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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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Freiheit von den Fremden erreicht. Dem Daikwai
(Generalsynode) der Kumiaikirchen im Jahre 1894
wohnten die Missionare nur noch mit beratender
Stimme bei.

Zweifellos betrachtete Yokoi die Erklärung an die
Regierung nur als eine formelle, der zum Trotz der christ-
liche Geist der Anstalt gewahrt werden könne; trotzdem
verdient sie die schärfste Verurteilung. Diese Verur-
teilung ist ihr denn auch von seiten des japanischen
Christentums und nicht zum wenigsten der Kumiaikirchen
in so reichem Maße und in so entschiedener Weise ge-
worden, daß man wieder neue Sympathien für das-
selbe gewinnt. Die chauvinistische Überspannung der
Doshishakreise hat das Gute gehabt, schon seit 1896 die
andern japanischen Christen und Pastoren zur Besinnung
zu bringen. Auch die Missionare der anderen Gesell-
schaften haben ihre Lehren gezogen. Die Kirche Christi
(presbyt.) hat gegenüber den Selbständigkeitsgelüsten
ohne volle Übernahme der Selbständigkeitspflichten seit
1896 die Zügel straffer gespannt. Das Verhältnis
zwischen den Missionaren und der eingeborenen Geist-
lichkeit hat heute Aussicht auf dauernde Besserung, und
da die Doshisha auf die Dauer nicht religionslos blei-
ben wird, so steht zu hoffen, daß die seitherige Span-
nung für die Zukunft ohne allzu böse Folgen sein werde.

Für die Vergangenheit sind diese Folgen freilich
nicht wegzuleugnen. Unter sich gespalten, waren die
Christen dem plötzlichen und ungestümen Anprall des
altjapanischen Geistes, welcher seit 1889/90 erfolgte
und bis heute noch nicht zum Abschluß gelangt ist,
nicht gewachsen. An Anzeichen einer beginnenden Epoche
der Reaktion hatte es schon zuvor nicht gefehlt. Unter
den gewaltigen Erfolgen war immer eine widrige Unter-
strömung vorhanden. Dieselbe kam obenauf, als man

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Freiheit von den Fremden erreicht. Dem Daikwai
(Generalſynode) der Kumiaikirchen im Jahre 1894
wohnten die Miſſionare nur noch mit beratender
Stimme bei.

Zweifellos betrachtete Yokoi die Erklärung an die
Regierung nur als eine formelle, der zum Trotz der chriſt-
liche Geiſt der Anſtalt gewahrt werden könne; trotzdem
verdient ſie die ſchärfſte Verurteilung. Dieſe Verur-
teilung iſt ihr denn auch von ſeiten des japaniſchen
Chriſtentums und nicht zum wenigſten der Kumiaikirchen
in ſo reichem Maße und in ſo entſchiedener Weiſe ge-
worden, daß man wieder neue Sympathien für das-
ſelbe gewinnt. Die chauviniſtiſche Überſpannung der
Doſhiſhakreiſe hat das Gute gehabt, ſchon ſeit 1896 die
andern japaniſchen Chriſten und Paſtoren zur Beſinnung
zu bringen. Auch die Miſſionare der anderen Geſell-
ſchaften haben ihre Lehren gezogen. Die Kirche Chriſti
(presbyt.) hat gegenüber den Selbſtändigkeitsgelüſten
ohne volle Übernahme der Selbſtändigkeitspflichten ſeit
1896 die Zügel ſtraffer geſpannt. Das Verhältnis
zwiſchen den Miſſionaren und der eingeborenen Geiſt-
lichkeit hat heute Ausſicht auf dauernde Beſſerung, und
da die Doſhiſha auf die Dauer nicht religionslos blei-
ben wird, ſo ſteht zu hoffen, daß die ſeitherige Span-
nung für die Zukunft ohne allzu böſe Folgen ſein werde.

Für die Vergangenheit ſind dieſe Folgen freilich
nicht wegzuleugnen. Unter ſich geſpalten, waren die
Chriſten dem plötzlichen und ungeſtümen Anprall des
altjapaniſchen Geiſtes, welcher ſeit 1889/90 erfolgte
und bis heute noch nicht zum Abſchluß gelangt iſt,
nicht gewachſen. An Anzeichen einer beginnenden Epoche
der Reaktion hatte es ſchon zuvor nicht gefehlt. Unter
den gewaltigen Erfolgen war immer eine widrige Unter-
ſtrömung vorhanden. Dieſelbe kam obenauf, als man

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[289/0303] Freiheit von den Fremden erreicht. Dem Daikwai (Generalſynode) der Kumiaikirchen im Jahre 1894 wohnten die Miſſionare nur noch mit beratender Stimme bei. Zweifellos betrachtete Yokoi die Erklärung an die Regierung nur als eine formelle, der zum Trotz der chriſt- liche Geiſt der Anſtalt gewahrt werden könne; trotzdem verdient ſie die ſchärfſte Verurteilung. Dieſe Verur- teilung iſt ihr denn auch von ſeiten des japaniſchen Chriſtentums und nicht zum wenigſten der Kumiaikirchen in ſo reichem Maße und in ſo entſchiedener Weiſe ge- worden, daß man wieder neue Sympathien für das- ſelbe gewinnt. Die chauviniſtiſche Überſpannung der Doſhiſhakreiſe hat das Gute gehabt, ſchon ſeit 1896 die andern japaniſchen Chriſten und Paſtoren zur Beſinnung zu bringen. Auch die Miſſionare der anderen Geſell- ſchaften haben ihre Lehren gezogen. Die Kirche Chriſti (presbyt.) hat gegenüber den Selbſtändigkeitsgelüſten ohne volle Übernahme der Selbſtändigkeitspflichten ſeit 1896 die Zügel ſtraffer geſpannt. Das Verhältnis zwiſchen den Miſſionaren und der eingeborenen Geiſt- lichkeit hat heute Ausſicht auf dauernde Beſſerung, und da die Doſhiſha auf die Dauer nicht religionslos blei- ben wird, ſo ſteht zu hoffen, daß die ſeitherige Span- nung für die Zukunft ohne allzu böſe Folgen ſein werde. Für die Vergangenheit ſind dieſe Folgen freilich nicht wegzuleugnen. Unter ſich geſpalten, waren die Chriſten dem plötzlichen und ungeſtümen Anprall des altjapaniſchen Geiſtes, welcher ſeit 1889/90 erfolgte und bis heute noch nicht zum Abſchluß gelangt iſt, nicht gewachſen. An Anzeichen einer beginnenden Epoche der Reaktion hatte es ſchon zuvor nicht gefehlt. Unter den gewaltigen Erfolgen war immer eine widrige Unter- ſtrömung vorhanden. Dieſelbe kam obenauf, als man 19

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/303>, abgerufen am 22.11.2024.