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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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"So oft ich mit dir, da du schon im Amte stundest, zu
"reden Gelegenheit gehabt, habe ich dich auf den allge-
"genwärtigen Gott gewiesen, und zur sorgfältigen Be-
"wahrung eines guten Gewissens ermahnet. Dein
"Herz wird es dir sagen, ob und in wie ferne du
"meinen väterlichen Vermahnungen nachgekommen bist.
"Schon seit geraumer Zeit haben deine Eltern vielen
"Kummer deinetwegen empfunden. Da wir in der
"Stille leben und wenige Bekannten haben, du uns
"auch von deinen Umständen nichts gemeldet hast, so
"sind unsere Seufzer für dich im verborgenen mit be-
"beklemmten Herzen zu Gott hinauf gestiegen, und wir
"haben bekümmert zu ihm gerufen, daß doch deine
"Seele nicht verlohren gehen möchte. Dreymahl nem-
"lich in Halle, Gedern und Altona, bist du in den
"Augen derer, die um dein Krankenbett gestanden,
"bereits todt gewesen. Gott hat dich errettet und beym
"Leben erhalten, gewiß nach seiner Liebes Absicht nur
"zu dem Ende, dich in der Gnadenzeit zur seligen Ewig-
"keit zuzubereiten. Und diesen Zweck will der treue Er-
"barmer an dir auch vornehmlich in deinem Gefängniß
"erreichen. Du bist sein Geschöpf, er liebet dich,
"du bist mit Jesu Blut erlöset: er ist ein versöhnter
"Vater. Du bist auf den Nahmen des dreyeinigen
"Gottes getauft: er will einen ewigen Bund mit dir
"machen, und nicht ablassen dir gutes zu thun. Kehre
"zu deinem Gott, mein Sohn, er will sein Gnaden Ant-
"litz zu dir wenden. Jn dieser Absicht merke auf die
"Stimme deines Gewissens, und auf die Ueberzeugun-
"gen, die Gottes Geist in deiner Seele wirket. Laß
"dir deinen innern Seelen Zustand recht gründlich auf-
"decken: damit du dein tiefes Verderben in Gottes
"Licht recht einsehen lernest. Wende deine Einsamkeit
"dazu an, daß du deinen ganzen Lebenslauf vor dem
"allwissenden Gott untersuchest, und deine Sünden in

"ihrer
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“So oft ich mit dir, da du ſchon im Amte ſtundeſt, zu
“reden Gelegenheit gehabt, habe ich dich auf den allge-
“genwaͤrtigen Gott gewieſen, und zur ſorgfaͤltigen Be-
“wahrung eines guten Gewiſſens ermahnet. Dein
“Herz wird es dir ſagen, ob und in wie ferne du
“meinen vaͤterlichen Vermahnungen nachgekommen biſt.
“Schon ſeit geraumer Zeit haben deine Eltern vielen
“Kummer deinetwegen empfunden. Da wir in der
“Stille leben und wenige Bekannten haben, du uns
“auch von deinen Umſtaͤnden nichts gemeldet haſt, ſo
“ſind unſere Seufzer fuͤr dich im verborgenen mit be-
“beklemmten Herzen zu Gott hinauf geſtiegen, und wir
“haben bekuͤmmert zu ihm gerufen, daß doch deine
“Seele nicht verlohren gehen moͤchte. Dreymahl nem-
“lich in Halle, Gedern und Altona, biſt du in den
“Augen derer, die um dein Krankenbett geſtanden,
“bereits todt geweſen. Gott hat dich errettet und beym
“Leben erhalten, gewiß nach ſeiner Liebes Abſicht nur
“zu dem Ende, dich in der Gnadenzeit zur ſeligen Ewig-
“keit zuzubereiten. Und dieſen Zweck will der treue Er-
“barmer an dir auch vornehmlich in deinem Gefaͤngniß
“erreichen. Du biſt ſein Geſchoͤpf, er liebet dich,
“du biſt mit Jeſu Blut erloͤſet: er iſt ein verſoͤhnter
“Vater. Du biſt auf den Nahmen des dreyeinigen
“Gottes getauft: er will einen ewigen Bund mit dir
“machen, und nicht ablaſſen dir gutes zu thun. Kehre
“zu deinem Gott, mein Sohn, er will ſein Gnaden Ant-
“litz zu dir wenden. Jn dieſer Abſicht merke auf die
“Stimme deines Gewiſſens, und auf die Ueberzeugun-
“gen, die Gottes Geiſt in deiner Seele wirket. Laß
“dir deinen innern Seelen Zuſtand recht gruͤndlich auf-
“decken: damit du dein tiefes Verderben in Gottes
“Licht recht einſehen lerneſt. Wende deine Einſamkeit
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[83/0095] “So oft ich mit dir, da du ſchon im Amte ſtundeſt, zu “reden Gelegenheit gehabt, habe ich dich auf den allge- “genwaͤrtigen Gott gewieſen, und zur ſorgfaͤltigen Be- “wahrung eines guten Gewiſſens ermahnet. Dein “Herz wird es dir ſagen, ob und in wie ferne du “meinen vaͤterlichen Vermahnungen nachgekommen biſt. “Schon ſeit geraumer Zeit haben deine Eltern vielen “Kummer deinetwegen empfunden. Da wir in der “Stille leben und wenige Bekannten haben, du uns “auch von deinen Umſtaͤnden nichts gemeldet haſt, ſo “ſind unſere Seufzer fuͤr dich im verborgenen mit be- “beklemmten Herzen zu Gott hinauf geſtiegen, und wir “haben bekuͤmmert zu ihm gerufen, daß doch deine “Seele nicht verlohren gehen moͤchte. Dreymahl nem- “lich in Halle, Gedern und Altona, biſt du in den “Augen derer, die um dein Krankenbett geſtanden, “bereits todt geweſen. Gott hat dich errettet und beym “Leben erhalten, gewiß nach ſeiner Liebes Abſicht nur “zu dem Ende, dich in der Gnadenzeit zur ſeligen Ewig- “keit zuzubereiten. Und dieſen Zweck will der treue Er- “barmer an dir auch vornehmlich in deinem Gefaͤngniß “erreichen. Du biſt ſein Geſchoͤpf, er liebet dich, “du biſt mit Jeſu Blut erloͤſet: er iſt ein verſoͤhnter “Vater. Du biſt auf den Nahmen des dreyeinigen “Gottes getauft: er will einen ewigen Bund mit dir “machen, und nicht ablaſſen dir gutes zu thun. Kehre “zu deinem Gott, mein Sohn, er will ſein Gnaden Ant- “litz zu dir wenden. Jn dieſer Abſicht merke auf die “Stimme deines Gewiſſens, und auf die Ueberzeugun- “gen, die Gottes Geiſt in deiner Seele wirket. Laß “dir deinen innern Seelen Zuſtand recht gruͤndlich auf- “decken: damit du dein tiefes Verderben in Gottes “Licht recht einſehen lerneſt. Wende deine Einſamkeit “dazu an, daß du deinen ganzen Lebenslauf vor dem “allwiſſenden Gott unterſucheſt, und deine Suͤnden in “ihrer F 2

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/95>, abgerufen am 23.11.2024.