Anwartschaft haben. Die meisten hervorragenden Stel- lungen befinden sich immer noch in den Händen von Satsuma- und Choshuleuten. Das bildet aber einen Hauptanstoß für das Parlament, das mit der Regierung auf Kriegsfuß steht. Von der radikalen Fortschritts- partei "Kaischin-to", an deren Spitze Graf Okuma steht, ist es nicht zu viel gesagt, daß sie Opposition um der Opposition willen macht. Dagegen sind die beiden andern großen Parteien, die gemäßigt liberale "Jiu-to" unter Graf Itagakis Führung und die kon- servative "Kokumin-Kyokwai" unter Viscount Shina- gawa, je nach der Zusammensetzung des Ministeriums für dieses zu haben 1). Die Clanherrschaft ist nicht der einzige strittige Punkt zwischen Regierung und Abge- ordnetenhaus. Der Hauptkampf geht um die Par- lamentsherrschaft, welche das Abgeordnetenhaus an- strebt. Die Minister sollen nicht mehr, wie bisher, dem Kaiser allein verantwortlich sein, sondern dem Parlament. Wenn es auf den Reichstag ankäme, so würde auch das jetzige beschränkte Wahlrecht, bei welchem nur wenig über ein Prozent der Gesamtbe- völkerung zur Stimmabgabe berechtigt ist, in ein allge- meines Wahlrecht umgeändert werden. Die Aufgabe der Regierung gegenüber dem Parlament kann nach deutschen Begriffen nur die sein, zu zügeln.
Das Parlament besteht aus dreihundert Mitgliedern, welche jährlich je 800 Yen d. h. etwa 1800 Mark Diäten erhalten. Als es im Jahre 1890 zum ersten Male ein- berufen wurde, sagten ihm viele Ausländer eine kurze Lebensdauer voraus. Es war in einem der ersten Monate seines Bestehens, als mich mein Kollege S.,
1) Gegenwärtig ist Graf Okuma Ministerpräsident, was wohl das Ende der Clanherrschaft bedeutet.
Anwartſchaft haben. Die meiſten hervorragenden Stel- lungen befinden ſich immer noch in den Händen von Satſuma- und Choſhuleuten. Das bildet aber einen Hauptanſtoß für das Parlament, das mit der Regierung auf Kriegsfuß ſteht. Von der radikalen Fortſchritts- partei „Kaiſchin-to“, an deren Spitze Graf Ōkuma ſteht, iſt es nicht zu viel geſagt, daß ſie Oppoſition um der Oppoſition willen macht. Dagegen ſind die beiden andern großen Parteien, die gemäßigt liberale „Jiū-to“ unter Graf Itagakis Führung und die kon- ſervative „Kokumin-Kyokwai“ unter Viscount Shina- gawa, je nach der Zuſammenſetzung des Miniſteriums für dieſes zu haben 1). Die Clanherrſchaft iſt nicht der einzige ſtrittige Punkt zwiſchen Regierung und Abge- ordnetenhaus. Der Hauptkampf geht um die Par- lamentsherrſchaft, welche das Abgeordnetenhaus an- ſtrebt. Die Miniſter ſollen nicht mehr, wie bisher, dem Kaiſer allein verantwortlich ſein, ſondern dem Parlament. Wenn es auf den Reichstag ankäme, ſo würde auch das jetzige beſchränkte Wahlrecht, bei welchem nur wenig über ein Prozent der Geſamtbe- völkerung zur Stimmabgabe berechtigt iſt, in ein allge- meines Wahlrecht umgeändert werden. Die Aufgabe der Regierung gegenüber dem Parlament kann nach deutſchen Begriffen nur die ſein, zu zügeln.
Das Parlament beſteht aus dreihundert Mitgliedern, welche jährlich je 800 Yen d. h. etwa 1800 Mark Diäten erhalten. Als es im Jahre 1890 zum erſten Male ein- berufen wurde, ſagten ihm viele Ausländer eine kurze Lebensdauer voraus. Es war in einem der erſten Monate ſeines Beſtehens, als mich mein Kollege S.,
1) Gegenwärtig iſt Graf Okuma Miniſterpräſident, was wohl das Ende der Clanherrſchaft bedeutet.
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Anwartſchaft haben. Die meiſten hervorragenden Stel-
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Satſuma- und Choſhuleuten. Das bildet aber einen
Hauptanſtoß für das Parlament, das mit der Regierung
auf Kriegsfuß ſteht. Von der radikalen Fortſchritts-
partei „Kaiſchin-to“, an deren Spitze Graf Ōkuma
ſteht, iſt es nicht zu viel geſagt, daß ſie Oppoſition
um der Oppoſition willen macht. Dagegen ſind die
beiden andern großen Parteien, die gemäßigt liberale
„Jiū-to“ unter Graf Itagakis Führung und die kon-
ſervative „Kokumin-Kyokwai“ unter Viscount Shina-
gawa, je nach der Zuſammenſetzung des Miniſteriums
für dieſes zu haben 1). Die Clanherrſchaft iſt nicht der
einzige ſtrittige Punkt zwiſchen Regierung und Abge-
ordnetenhaus. Der Hauptkampf geht um die Par-
lamentsherrſchaft, welche das Abgeordnetenhaus an-
ſtrebt. Die Miniſter ſollen nicht mehr, wie bisher,
dem Kaiſer allein verantwortlich ſein, ſondern dem
Parlament. Wenn es auf den Reichstag ankäme,
ſo würde auch das jetzige beſchränkte Wahlrecht, bei
welchem nur wenig über ein Prozent der Geſamtbe-
völkerung zur Stimmabgabe berechtigt iſt, in ein allge-
meines Wahlrecht umgeändert werden. Die Aufgabe
der Regierung gegenüber dem Parlament kann nach
deutſchen Begriffen nur die ſein, zu zügeln.
Das Parlament beſteht aus dreihundert Mitgliedern,
welche jährlich je 800 Yen d. h. etwa 1800 Mark Diäten
erhalten. Als es im Jahre 1890 zum erſten Male ein-
berufen wurde, ſagten ihm viele Ausländer eine kurze
Lebensdauer voraus. Es war in einem der erſten
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1) Gegenwärtig iſt Graf Okuma Miniſterpräſident, was wohl
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/190>, abgerufen am 24.11.2024.
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