Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.Recht in dem Jnnersten meiner Seele zu lesen: Sie haben sie erleuchtet. Sie sind Zeuge davon, wie sehr mein Herz durch Schmerz, Reue und Vorwürfe über mein voriges Leben zerrissen worden ist. -- Mein Gewissen macht mir die bittersten Vorwürfe über den Eindruck, den meine Beyspiele und Reden auf die Herzen anderer gegen die Religion können gemacht haben. Es würde ein Trost für mich seyn, wenn ich etwas dazu beytragen könnte den- selben auszulöschen. Meine Vernunft, meine Untersu- chungen, mein Nachdenken haben mich überzeugt, daß keine andre Quelle der Glückseeligkeit ist, als diejenige die die Religion uns kennen lehrt. Möchten doch diejenigen, die ich verführt habe, sich auch davon zu überzeugen su- chen! -- Sie werden sich an die Unzufriedenheit und Unruhe erinnern, die ihnen die Entfernung von der Tu- gend verursacht hat, und wie wenig die Zerstreuungen und Ergötzlichkeiten sie haben befriedigen können. Können wir hoffen ruhig zu seyn, wenn unser Gewissen uns Vor- würfe macht, und wenn wir es innerlich empfinden, daß wir sie verdient haben? Wir können uns betäuben, aber wir kommen immer wieder zu uns selbst, wäre es auch nur im Unglück. Was haben wir dann für Trost? Das Andenken an die vergangene Zeit? Es ist voll von Bit- terkeit, die Gegenstände die uns vorhin interessirten, rühren uns itzt nur durch den Verdruß, daß wir sie ver- lohren haben! Die Hoffnung einer glücklichern Zukunft? Unser Schicksal hängt nicht von uns selbst ab! Die Ver- nunft? Sie ist unterdrückt, die mächtige Stimme des Gewissens dringt wider ihren Willen durch! -- Und wenn es auch möglich wäre, daß wir uns über alle Schick- sale unsers Lebens beruhigen könnten, sind wir denn allein für dieses Leben gemacht? Alles beweist uns davon das Gegentheil. Die Ewigkeit stellt sich uns dar, und erfüllt uns mit Furcht, wenn unsre Gesinnungen unregelmäßig gewesen sind, wenn unsre Handlungen die von der Reli- gion
Recht in dem Jnnerſten meiner Seele zu leſen: Sie haben ſie erleuchtet. Sie ſind Zeuge davon, wie ſehr mein Herz durch Schmerz, Reue und Vorwuͤrfe uͤber mein voriges Leben zerriſſen worden iſt. — Mein Gewiſſen macht mir die bitterſten Vorwuͤrfe uͤber den Eindruck, den meine Beyſpiele und Reden auf die Herzen anderer gegen die Religion koͤnnen gemacht haben. Es wuͤrde ein Troſt fuͤr mich ſeyn, wenn ich etwas dazu beytragen koͤnnte den- ſelben auszuloͤſchen. Meine Vernunft, meine Unterſu- chungen, mein Nachdenken haben mich uͤberzeugt, daß keine andre Quelle der Gluͤckſeeligkeit iſt, als diejenige die die Religion uns kennen lehrt. Moͤchten doch diejenigen, die ich verfuͤhrt habe, ſich auch davon zu uͤberzeugen ſu- chen! — Sie werden ſich an die Unzufriedenheit und Unruhe erinnern, die ihnen die Entfernung von der Tu- gend verurſacht hat, und wie wenig die Zerſtreuungen und Ergoͤtzlichkeiten ſie haben befriedigen koͤnnen. Koͤnnen wir hoffen ruhig zu ſeyn, wenn unſer Gewiſſen uns Vor- wuͤrfe macht, und wenn wir es innerlich empfinden, daß wir ſie verdient haben? Wir koͤnnen uns betaͤuben, aber wir kommen immer wieder zu uns ſelbſt, waͤre es auch nur im Ungluͤck. Was haben wir dann fuͤr Troſt? Das Andenken an die vergangene Zeit? Es iſt voll von Bit- terkeit, die Gegenſtaͤnde die uns vorhin intereſſirten, ruͤhren uns itzt nur durch den Verdruß, daß wir ſie ver- lohren haben! Die Hoffnung einer gluͤcklichern Zukunft? Unſer Schickſal haͤngt nicht von uns ſelbſt ab! Die Ver- nunft? Sie iſt unterdruͤckt, die maͤchtige Stimme des Gewiſſens dringt wider ihren Willen durch! — Und wenn es auch moͤglich waͤre, daß wir uns uͤber alle Schick- ſale unſers Lebens beruhigen koͤnnten, ſind wir denn allein fuͤr dieſes Leben gemacht? Alles beweiſt uns davon das Gegentheil. Die Ewigkeit ſtellt ſich uns dar, und erfuͤllt uns mit Furcht, wenn unſre Geſinnungen unregelmaͤßig geweſen ſind, wenn unſre Handlungen die von der Reli- gion
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0222" n="210"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Recht in dem Jnnerſten meiner Seele zu leſen: Sie haben<lb/> ſie erleuchtet. Sie ſind Zeuge davon, wie ſehr mein Herz<lb/> durch Schmerz, Reue und Vorwuͤrfe uͤber mein voriges<lb/> Leben zerriſſen worden iſt. — Mein Gewiſſen macht mir<lb/> die bitterſten Vorwuͤrfe uͤber den Eindruck, den meine<lb/> Beyſpiele und Reden auf die Herzen anderer gegen die<lb/> Religion koͤnnen gemacht haben. Es wuͤrde ein Troſt<lb/> fuͤr mich ſeyn, wenn ich etwas dazu beytragen koͤnnte den-<lb/> ſelben auszuloͤſchen. Meine Vernunft, meine Unterſu-<lb/> chungen, mein Nachdenken haben mich uͤberzeugt, daß<lb/> keine andre Quelle der Gluͤckſeeligkeit iſt, als diejenige die<lb/> die Religion uns kennen lehrt. Moͤchten doch diejenigen,<lb/> die ich verfuͤhrt habe, ſich auch davon zu uͤberzeugen ſu-<lb/> chen! — Sie werden ſich an die Unzufriedenheit und<lb/> Unruhe erinnern, die ihnen die Entfernung von der Tu-<lb/> gend verurſacht hat, und wie wenig die Zerſtreuungen<lb/> und Ergoͤtzlichkeiten ſie haben befriedigen koͤnnen. Koͤnnen<lb/> wir hoffen ruhig zu ſeyn, wenn unſer Gewiſſen uns Vor-<lb/> wuͤrfe macht, und wenn wir es innerlich empfinden, daß<lb/> wir ſie verdient haben? Wir koͤnnen uns betaͤuben, aber<lb/> wir kommen immer wieder zu uns ſelbſt, waͤre es auch<lb/> nur im Ungluͤck. Was haben wir dann fuͤr Troſt? Das<lb/> Andenken an die vergangene Zeit? Es iſt voll von Bit-<lb/> terkeit, die Gegenſtaͤnde die uns vorhin intereſſirten,<lb/> ruͤhren uns itzt nur durch den Verdruß, daß wir ſie ver-<lb/> lohren haben! Die Hoffnung einer gluͤcklichern Zukunft?<lb/> Unſer Schickſal haͤngt nicht von uns ſelbſt ab! Die Ver-<lb/> nunft? Sie iſt unterdruͤckt, die maͤchtige Stimme des<lb/> Gewiſſens dringt wider ihren Willen durch! — Und<lb/> wenn es auch moͤglich waͤre, daß wir uns uͤber alle Schick-<lb/> ſale unſers Lebens beruhigen koͤnnten, ſind wir denn allein<lb/> fuͤr dieſes Leben gemacht? Alles beweiſt uns davon das<lb/> Gegentheil. Die Ewigkeit ſtellt ſich uns dar, und erfuͤllt<lb/> uns mit Furcht, wenn unſre Geſinnungen unregelmaͤßig<lb/> geweſen ſind, wenn unſre Handlungen die von der Reli-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">gion</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [210/0222]
Recht in dem Jnnerſten meiner Seele zu leſen: Sie haben
ſie erleuchtet. Sie ſind Zeuge davon, wie ſehr mein Herz
durch Schmerz, Reue und Vorwuͤrfe uͤber mein voriges
Leben zerriſſen worden iſt. — Mein Gewiſſen macht mir
die bitterſten Vorwuͤrfe uͤber den Eindruck, den meine
Beyſpiele und Reden auf die Herzen anderer gegen die
Religion koͤnnen gemacht haben. Es wuͤrde ein Troſt
fuͤr mich ſeyn, wenn ich etwas dazu beytragen koͤnnte den-
ſelben auszuloͤſchen. Meine Vernunft, meine Unterſu-
chungen, mein Nachdenken haben mich uͤberzeugt, daß
keine andre Quelle der Gluͤckſeeligkeit iſt, als diejenige die
die Religion uns kennen lehrt. Moͤchten doch diejenigen,
die ich verfuͤhrt habe, ſich auch davon zu uͤberzeugen ſu-
chen! — Sie werden ſich an die Unzufriedenheit und
Unruhe erinnern, die ihnen die Entfernung von der Tu-
gend verurſacht hat, und wie wenig die Zerſtreuungen
und Ergoͤtzlichkeiten ſie haben befriedigen koͤnnen. Koͤnnen
wir hoffen ruhig zu ſeyn, wenn unſer Gewiſſen uns Vor-
wuͤrfe macht, und wenn wir es innerlich empfinden, daß
wir ſie verdient haben? Wir koͤnnen uns betaͤuben, aber
wir kommen immer wieder zu uns ſelbſt, waͤre es auch
nur im Ungluͤck. Was haben wir dann fuͤr Troſt? Das
Andenken an die vergangene Zeit? Es iſt voll von Bit-
terkeit, die Gegenſtaͤnde die uns vorhin intereſſirten,
ruͤhren uns itzt nur durch den Verdruß, daß wir ſie ver-
lohren haben! Die Hoffnung einer gluͤcklichern Zukunft?
Unſer Schickſal haͤngt nicht von uns ſelbſt ab! Die Ver-
nunft? Sie iſt unterdruͤckt, die maͤchtige Stimme des
Gewiſſens dringt wider ihren Willen durch! — Und
wenn es auch moͤglich waͤre, daß wir uns uͤber alle Schick-
ſale unſers Lebens beruhigen koͤnnten, ſind wir denn allein
fuͤr dieſes Leben gemacht? Alles beweiſt uns davon das
Gegentheil. Die Ewigkeit ſtellt ſich uns dar, und erfuͤllt
uns mit Furcht, wenn unſre Geſinnungen unregelmaͤßig
geweſen ſind, wenn unſre Handlungen die von der Reli-
gion
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |