Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.Bruders. Er bat mich demselben diese Worte so zu erklä- ren: Er habe seinen Freund Brandt aus guter Absicht hie- her zurückgebracht, und ihn abgehalten sich herauszuzie- hen, da er Gelegenheit dazu gehabt hätte. -- Nun eröffnete sich die Thür des Gefängnisses, nach Als er bald nach mir abgerufen worden war, war Sobald beyde Verurtheilte, jeder in seinem beson- haben. S 2
Bruders. Er bat mich demſelben dieſe Worte ſo zu erklaͤ- ren: Er habe ſeinen Freund Brandt aus guter Abſicht hie- her zuruͤckgebracht, und ihn abgehalten ſich herauszuzie- hen, da er Gelegenheit dazu gehabt haͤtte. — Nun eroͤffnete ſich die Thuͤr des Gefaͤngniſſes, nach Als er bald nach mir abgerufen worden war, war Sobald beyde Verurtheilte, jeder in ſeinem beſon- haben. S 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0287" n="275"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Bruders. Er bat mich demſelben dieſe Worte ſo zu erklaͤ-<lb/> ren: Er habe ſeinen Freund Brandt aus guter Abſicht hie-<lb/> her zuruͤckgebracht, und ihn abgehalten ſich herauszuzie-<lb/> hen, da er Gelegenheit dazu gehabt haͤtte. —</p><lb/> <p>Nun eroͤffnete ſich die Thuͤr des Gefaͤngniſſes, nach<lb/> welcher ich oft, er aber nie, einen furchtſam erwartenden<lb/> Blick gerichtet hatte. Ein Officier trat hinein und bat mich<lb/> nun voraus zu fahren. Jch ward ſehr weich. Der Verur-<lb/> theilte, als wenn ihn die Sache gar nicht angienge, redete<lb/> mir zu. Beruhigen Sie ſich, ſagte er, mein wehrteſter<lb/> Freund, durch die Betrachtung meiner Vortheile, und<lb/> durch Jhr Bewußtſeyn, daß Gott Sie gebraucht hat, mir<lb/> dieſelben zu verſchaffen. Jch umarmte ihn, empfohl ihn<lb/> der Liebe Gottes und eilte nach dem Richtplatz. —</p><lb/> <p>Als er bald nach mir abgerufen worden war, war<lb/> er ſogleich von ſeinem Lager aufgeſtanden, und denen ge-<lb/> folgt, die ihn begleiten ſollten. Beym Herausgehen aus<lb/> dem Gefangenhauſe nach dem Wagen hatte er die Umſte-<lb/> henden gegruͤßt. Auf dem Wege nach dem Richtplatz hatte<lb/> er ſich theils mit dem bey ihm ſitzenden Officier geſprochen,<lb/> theils nachdenkend vor ſich geſeſſen.</p><lb/> <p>Sobald beyde Verurtheilte, jeder in ſeinem beſon-<lb/> dern Wagen, nahe am Blutgeruͤſte angelangt waren, und<lb/> Brandt daſſelbe zuerſt beſtieg, ſetzte ich mich zu Struenſee<lb/> ein, und ließ die Kutſche umwenden, damit wir nicht die<lb/> A<choice><sic>n</sic><corr>u</corr></choice>ſſicht aufs Schafot haben moͤchten. “Jch habe ihn ſchon<lb/> geſehen, ſagte er.„ Jch konnte mich nicht ſogleich in<lb/> Faſſung ſetzen. Er merkte meine Unruhe, ſah mich mit ei-<lb/> ner laͤchelnden Miene an, und ſagte: Attendriren Sie mich<lb/> ja nicht. Jch ſehe, Sie leiden. Erinnern Sie ſich daran,<lb/> daß Sie das Werkzeug Gottes geweſen ſind, mich gluͤcklich<lb/> zu machen. Jch kann mir vorſtellen, wie ſuͤß es Jhnen ſeyn<lb/> muß ſich das bewußt zu ſeyn. Jch werde mit Jhnen Gott in<lb/> der Ewigkeit dafuͤr danken, daß Sie meine Seele gerettet<lb/> <fw place="bottom" type="sig">S 2</fw><fw place="bottom" type="catch">haben.</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [275/0287]
Bruders. Er bat mich demſelben dieſe Worte ſo zu erklaͤ-
ren: Er habe ſeinen Freund Brandt aus guter Abſicht hie-
her zuruͤckgebracht, und ihn abgehalten ſich herauszuzie-
hen, da er Gelegenheit dazu gehabt haͤtte. —
Nun eroͤffnete ſich die Thuͤr des Gefaͤngniſſes, nach
welcher ich oft, er aber nie, einen furchtſam erwartenden
Blick gerichtet hatte. Ein Officier trat hinein und bat mich
nun voraus zu fahren. Jch ward ſehr weich. Der Verur-
theilte, als wenn ihn die Sache gar nicht angienge, redete
mir zu. Beruhigen Sie ſich, ſagte er, mein wehrteſter
Freund, durch die Betrachtung meiner Vortheile, und
durch Jhr Bewußtſeyn, daß Gott Sie gebraucht hat, mir
dieſelben zu verſchaffen. Jch umarmte ihn, empfohl ihn
der Liebe Gottes und eilte nach dem Richtplatz. —
Als er bald nach mir abgerufen worden war, war
er ſogleich von ſeinem Lager aufgeſtanden, und denen ge-
folgt, die ihn begleiten ſollten. Beym Herausgehen aus
dem Gefangenhauſe nach dem Wagen hatte er die Umſte-
henden gegruͤßt. Auf dem Wege nach dem Richtplatz hatte
er ſich theils mit dem bey ihm ſitzenden Officier geſprochen,
theils nachdenkend vor ſich geſeſſen.
Sobald beyde Verurtheilte, jeder in ſeinem beſon-
dern Wagen, nahe am Blutgeruͤſte angelangt waren, und
Brandt daſſelbe zuerſt beſtieg, ſetzte ich mich zu Struenſee
ein, und ließ die Kutſche umwenden, damit wir nicht die
Auſſicht aufs Schafot haben moͤchten. “Jch habe ihn ſchon
geſehen, ſagte er.„ Jch konnte mich nicht ſogleich in
Faſſung ſetzen. Er merkte meine Unruhe, ſah mich mit ei-
ner laͤchelnden Miene an, und ſagte: Attendriren Sie mich
ja nicht. Jch ſehe, Sie leiden. Erinnern Sie ſich daran,
daß Sie das Werkzeug Gottes geweſen ſind, mich gluͤcklich
zu machen. Jch kann mir vorſtellen, wie ſuͤß es Jhnen ſeyn
muß ſich das bewußt zu ſeyn. Jch werde mit Jhnen Gott in
der Ewigkeit dafuͤr danken, daß Sie meine Seele gerettet
haben.
S 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |