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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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bloß in dem feinen Sinne zu verstehen, in welchem
Bild und Unterschrift ein gutes Recht haben, sondern
in einem gröberen und recht handgreiflichen Sinne.
Aber freilich, niemand wird sich durch diesen Ausbruch
einer schier unglaublichen Großmannssucht im Ernst
bange machen lassen; und doch ist er nicht bedeutungs-
los; eines zeigt er mit Bestimmtheit: Sie haben Pläne
und zwar große Pläne. Skrupulös werden sie in der
Verfolgung ihrer Pläne nicht sein. Bei dem chinesischen
Kriege stellte es sich heraus, daß ihnen in Korea und
Nordchina jeder Weg und Steg bekannt war. Wer
Gelegenheit hatte, die Generalstabskarten des Kriegs-
schauplatzes zu sehen, war im höchsten Grade erstaunt.
Jahre zuvor hatten ihre Späher, darunter Offiziere, in
chinesischer Kleidung China durchstreift, und zwar mit
solcher Gewandtheit, daß erst nach Ausbruch des Krie-
ges einer oder zwei ertappt wurden. Im Falle eines
Krieges mit Rußland werden die Steppen Ostsibiriens
den Japanern mindestens ebenso gut bekannt sein als
den Russen. Von Manila und den Philippinen haben
sie sicher die genauesten Karten. Aus idealen Gründen,
etwa um geographische Studien zu machen, thun sie
das nicht, sondern vielmehr aus weittragenden politischen
Gesichtspunkten. Mit der kulturellen Führung Ostasiens
werden sie schwerlich zufrieden sein.

Daß Japan jemals die Beute einer fremden Macht
werden könnte, ist undenkbar. Im Vergleich zu den
Kämpfen, welche durch die Landung fremder Truppen
in Japan hervorgerufen würden, würden die Aufstände
Polens, die Guerillakriege in Spanien und die Unab-
hängigkeitskämpfe auf Cuba reines Kinderspiel sein.
Eher würde der letzte Japaner sein Blut verspritzen,
ehe der geheiligte Boden von Yamato einer fremden

bloß in dem feinen Sinne zu verſtehen, in welchem
Bild und Unterſchrift ein gutes Recht haben, ſondern
in einem gröberen und recht handgreiflichen Sinne.
Aber freilich, niemand wird ſich durch dieſen Ausbruch
einer ſchier unglaublichen Großmannsſucht im Ernſt
bange machen laſſen; und doch iſt er nicht bedeutungs-
los; eines zeigt er mit Beſtimmtheit: Sie haben Pläne
und zwar große Pläne. Skrupulös werden ſie in der
Verfolgung ihrer Pläne nicht ſein. Bei dem chineſiſchen
Kriege ſtellte es ſich heraus, daß ihnen in Korea und
Nordchina jeder Weg und Steg bekannt war. Wer
Gelegenheit hatte, die Generalſtabskarten des Kriegs-
ſchauplatzes zu ſehen, war im höchſten Grade erſtaunt.
Jahre zuvor hatten ihre Späher, darunter Offiziere, in
chineſiſcher Kleidung China durchſtreift, und zwar mit
ſolcher Gewandtheit, daß erſt nach Ausbruch des Krie-
ges einer oder zwei ertappt wurden. Im Falle eines
Krieges mit Rußland werden die Steppen Oſtſibiriens
den Japanern mindeſtens ebenſo gut bekannt ſein als
den Ruſſen. Von Manila und den Philippinen haben
ſie ſicher die genaueſten Karten. Aus idealen Gründen,
etwa um geographiſche Studien zu machen, thun ſie
das nicht, ſondern vielmehr aus weittragenden politiſchen
Geſichtspunkten. Mit der kulturellen Führung Oſtaſiens
werden ſie ſchwerlich zufrieden ſein.

Daß Japan jemals die Beute einer fremden Macht
werden könnte, iſt undenkbar. Im Vergleich zu den
Kämpfen, welche durch die Landung fremder Truppen
in Japan hervorgerufen würden, würden die Aufſtände
Polens, die Guerillakriege in Spanien und die Unab-
hängigkeitskämpfe auf Cuba reines Kinderſpiel ſein.
Eher würde der letzte Japaner ſein Blut verſpritzen,
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[181/0195] bloß in dem feinen Sinne zu verſtehen, in welchem Bild und Unterſchrift ein gutes Recht haben, ſondern in einem gröberen und recht handgreiflichen Sinne. Aber freilich, niemand wird ſich durch dieſen Ausbruch einer ſchier unglaublichen Großmannsſucht im Ernſt bange machen laſſen; und doch iſt er nicht bedeutungs- los; eines zeigt er mit Beſtimmtheit: Sie haben Pläne und zwar große Pläne. Skrupulös werden ſie in der Verfolgung ihrer Pläne nicht ſein. Bei dem chineſiſchen Kriege ſtellte es ſich heraus, daß ihnen in Korea und Nordchina jeder Weg und Steg bekannt war. Wer Gelegenheit hatte, die Generalſtabskarten des Kriegs- ſchauplatzes zu ſehen, war im höchſten Grade erſtaunt. Jahre zuvor hatten ihre Späher, darunter Offiziere, in chineſiſcher Kleidung China durchſtreift, und zwar mit ſolcher Gewandtheit, daß erſt nach Ausbruch des Krie- ges einer oder zwei ertappt wurden. Im Falle eines Krieges mit Rußland werden die Steppen Oſtſibiriens den Japanern mindeſtens ebenſo gut bekannt ſein als den Ruſſen. Von Manila und den Philippinen haben ſie ſicher die genaueſten Karten. Aus idealen Gründen, etwa um geographiſche Studien zu machen, thun ſie das nicht, ſondern vielmehr aus weittragenden politiſchen Geſichtspunkten. Mit der kulturellen Führung Oſtaſiens werden ſie ſchwerlich zufrieden ſein. Daß Japan jemals die Beute einer fremden Macht werden könnte, iſt undenkbar. Im Vergleich zu den Kämpfen, welche durch die Landung fremder Truppen in Japan hervorgerufen würden, würden die Aufſtände Polens, die Guerillakriege in Spanien und die Unab- hängigkeitskämpfe auf Cuba reines Kinderſpiel ſein. Eher würde der letzte Japaner ſein Blut verſpritzen, ehe der geheiligte Boden von Yamato einer fremden

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/195>, abgerufen am 24.11.2024.