuſetzen, die er mir zu hinterlaſſen verſprochen haͤtte.
Sie wird mir ein ſehr angenehmes Vermaͤchtniß ſeyn,
antwortete ich ihm. Schreiben Sie ſie mit Ueberlegung.
Jch hoffe ſie wird nicht ohne Nutzen bleiben. Sie ſoll
ein avthentikes Document Jhrer Geſinnungen gegen Re-
ligion und Froͤmmigkeit ſeyn: deswegen uͤberlaſſe ich es
Jhnen ganz allein Jhre Gedanken in Ordnung zu bringen
und aufzuzeichnen. Jch darf und will weiter kein Theil
daran nehmen, als daß ich Jhnen uͤberhaupt ſage, wie
ſie ihrem Zweck gemaͤß eingerichtet werden muß. Jhre
Abſicht dabey iſt, theils die Eindruͤcke, die Sie auf
andre wider Religion und Tugend gemacht haben koͤnnen,
auszuloͤſchen, theils andre Jrrende, die ſo denken als
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