Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite



Mittel zur Begnadigung bey Gott, und das ist nicht die
philosophische, sondern die christliche Buße. Jch kann
es Jhnen itzt noch nicht beweisen, daß ich so denken
muß: Aber denken Sie nur über die Güte Gottes nach,
auf die Sie sich verlassen, so werden Sie finden, daß
es eben diese Güte ist, die es ihm nothwendig macht, ge-
recht zu seyn, und seinen Abscheu an dem moralischen
Uebel zu beweisen. Und eine solche Güte, als die gött-
liche, die nicht in Schwachheit ausarten kann, ist gewiß
demjenigen, der sie beleidigt hat, sehr furchtbar. Jch
bitte Sie sehr, setzen Sie kein blindes ungegründetes
Zutrauen auf sie! "Jch mochte dieß mit merklicher
Empfindung gesagt haben. Sie müssen viel Menschen-
liebe haben, so unterbrach er mich, daß sie nicht un-
geduldig über mich werden. "Jch werde es gewiß nicht
werden. Aber unruhig und bekümmert bin ich um
Sie." Sie müssen sich, antwortete er, nicht so leb-
haft für mich interessiren. Was wollten sie thun, wenn
ich so unglücklich wäre, nicht überzeugt zu werden?
"Jch würde mich unaussprechlich betrüben, und gerne
Gutes für Sie hoffen wollen, aber nicht dürfen! Thun
Sie doch nur Jhr möglichstes. Gott wird gewiß Jhre
Bemühungen segnen. Sie werden noch aus sichern
Gründen sich für begnadigt von Gott halten lernen, und
mit Ruhe und Hoffnung sterben können." Hier rief
er mit einem tiefen Seufzer aus: Gott gebe es!

Sie wünschen freylich wohl, setzte er hinzu, und
ich glaube, Sie wünschen es aus guten Gründen, daß
ich ein Christ werden möge. "Das wünsche ich frey-
lich sehr: aber Sie wissen, Wohlthaten können nicht auf-
gedrungen werden. Es ist natürlich, daß Sie die größe-
ste unter allen, die Jhnen wiederfahren kann, selbst su-
chen. Lernen Sie es nur erst recht empfinden, wie ge-
fährlich Jhr Zustand sey, so wird Sie Jhre Bedürfniß

schon
C



Mittel zur Begnadigung bey Gott, und das iſt nicht die
philoſophiſche, ſondern die chriſtliche Buße. Jch kann
es Jhnen itzt noch nicht beweiſen, daß ich ſo denken
muß: Aber denken Sie nur uͤber die Guͤte Gottes nach,
auf die Sie ſich verlaſſen, ſo werden Sie finden, daß
es eben dieſe Guͤte iſt, die es ihm nothwendig macht, ge-
recht zu ſeyn, und ſeinen Abſcheu an dem moraliſchen
Uebel zu beweiſen. Und eine ſolche Guͤte, als die goͤtt-
liche, die nicht in Schwachheit ausarten kann, iſt gewiß
demjenigen, der ſie beleidigt hat, ſehr furchtbar. Jch
bitte Sie ſehr, ſetzen Sie kein blindes ungegruͤndetes
Zutrauen auf ſie! „Jch mochte dieß mit merklicher
Empfindung geſagt haben. Sie muͤſſen viel Menſchen-
liebe haben, ſo unterbrach er mich, daß ſie nicht un-
geduldig uͤber mich werden. “Jch werde es gewiß nicht
werden. Aber unruhig und bekuͤmmert bin ich um
Sie.„ Sie muͤſſen ſich, antwortete er, nicht ſo leb-
haft fuͤr mich intereſſiren. Was wollten ſie thun, wenn
ich ſo ungluͤcklich waͤre, nicht uͤberzeugt zu werden?
“Jch wuͤrde mich unausſprechlich betruͤben, und gerne
Gutes fuͤr Sie hoffen wollen, aber nicht duͤrfen! Thun
Sie doch nur Jhr moͤglichſtes. Gott wird gewiß Jhre
Bemuͤhungen ſegnen. Sie werden noch aus ſichern
Gruͤnden ſich fuͤr begnadigt von Gott halten lernen, und
mit Ruhe und Hoffnung ſterben koͤnnen.„ Hier rief
er mit einem tiefen Seufzer aus: Gott gebe es!

Sie wuͤnſchen freylich wohl, ſetzte er hinzu, und
ich glaube, Sie wuͤnſchen es aus guten Gruͤnden, daß
ich ein Chriſt werden moͤge. “Das wuͤnſche ich frey-
lich ſehr: aber Sie wiſſen, Wohlthaten koͤnnen nicht auf-
gedrungen werden. Es iſt natuͤrlich, daß Sie die groͤße-
ſte unter allen, die Jhnen wiederfahren kann, ſelbſt ſu-
chen. Lernen Sie es nur erſt recht empfinden, wie ge-
faͤhrlich Jhr Zuſtand ſey, ſo wird Sie Jhre Beduͤrfniß

ſchon
C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0045" n="33"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Mittel zur Begnadigung bey Gott, und das i&#x017F;t nicht die<lb/>
philo&#x017F;ophi&#x017F;che, &#x017F;ondern die chri&#x017F;tliche Buße. Jch kann<lb/>
es Jhnen itzt noch nicht bewei&#x017F;en, daß ich &#x017F;o denken<lb/>
muß: Aber denken Sie nur u&#x0364;ber die Gu&#x0364;te Gottes nach,<lb/>
auf die Sie &#x017F;ich verla&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o werden Sie finden, daß<lb/>
es eben die&#x017F;e Gu&#x0364;te i&#x017F;t, die es ihm nothwendig macht, ge-<lb/>
recht zu &#x017F;eyn, und &#x017F;einen Ab&#x017F;cheu an dem morali&#x017F;chen<lb/>
Uebel zu bewei&#x017F;en. Und eine &#x017F;olche Gu&#x0364;te, als die go&#x0364;tt-<lb/>
liche, die nicht in Schwachheit ausarten kann, i&#x017F;t gewiß<lb/>
demjenigen, der &#x017F;ie beleidigt hat, &#x017F;ehr furchtbar. Jch<lb/>
bitte Sie &#x017F;ehr, &#x017F;etzen Sie kein blindes ungegru&#x0364;ndetes<lb/>
Zutrauen auf &#x017F;ie! &#x201E;Jch mochte dieß mit merklicher<lb/>
Empfindung ge&#x017F;agt haben. Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en viel Men&#x017F;chen-<lb/>
liebe haben, &#x017F;o unterbrach er mich, daß &#x017F;ie nicht un-<lb/>
geduldig u&#x0364;ber mich werden. &#x201C;Jch werde es gewiß nicht<lb/>
werden. Aber unruhig und beku&#x0364;mmert bin ich um<lb/>
Sie.&#x201E; Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich, antwortete er, nicht &#x017F;o leb-<lb/>
haft fu&#x0364;r mich intere&#x017F;&#x017F;iren. Was wollten &#x017F;ie thun, wenn<lb/>
ich &#x017F;o unglu&#x0364;cklich wa&#x0364;re, nicht u&#x0364;berzeugt zu werden?<lb/>
&#x201C;Jch wu&#x0364;rde mich unaus&#x017F;prechlich betru&#x0364;ben, und gerne<lb/>
Gutes fu&#x0364;r Sie hoffen wollen, aber nicht du&#x0364;rfen! Thun<lb/>
Sie doch nur Jhr mo&#x0364;glich&#x017F;tes. Gott wird gewiß Jhre<lb/>
Bemu&#x0364;hungen &#x017F;egnen. Sie werden noch aus &#x017F;ichern<lb/>
Gru&#x0364;nden &#x017F;ich fu&#x0364;r begnadigt von Gott halten lernen, und<lb/>
mit Ruhe und Hoffnung &#x017F;terben ko&#x0364;nnen.&#x201E; Hier rief<lb/>
er mit einem tiefen Seufzer aus: Gott gebe es!</p><lb/>
        <p>Sie wu&#x0364;n&#x017F;chen freylich wohl, &#x017F;etzte er hinzu, und<lb/>
ich glaube, Sie wu&#x0364;n&#x017F;chen es aus guten Gru&#x0364;nden, daß<lb/>
ich ein Chri&#x017F;t werden mo&#x0364;ge. &#x201C;Das wu&#x0364;n&#x017F;che ich frey-<lb/>
lich &#x017F;ehr: aber Sie wi&#x017F;&#x017F;en, Wohlthaten ko&#x0364;nnen nicht auf-<lb/>
gedrungen werden. Es i&#x017F;t natu&#x0364;rlich, daß Sie die gro&#x0364;ße-<lb/>
&#x017F;te unter allen, die Jhnen wiederfahren kann, &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;u-<lb/>
chen. Lernen Sie es nur er&#x017F;t recht empfinden, wie ge-<lb/>
fa&#x0364;hrlich Jhr Zu&#x017F;tand &#x017F;ey, &#x017F;o wird Sie Jhre Bedu&#x0364;rfniß<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chon</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0045] Mittel zur Begnadigung bey Gott, und das iſt nicht die philoſophiſche, ſondern die chriſtliche Buße. Jch kann es Jhnen itzt noch nicht beweiſen, daß ich ſo denken muß: Aber denken Sie nur uͤber die Guͤte Gottes nach, auf die Sie ſich verlaſſen, ſo werden Sie finden, daß es eben dieſe Guͤte iſt, die es ihm nothwendig macht, ge- recht zu ſeyn, und ſeinen Abſcheu an dem moraliſchen Uebel zu beweiſen. Und eine ſolche Guͤte, als die goͤtt- liche, die nicht in Schwachheit ausarten kann, iſt gewiß demjenigen, der ſie beleidigt hat, ſehr furchtbar. Jch bitte Sie ſehr, ſetzen Sie kein blindes ungegruͤndetes Zutrauen auf ſie! „Jch mochte dieß mit merklicher Empfindung geſagt haben. Sie muͤſſen viel Menſchen- liebe haben, ſo unterbrach er mich, daß ſie nicht un- geduldig uͤber mich werden. “Jch werde es gewiß nicht werden. Aber unruhig und bekuͤmmert bin ich um Sie.„ Sie muͤſſen ſich, antwortete er, nicht ſo leb- haft fuͤr mich intereſſiren. Was wollten ſie thun, wenn ich ſo ungluͤcklich waͤre, nicht uͤberzeugt zu werden? “Jch wuͤrde mich unausſprechlich betruͤben, und gerne Gutes fuͤr Sie hoffen wollen, aber nicht duͤrfen! Thun Sie doch nur Jhr moͤglichſtes. Gott wird gewiß Jhre Bemuͤhungen ſegnen. Sie werden noch aus ſichern Gruͤnden ſich fuͤr begnadigt von Gott halten lernen, und mit Ruhe und Hoffnung ſterben koͤnnen.„ Hier rief er mit einem tiefen Seufzer aus: Gott gebe es! Sie wuͤnſchen freylich wohl, ſetzte er hinzu, und ich glaube, Sie wuͤnſchen es aus guten Gruͤnden, daß ich ein Chriſt werden moͤge. “Das wuͤnſche ich frey- lich ſehr: aber Sie wiſſen, Wohlthaten koͤnnen nicht auf- gedrungen werden. Es iſt natuͤrlich, daß Sie die groͤße- ſte unter allen, die Jhnen wiederfahren kann, ſelbſt ſu- chen. Lernen Sie es nur erſt recht empfinden, wie ge- faͤhrlich Jhr Zuſtand ſey, ſo wird Sie Jhre Beduͤrfniß ſchon C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/45
Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/45>, abgerufen am 21.11.2024.