Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite



aber liegt in der Maschine. Der Eindruck der aüßern
Gegenstände, sagte ich hierauf, wird in die Maschine
gemacht, aber derjenige, der sich dieses Eindrucks be-
wußt ist, der das Bild denkt, der viele Bilder mit ein-
ander vergleicht und aus dieser Vergleichung allgemeine
Begriffe bildet, der bringt in dem allen Würkungen
hervor, zu der die Maschine selbst unfähig ist. Noch
mehr. Erklären Sie mich doch aus dem Bau der Ma-
schine des Menschen die Würkungen des Gedächtnisses,
den Wunsch und die Hoffnung der Fortdauer nach der
Zerstörung der Maschine, die der Mensch doch nicht
eher verläugnen kann, bis er seine geheimen Ursachen
dazu hat, auch die Freuden und die Schmerzen des Ge-
wissens, und s. w. Der Graf hörte mich kaltsinnig an,
und schwieg stille.

Jhre Hypothese, schloß ich hieraus, ist also auch
nicht geschickt zu der Absicht zu der Sie sie angenommen
haben. Es wäre denn, daß Sie, um sie doch noch
zu behaupten, zu allerley Hülfshypothesen Jhre Zuflucht
nehmen wollten. Aber Sie wissen, was man von einem
Gebäude halten kann, das so vieler Stützen bedarf.
Sie werden mir nun sagen, die Maschine werde durch
die Empfindungen zu den Würkungen bestimmt, die wir
willkührlich oder frey nennen. Ja, sagte er, und über-
schüttete mich mit einer Menge von Kunstworten. Da
ist die Sensibilität, die Jrritabilität u. s. w. Er ver-
steckte sich hier hinter dem Worte determiniren. Als ich
ihm aber zeigte, determiniren sey so viel, als das Ge-
gentheil der determinirten Handlung unmöglich machen,
und er doch dem Menschen Willkühr und Freyheit nicht
absprechen wollte, so gab er nach. Nun setzte ich hinzu:
Die Empfindungen können gelegentliche Ursachen zu
freyen Handlungen seyn, sie können dem Menschen dazu
einen Antrieb geben, aber sie determiniren ihn nicht, sie

machen
B



aber liegt in der Maſchine. Der Eindruck der auͤßern
Gegenſtaͤnde, ſagte ich hierauf, wird in die Maſchine
gemacht, aber derjenige, der ſich dieſes Eindrucks be-
wußt iſt, der das Bild denkt, der viele Bilder mit ein-
ander vergleicht und aus dieſer Vergleichung allgemeine
Begriffe bildet, der bringt in dem allen Wuͤrkungen
hervor, zu der die Maſchine ſelbſt unfaͤhig iſt. Noch
mehr. Erklaͤren Sie mich doch aus dem Bau der Ma-
ſchine des Menſchen die Wuͤrkungen des Gedaͤchtniſſes,
den Wunſch und die Hoffnung der Fortdauer nach der
Zerſtoͤrung der Maſchine, die der Menſch doch nicht
eher verlaͤugnen kann, bis er ſeine geheimen Urſachen
dazu hat, auch die Freuden und die Schmerzen des Ge-
wiſſens, und ſ. w. Der Graf hoͤrte mich kaltſinnig an,
und ſchwieg ſtille.

Jhre Hypotheſe, ſchloß ich hieraus, iſt alſo auch
nicht geſchickt zu der Abſicht zu der Sie ſie angenommen
haben. Es waͤre denn, daß Sie, um ſie doch noch
zu behaupten, zu allerley Huͤlfshypotheſen Jhre Zuflucht
nehmen wollten. Aber Sie wiſſen, was man von einem
Gebaͤude halten kann, das ſo vieler Stuͤtzen bedarf.
Sie werden mir nun ſagen, die Maſchine werde durch
die Empfindungen zu den Wuͤrkungen beſtimmt, die wir
willkuͤhrlich oder frey nennen. Ja, ſagte er, und uͤber-
ſchuͤttete mich mit einer Menge von Kunſtworten. Da
iſt die Senſibilitaͤt, die Jrritabilitaͤt u. ſ. w. Er ver-
ſteckte ſich hier hinter dem Worte determiniren. Als ich
ihm aber zeigte, determiniren ſey ſo viel, als das Ge-
gentheil der determinirten Handlung unmoͤglich machen,
und er doch dem Menſchen Willkuͤhr und Freyheit nicht
abſprechen wollte, ſo gab er nach. Nun ſetzte ich hinzu:
Die Empfindungen koͤnnen gelegentliche Urſachen zu
freyen Handlungen ſeyn, ſie koͤnnen dem Menſchen dazu
einen Antrieb geben, aber ſie determiniren ihn nicht, ſie

machen
B
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0029" n="17"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
aber liegt in der Ma&#x017F;chine. Der Eindruck der au&#x0364;ßern<lb/>
Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde, &#x017F;agte ich hierauf, wird in die Ma&#x017F;chine<lb/>
gemacht, aber derjenige, der &#x017F;ich die&#x017F;es Eindrucks be-<lb/>
wußt i&#x017F;t, der das Bild denkt, der viele Bilder mit ein-<lb/>
ander vergleicht und aus die&#x017F;er Vergleichung allgemeine<lb/>
Begriffe bildet, der bringt in dem allen Wu&#x0364;rkungen<lb/>
hervor, zu der die Ma&#x017F;chine &#x017F;elb&#x017F;t unfa&#x0364;hig i&#x017F;t. Noch<lb/>
mehr. Erkla&#x0364;ren Sie mich doch aus dem Bau der Ma-<lb/>
&#x017F;chine des Men&#x017F;chen die Wu&#x0364;rkungen des Geda&#x0364;chtni&#x017F;&#x017F;es,<lb/>
den Wun&#x017F;ch und die Hoffnung der Fortdauer nach der<lb/>
Zer&#x017F;to&#x0364;rung der Ma&#x017F;chine, die der Men&#x017F;ch doch nicht<lb/>
eher verla&#x0364;ugnen kann, bis er &#x017F;eine geheimen Ur&#x017F;achen<lb/>
dazu hat, auch die Freuden und die Schmerzen des Ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;ens, und &#x017F;. w. Der Graf ho&#x0364;rte mich kalt&#x017F;innig an,<lb/>
und &#x017F;chwieg &#x017F;tille.</p><lb/>
        <p>Jhre Hypothe&#x017F;e, &#x017F;chloß ich hieraus, i&#x017F;t al&#x017F;o auch<lb/>
nicht ge&#x017F;chickt zu der Ab&#x017F;icht zu der Sie &#x017F;ie angenommen<lb/>
haben. Es wa&#x0364;re denn, daß Sie, um &#x017F;ie doch noch<lb/>
zu behaupten, zu allerley Hu&#x0364;lfshypothe&#x017F;en Jhre Zuflucht<lb/>
nehmen wollten. Aber Sie wi&#x017F;&#x017F;en, was man von einem<lb/>
Geba&#x0364;ude halten kann, das &#x017F;o vieler Stu&#x0364;tzen bedarf.<lb/>
Sie werden mir nun &#x017F;agen, die Ma&#x017F;chine werde durch<lb/>
die Empfindungen zu den Wu&#x0364;rkungen be&#x017F;timmt, die wir<lb/>
willku&#x0364;hrlich oder frey nennen. Ja, &#x017F;agte er, und u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;ttete mich mit einer Menge von Kun&#x017F;tworten. Da<lb/>
i&#x017F;t die Sen&#x017F;ibilita&#x0364;t, die Jrritabilita&#x0364;t u. &#x017F;. w. Er ver-<lb/>
&#x017F;teckte &#x017F;ich hier hinter dem Worte determiniren. Als ich<lb/>
ihm aber zeigte, determiniren &#x017F;ey &#x017F;o viel, als das Ge-<lb/>
gentheil der determinirten Handlung unmo&#x0364;glich machen,<lb/>
und er doch dem Men&#x017F;chen Willku&#x0364;hr und Freyheit nicht<lb/>
ab&#x017F;prechen wollte, &#x017F;o gab er nach. Nun &#x017F;etzte ich hinzu:<lb/>
Die Empfindungen ko&#x0364;nnen gelegentliche Ur&#x017F;achen zu<lb/>
freyen Handlungen &#x017F;eyn, &#x017F;ie ko&#x0364;nnen dem Men&#x017F;chen dazu<lb/>
einen Antrieb geben, aber &#x017F;ie determiniren ihn nicht, &#x017F;ie<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B</fw><fw place="bottom" type="catch">machen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0029] aber liegt in der Maſchine. Der Eindruck der auͤßern Gegenſtaͤnde, ſagte ich hierauf, wird in die Maſchine gemacht, aber derjenige, der ſich dieſes Eindrucks be- wußt iſt, der das Bild denkt, der viele Bilder mit ein- ander vergleicht und aus dieſer Vergleichung allgemeine Begriffe bildet, der bringt in dem allen Wuͤrkungen hervor, zu der die Maſchine ſelbſt unfaͤhig iſt. Noch mehr. Erklaͤren Sie mich doch aus dem Bau der Ma- ſchine des Menſchen die Wuͤrkungen des Gedaͤchtniſſes, den Wunſch und die Hoffnung der Fortdauer nach der Zerſtoͤrung der Maſchine, die der Menſch doch nicht eher verlaͤugnen kann, bis er ſeine geheimen Urſachen dazu hat, auch die Freuden und die Schmerzen des Ge- wiſſens, und ſ. w. Der Graf hoͤrte mich kaltſinnig an, und ſchwieg ſtille. Jhre Hypotheſe, ſchloß ich hieraus, iſt alſo auch nicht geſchickt zu der Abſicht zu der Sie ſie angenommen haben. Es waͤre denn, daß Sie, um ſie doch noch zu behaupten, zu allerley Huͤlfshypotheſen Jhre Zuflucht nehmen wollten. Aber Sie wiſſen, was man von einem Gebaͤude halten kann, das ſo vieler Stuͤtzen bedarf. Sie werden mir nun ſagen, die Maſchine werde durch die Empfindungen zu den Wuͤrkungen beſtimmt, die wir willkuͤhrlich oder frey nennen. Ja, ſagte er, und uͤber- ſchuͤttete mich mit einer Menge von Kunſtworten. Da iſt die Senſibilitaͤt, die Jrritabilitaͤt u. ſ. w. Er ver- ſteckte ſich hier hinter dem Worte determiniren. Als ich ihm aber zeigte, determiniren ſey ſo viel, als das Ge- gentheil der determinirten Handlung unmoͤglich machen, und er doch dem Menſchen Willkuͤhr und Freyheit nicht abſprechen wollte, ſo gab er nach. Nun ſetzte ich hinzu: Die Empfindungen koͤnnen gelegentliche Urſachen zu freyen Handlungen ſeyn, ſie koͤnnen dem Menſchen dazu einen Antrieb geben, aber ſie determiniren ihn nicht, ſie machen B

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/29
Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/29>, abgerufen am 21.11.2024.