der alte Mensch kommt wieder zum Vorschein. Wenn irgendwo ein vollständiges Durchdringen der bekehrten Persönlichkeit mit dem christlichen Glaubensgehalt not- wendig ist, so ist es gegenüber diesem Volkscharakter. Wenn irgendwo der Missionar mit Bezug auf die Taufe skrupulös sein sollte, so ist es hier. Darum sollte der Taufe eine ernste Prüfung, wenn möglich eine längere Probezeit vorangehen. Kann es der Missionar dann vor seinem Gewissen verantworten, so mag er die Taufe vollziehen.
Nun endlich ist der Bekehrungsprozeß in sein letztes Stadium getreten; und gleichwie das Einführen der Frucht in die Scheunen gar bald gethan ist, so ist dieser fünfte Akt der kürzeste von allen.
Die Taufe geschieht im öffentlichen Gottesdienste vor versammelter Gemeinde. Zweimal wurde an mich das Ansinnen gestellt, heimlich zu taufen. Ich habe mich nie darauf eingelassen. Denn ich meinte, daß es im Widerspruch zu dem Jesuswort stehe: "Wer mich bekennet vor den Menschen" -- und das soll doch wohl heißen: nur wer mich bekennt vor den Menschen --, "den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater".
Wenn die freudig ernste Stunde der Taufe ge- kommen ist, so schaut der Missionar auf einen langen Weg zurück. Nicht nur für den Täufling, sondern auch für ihn wird die Taufe zu einem Markstein, welchen er setzt in dem frohen Dankgefühl: "Bis hierher hat der Herr geholfen!"
Unter unseren Organen, welche der Einzelbekehrung dienen, befinden sich zwei, welche im vorstehenden keine genügende Erwähnung fanden: Die Sonntagsschule und die Armenschule. Während es die andern Institutionen
der alte Menſch kommt wieder zum Vorſchein. Wenn irgendwo ein vollſtändiges Durchdringen der bekehrten Perſönlichkeit mit dem chriſtlichen Glaubensgehalt not- wendig iſt, ſo iſt es gegenüber dieſem Volkscharakter. Wenn irgendwo der Miſſionar mit Bezug auf die Taufe ſkrupulös ſein ſollte, ſo iſt es hier. Darum ſollte der Taufe eine ernſte Prüfung, wenn möglich eine längere Probezeit vorangehen. Kann es der Miſſionar dann vor ſeinem Gewiſſen verantworten, ſo mag er die Taufe vollziehen.
Nun endlich iſt der Bekehrungsprozeß in ſein letztes Stadium getreten; und gleichwie das Einführen der Frucht in die Scheunen gar bald gethan iſt, ſo iſt dieſer fünfte Akt der kürzeſte von allen.
Die Taufe geſchieht im öffentlichen Gottesdienſte vor verſammelter Gemeinde. Zweimal wurde an mich das Anſinnen geſtellt, heimlich zu taufen. Ich habe mich nie darauf eingelaſſen. Denn ich meinte, daß es im Widerſpruch zu dem Jeſuswort ſtehe: „Wer mich bekennet vor den Menſchen“ — und das ſoll doch wohl heißen: nur wer mich bekennt vor den Menſchen —, „den will ich auch bekennen vor meinem himmliſchen Vater“.
Wenn die freudig ernſte Stunde der Taufe ge- kommen iſt, ſo ſchaut der Miſſionar auf einen langen Weg zurück. Nicht nur für den Täufling, ſondern auch für ihn wird die Taufe zu einem Markſtein, welchen er ſetzt in dem frohen Dankgefühl: „Bis hierher hat der Herr geholfen!“
Unter unſeren Organen, welche der Einzelbekehrung dienen, befinden ſich zwei, welche im vorſtehenden keine genügende Erwähnung fanden: Die Sonntagsſchule und die Armenſchule. Während es die andern Inſtitutionen
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der alte Menſch kommt wieder zum Vorſchein. Wenn
irgendwo ein vollſtändiges Durchdringen der bekehrten
Perſönlichkeit mit dem chriſtlichen Glaubensgehalt not-
wendig iſt, ſo iſt es gegenüber dieſem Volkscharakter.
Wenn irgendwo der Miſſionar mit Bezug auf die Taufe
ſkrupulös ſein ſollte, ſo iſt es hier. Darum ſollte der
Taufe eine ernſte Prüfung, wenn möglich eine längere
Probezeit vorangehen. Kann es der Miſſionar dann
vor ſeinem Gewiſſen verantworten, ſo mag er die Taufe
vollziehen.
Nun endlich iſt der Bekehrungsprozeß in ſein letztes
Stadium getreten; und gleichwie das Einführen der
Frucht in die Scheunen gar bald gethan iſt, ſo iſt
dieſer fünfte Akt der kürzeſte von allen.
Die Taufe geſchieht im öffentlichen Gottesdienſte
vor verſammelter Gemeinde. Zweimal wurde an mich
das Anſinnen geſtellt, heimlich zu taufen. Ich habe
mich nie darauf eingelaſſen. Denn ich meinte, daß es
im Widerſpruch zu dem Jeſuswort ſtehe: „Wer mich
bekennet vor den Menſchen“ — und das ſoll doch wohl
heißen: nur wer mich bekennt vor den Menſchen —,
„den will ich auch bekennen vor meinem himmliſchen
Vater“.
Wenn die freudig ernſte Stunde der Taufe ge-
kommen iſt, ſo ſchaut der Miſſionar auf einen langen
Weg zurück. Nicht nur für den Täufling, ſondern auch
für ihn wird die Taufe zu einem Markſtein, welchen
er ſetzt in dem frohen Dankgefühl: „Bis hierher hat
der Herr geholfen!“
Unter unſeren Organen, welche der Einzelbekehrung
dienen, befinden ſich zwei, welche im vorſtehenden keine
genügende Erwähnung fanden: Die Sonntagsſchule und
die Armenſchule. Während es die andern Inſtitutionen
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/343>, abgerufen am 24.11.2024.
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