beschäftigte sich die 1895 entsandte Deputation, und sie faßte den unter den obwaltenden Verhältnissen weisen Beschluß, von einer Vermehrung des Missionspersonals zwar vorläufig abzusehen, dasselbe aber doch in seiner gegenwärtigen Stärke zu belassen. Vielleicht daß man doch für Zurückziehung wenigstens eines Teiles gestimmt hätte, wenn nicht während ihrer Anwesenheit in Japan die Missionare der Kirche Christi (presbyt.) unter still- schweigender Zustimmung auch der anderen Gesell- schaften im Oktober 1895 einen überaus bemerkens- werten Protest erlassen hätten, worin sie es für geboten erklärten, daß die fremden Arbeiter auch künftighin vermehrt werden. In der That beruht die im Abend- lande vielverbreitete Ansicht, als seien die japanischen Christen selbständig genug, weiter für sich zu sorgen, auf einer Verkennung der Verhältnisse. Die Vorgänge in den Doshishakreisen haben im Gegenteil gezeigt, daß das junge japanische Christentum ohne die besonnene Leitung der Missionare noch für lange hinaus nicht zu bestehen vermag. Mit den Gemeinden ist es wie mit den einzelnen. Allzu früh auf eigene Füße gestellt, gehen die besten und vielversprechendsten Kräfte wieder verloren. Darum darf das independentistische Verwaltungs- prinzip der Kongregationalisten auf dem Missionsfelde nur mit pädagogischer Weisheit angewandt werden.
Lassen wir nun die Zahlen reden. In den ersten Jahren zwar ist der Rückschlag noch nicht so deutlich bemerkbar. Der Strom, der in die Kirchen einmündete, war doch zu stark, als daß er sich mit einem Male ein- dämmen ließ. So betrug am Ende des Jahres 1892 die Zahl der fremden Missionsarbeiter 420 (gegen 1889 + 57), der Stationen 656 (+ 123), der organi- sierten Gemeinden 365 (+ 91), darunter selbstunter- haltende Gemeinden 77 (-- 16), der Schüler und Schüle-
beſchäftigte ſich die 1895 entſandte Deputation, und ſie faßte den unter den obwaltenden Verhältniſſen weiſen Beſchluß, von einer Vermehrung des Miſſionsperſonals zwar vorläufig abzuſehen, dasſelbe aber doch in ſeiner gegenwärtigen Stärke zu belaſſen. Vielleicht daß man doch für Zurückziehung wenigſtens eines Teiles geſtimmt hätte, wenn nicht während ihrer Anweſenheit in Japan die Miſſionare der Kirche Chriſti (presbyt.) unter ſtill- ſchweigender Zuſtimmung auch der anderen Geſell- ſchaften im Oktober 1895 einen überaus bemerkens- werten Proteſt erlaſſen hätten, worin ſie es für geboten erklärten, daß die fremden Arbeiter auch künftighin vermehrt werden. In der That beruht die im Abend- lande vielverbreitete Anſicht, als ſeien die japaniſchen Chriſten ſelbſtändig genug, weiter für ſich zu ſorgen, auf einer Verkennung der Verhältniſſe. Die Vorgänge in den Doſhiſhakreiſen haben im Gegenteil gezeigt, daß das junge japaniſche Chriſtentum ohne die beſonnene Leitung der Miſſionare noch für lange hinaus nicht zu beſtehen vermag. Mit den Gemeinden iſt es wie mit den einzelnen. Allzu früh auf eigene Füße geſtellt, gehen die beſten und vielverſprechendſten Kräfte wieder verloren. Darum darf das independentiſtiſche Verwaltungs- prinzip der Kongregationaliſten auf dem Miſſionsfelde nur mit pädagogiſcher Weisheit angewandt werden.
Laſſen wir nun die Zahlen reden. In den erſten Jahren zwar iſt der Rückſchlag noch nicht ſo deutlich bemerkbar. Der Strom, der in die Kirchen einmündete, war doch zu ſtark, als daß er ſich mit einem Male ein- dämmen ließ. So betrug am Ende des Jahres 1892 die Zahl der fremden Miſſionsarbeiter 420 (gegen 1889 + 57), der Stationen 656 (+ 123), der organi- ſierten Gemeinden 365 (+ 91), darunter ſelbſtunter- haltende Gemeinden 77 (— 16), der Schüler und Schüle-
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beſchäftigte ſich die 1895 entſandte Deputation, und ſie
faßte den unter den obwaltenden Verhältniſſen weiſen
Beſchluß, von einer Vermehrung des Miſſionsperſonals
zwar vorläufig abzuſehen, dasſelbe aber doch in ſeiner
gegenwärtigen Stärke zu belaſſen. Vielleicht daß man
doch für Zurückziehung wenigſtens eines Teiles geſtimmt
hätte, wenn nicht während ihrer Anweſenheit in Japan
die Miſſionare der Kirche Chriſti (presbyt.) unter ſtill-
ſchweigender Zuſtimmung auch der anderen Geſell-
ſchaften im Oktober 1895 einen überaus bemerkens-
werten Proteſt erlaſſen hätten, worin ſie es für geboten
erklärten, daß die fremden Arbeiter auch künftighin
vermehrt werden. In der That beruht die im Abend-
lande vielverbreitete Anſicht, als ſeien die japaniſchen
Chriſten ſelbſtändig genug, weiter für ſich zu ſorgen,
auf einer Verkennung der Verhältniſſe. Die Vorgänge
in den Doſhiſhakreiſen haben im Gegenteil gezeigt, daß
das junge japaniſche Chriſtentum ohne die beſonnene
Leitung der Miſſionare noch für lange hinaus nicht zu
beſtehen vermag. Mit den Gemeinden iſt es wie mit
den einzelnen. Allzu früh auf eigene Füße geſtellt,
gehen die beſten und vielverſprechendſten Kräfte wieder
verloren. Darum darf das independentiſtiſche Verwaltungs-
prinzip der Kongregationaliſten auf dem Miſſionsfelde
nur mit pädagogiſcher Weisheit angewandt werden.
Laſſen wir nun die Zahlen reden. In den erſten
Jahren zwar iſt der Rückſchlag noch nicht ſo deutlich
bemerkbar. Der Strom, der in die Kirchen einmündete,
war doch zu ſtark, als daß er ſich mit einem Male ein-
dämmen ließ. So betrug am Ende des Jahres 1892
die Zahl der fremden Miſſionsarbeiter 420 (gegen
1889 + 57), der Stationen 656 (+ 123), der organi-
ſierten Gemeinden 365 (+ 91), darunter ſelbſtunter-
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/309>, abgerufen am 22.11.2024.
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