scheiden vermag. Dadurch kommen die unglaublichsten Dinge vor. Statt Glas sagt er Gras, statt bekümmern bekümmeln und statt ankleiden ankreiden; aus einem Rudel Rehe macht er ein Luder Lehe und Leben und Reben sind ihm völlig eins. Ich korrigierte einmal einen Aufsatz, in welchem ein junger Student einen Spaziergang beschrieb. Da stand unter anderm zu lesen: "Der flöhliche Hund (statt "der fröhliche Hund!") lief neben mir her". Im ganzen neigt sich die Aus- sprache etwas mehr zu r als zu l, genau umgekehrt wie im Chinesischen, wo r und l auch in einem Laut zusammenfallen, der aber mehr nach l hin ausgesprochen wird. Die Zeichen, besonders die des Katakana, sind von einer fast stenographischen Einfachheit, so daß es sich bei einiger Übung rascher mit ihnen schreiben läßt als mit unserer Schrift. Ihre Zahl beläuft sich auf ungefähr zweihundert, und wenn man zum Lesen und Schreiben nicht mehr nötig hätte als sie, so wäre die Arbeit kaum größer als für unsere deutschen Kinder mit den großen und kleinen Buchstaben des deutschen und lateinischen Alphabets.
Aber -- und hier liegt die Schwierigkeit -- die japanischen Zeichen werden mehr oder weniger nur als Lückenbüßer gebraucht, und ob man auch die Kanaschrift noch so gut beherrscht, so kann man doch noch nicht eine einzige Zeitung damit lesen. Nur einzelne Bücher, vorzüglich solche, welche für Frauen bestimmt sind, sind in reinem Kana geschrieben, darunter auch christliche Gesang- und Andachtsbücher, und auch zur Lektüre der Bibel kann man zur Not mit Kana auskommen. Im übrigen reicht aber das Kana selbst für die be- scheidensten Ansprüche nicht aus. Es ist notwendig, eine gewisse Kenntnis der chinesischen Schrift sich an-
ſcheiden vermag. Dadurch kommen die unglaublichſten Dinge vor. Statt Glas ſagt er Gras, ſtatt bekümmern bekümmeln und ſtatt ankleiden ankreiden; aus einem Rudel Rehe macht er ein Luder Lehe und Leben und Reben ſind ihm völlig eins. Ich korrigierte einmal einen Aufſatz, in welchem ein junger Student einen Spaziergang beſchrieb. Da ſtand unter anderm zu leſen: „Der flöhliche Hund (ſtatt „der fröhliche Hund!“) lief neben mir her“. Im ganzen neigt ſich die Aus- ſprache etwas mehr zu r als zu l, genau umgekehrt wie im Chineſiſchen, wo r und l auch in einem Laut zuſammenfallen, der aber mehr nach l hin ausgeſprochen wird. Die Zeichen, beſonders die des Katakana, ſind von einer faſt ſtenographiſchen Einfachheit, ſo daß es ſich bei einiger Übung raſcher mit ihnen ſchreiben läßt als mit unſerer Schrift. Ihre Zahl beläuft ſich auf ungefähr zweihundert, und wenn man zum Leſen und Schreiben nicht mehr nötig hätte als ſie, ſo wäre die Arbeit kaum größer als für unſere deutſchen Kinder mit den großen und kleinen Buchſtaben des deutſchen und lateiniſchen Alphabets.
Aber — und hier liegt die Schwierigkeit — die japaniſchen Zeichen werden mehr oder weniger nur als Lückenbüßer gebraucht, und ob man auch die Kanaſchrift noch ſo gut beherrſcht, ſo kann man doch noch nicht eine einzige Zeitung damit leſen. Nur einzelne Bücher, vorzüglich ſolche, welche für Frauen beſtimmt ſind, ſind in reinem Kana geſchrieben, darunter auch chriſtliche Geſang- und Andachtsbücher, und auch zur Lektüre der Bibel kann man zur Not mit Kana auskommen. Im übrigen reicht aber das Kana ſelbſt für die be- ſcheidenſten Anſprüche nicht aus. Es iſt notwendig, eine gewiſſe Kenntnis der chineſiſchen Schrift ſich an-
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ſcheiden vermag. Dadurch kommen die unglaublichſten
Dinge vor. Statt Glas ſagt er Gras, ſtatt bekümmern
bekümmeln und ſtatt ankleiden ankreiden; aus einem
Rudel Rehe macht er ein Luder Lehe und Leben und
Reben ſind ihm völlig eins. Ich korrigierte einmal
einen Aufſatz, in welchem ein junger Student einen
Spaziergang beſchrieb. Da ſtand unter anderm zu
leſen: „Der flöhliche Hund (ſtatt „der fröhliche Hund!“)
lief neben mir her“. Im ganzen neigt ſich die Aus-
ſprache etwas mehr zu r als zu l, genau umgekehrt
wie im Chineſiſchen, wo r und l auch in einem Laut
zuſammenfallen, der aber mehr nach l hin ausgeſprochen
wird. Die Zeichen, beſonders die des Katakana, ſind
von einer faſt ſtenographiſchen Einfachheit, ſo daß es
ſich bei einiger Übung raſcher mit ihnen ſchreiben läßt
als mit unſerer Schrift. Ihre Zahl beläuft ſich auf
ungefähr zweihundert, und wenn man zum Leſen und
Schreiben nicht mehr nötig hätte als ſie, ſo wäre die
Arbeit kaum größer als für unſere deutſchen Kinder
mit den großen und kleinen Buchſtaben des deutſchen
und lateiniſchen Alphabets.
Aber — und hier liegt die Schwierigkeit — die
japaniſchen Zeichen werden mehr oder weniger nur als
Lückenbüßer gebraucht, und ob man auch die Kanaſchrift
noch ſo gut beherrſcht, ſo kann man doch noch nicht
eine einzige Zeitung damit leſen. Nur einzelne Bücher,
vorzüglich ſolche, welche für Frauen beſtimmt ſind, ſind
in reinem Kana geſchrieben, darunter auch chriſtliche
Geſang- und Andachtsbücher, und auch zur Lektüre der
Bibel kann man zur Not mit Kana auskommen. Im
übrigen reicht aber das Kana ſelbſt für die be-
ſcheidenſten Anſprüche nicht aus. Es iſt notwendig,
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/40>, abgerufen am 21.11.2024.
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