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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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schon wieder den Anstoß zu drei weiteren Waisenhäusern
gegeben hat.

Das ist eine wackere Arbeit, und man darf wohl
sagen, daß die einheimischen Mitarbeiter von nun an
den Missionaren als gleich starke Macht zur Seite stehen.
Dieses so sehr, daß fast überall da, wo in den folgen-
den Kapiteln von "Missionar" die Rede ist, auch der
japanische Pastor in diesem Begriff miteingeschlossen ist.
Ist sie auch der Kürze und Einfachheit halber nicht
besonders benannt, so soll das Verdienst der japanischen
Geistlichkeit darum nicht geschmälert erscheinen.

Die Art und Weise, in welcher diese Missionskräfte
der Bekehrungsarbeit oblagen, war, den veränderten
Zeitverhältnissen entsprechend, eine ganz andere als
früher. Nicht mehr zu zweien oder dreien, nein zu dutzen-
den waren sie in Bibelklassen versammelt. Die Gottes-
häuser waren gefüllt, und anstatt zur Taufe zu treiben,
mußte man eher zügeln. Das Christentum war eine
öffentliche Macht geworden. Massenmeetings (enzetsu-
kai
) teils auf öffentlichen Plätzen teils in Theatern
und großen Sälen, bei denen oft Tausende von Men-
schen zusammenkamen, um stundenlang den Reden von
Missionaren und eingeborenen Predigern zu lauschen,
fanden allerorts statt und machten großen Eindruck.
Die christlichen Arbeiter selbst waren von einer Thaten-
lust sondergleichen beseelt. Von der Osakakonferenz
(1883) war ein Geist der Erweckung ausgegangen,
welcher in Gebetsversammlungen und Revivals fort-
während systematisch genährt, mitunter auch in forcierter
Weise gesteigert wurde; eine tiefe Erregung, die unter
der Einwirkung der Missionare in den Erweckungsver-
sammlungen in charakteristisch japanischer, du lkanartiger
Weise zum Ausbruch kam (s. S. 120) und nur teilweise

ſchon wieder den Anſtoß zu drei weiteren Waiſenhäuſern
gegeben hat.

Das iſt eine wackere Arbeit, und man darf wohl
ſagen, daß die einheimiſchen Mitarbeiter von nun an
den Miſſionaren als gleich ſtarke Macht zur Seite ſtehen.
Dieſes ſo ſehr, daß faſt überall da, wo in den folgen-
den Kapiteln von „Miſſionar“ die Rede iſt, auch der
japaniſche Paſtor in dieſem Begriff miteingeſchloſſen iſt.
Iſt ſie auch der Kürze und Einfachheit halber nicht
beſonders benannt, ſo ſoll das Verdienſt der japaniſchen
Geiſtlichkeit darum nicht geſchmälert erſcheinen.

Die Art und Weiſe, in welcher dieſe Miſſionskräfte
der Bekehrungsarbeit oblagen, war, den veränderten
Zeitverhältniſſen entſprechend, eine ganz andere als
früher. Nicht mehr zu zweien oder dreien, nein zu dutzen-
den waren ſie in Bibelklaſſen verſammelt. Die Gottes-
häuſer waren gefüllt, und anſtatt zur Taufe zu treiben,
mußte man eher zügeln. Das Chriſtentum war eine
öffentliche Macht geworden. Maſſenmeetings (enzetsu-
kai
) teils auf öffentlichen Plätzen teils in Theatern
und großen Sälen, bei denen oft Tauſende von Men-
ſchen zuſammenkamen, um ſtundenlang den Reden von
Miſſionaren und eingeborenen Predigern zu lauſchen,
fanden allerorts ſtatt und machten großen Eindruck.
Die chriſtlichen Arbeiter ſelbſt waren von einer Thaten-
luſt ſondergleichen beſeelt. Von der Oſakakonferenz
(1883) war ein Geiſt der Erweckung ausgegangen,
welcher in Gebetsverſammlungen und Revivals fort-
während ſyſtematiſch genährt, mitunter auch in forcierter
Weiſe geſteigert wurde; eine tiefe Erregung, die unter
der Einwirkung der Miſſionare in den Erweckungsver-
ſammlungen in charakteriſtiſch japaniſcher, du lkanartiger
Weiſe zum Ausbruch kam (ſ. S. 120) und nur teilweiſe

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[282/0296] ſchon wieder den Anſtoß zu drei weiteren Waiſenhäuſern gegeben hat. Das iſt eine wackere Arbeit, und man darf wohl ſagen, daß die einheimiſchen Mitarbeiter von nun an den Miſſionaren als gleich ſtarke Macht zur Seite ſtehen. Dieſes ſo ſehr, daß faſt überall da, wo in den folgen- den Kapiteln von „Miſſionar“ die Rede iſt, auch der japaniſche Paſtor in dieſem Begriff miteingeſchloſſen iſt. Iſt ſie auch der Kürze und Einfachheit halber nicht beſonders benannt, ſo ſoll das Verdienſt der japaniſchen Geiſtlichkeit darum nicht geſchmälert erſcheinen. Die Art und Weiſe, in welcher dieſe Miſſionskräfte der Bekehrungsarbeit oblagen, war, den veränderten Zeitverhältniſſen entſprechend, eine ganz andere als früher. Nicht mehr zu zweien oder dreien, nein zu dutzen- den waren ſie in Bibelklaſſen verſammelt. Die Gottes- häuſer waren gefüllt, und anſtatt zur Taufe zu treiben, mußte man eher zügeln. Das Chriſtentum war eine öffentliche Macht geworden. Maſſenmeetings (enzetsu- kai) teils auf öffentlichen Plätzen teils in Theatern und großen Sälen, bei denen oft Tauſende von Men- ſchen zuſammenkamen, um ſtundenlang den Reden von Miſſionaren und eingeborenen Predigern zu lauſchen, fanden allerorts ſtatt und machten großen Eindruck. Die chriſtlichen Arbeiter ſelbſt waren von einer Thaten- luſt ſondergleichen beſeelt. Von der Oſakakonferenz (1883) war ein Geiſt der Erweckung ausgegangen, welcher in Gebetsverſammlungen und Revivals fort- während ſyſtematiſch genährt, mitunter auch in forcierter Weiſe geſteigert wurde; eine tiefe Erregung, die unter der Einwirkung der Miſſionare in den Erweckungsver- ſammlungen in charakteriſtiſch japaniſcher, du lkanartiger Weiſe zum Ausbruch kam (ſ. S. 120) und nur teilweiſe

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/296>, abgerufen am 23.11.2024.