Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. [Erster Theil.] Eisenach, 1760.davon hoffen sollte. Wie sehr würde es mich kränken, wenn ich Sie einmal sagen hörte: beklagen Sie Sich nicht, warum haben Sie nicht gefolget, so geht es den Leuten die sich nicht wollen rathen noch helfen lassen. Solche Vorwürfe würden tödliche Stiche in mein Herz seyn. Nein, nein, ich will Ihnen folgen, ich will Ihnen gern gehorsam seyn: aber der Gehorsam gegen meinen Vater darf dadurch nichts verlieren. Sollte ich Ihn durch meinen Ungehorsam unter die Erde bringen? Ach Gott! Jetzt schlägt es 3 Uhr - Wie wird es morgen um diese Zeit aussehen? - Morgen habe ich einen sauern Tag zu überstehen, ich zittere, wenn ich daran gedenke. Heute frühe, kündigte mir meine Stiefmutter, wie sie sagte, auf Befehl meines Vaters an: daß morgen der feierliche Verlöbnistag zwischen dem Herrn v. N. und mir feste gestellet wäre; sie wollte sich nach meiner Entschließung erkundigen, ob ich noch der Meinung wäre, den Herrn von N. meine davon hoffen sollte. Wie sehr würde es mich kränken, wenn ich Sie einmal sagen hörte: beklagen Sie Sich nicht, warum haben Sie nicht gefolget, so geht es den Leuten die sich nicht wollen rathen noch helfen lassen. Solche Vorwürfe würden tödliche Stiche in mein Herz seyn. Nein, nein, ich will Ihnen folgen, ich will Ihnen gern gehorsam seyn: aber der Gehorsam gegen meinen Vater darf dadurch nichts verlieren. Sollte ich Ihn durch meinen Ungehorsam unter die Erde bringen? Ach Gott! Jetzt schlägt es 3 Uhr – Wie wird es morgen um diese Zeit aussehen? – Morgen habe ich einen sauern Tag zu überstehen, ich zittere, wenn ich daran gedenke. Heute frühe, kündigte mir meine Stiefmutter, wie sie sagte, auf Befehl meines Vaters an: daß morgen der feierliche Verlöbnistag zwischen dem Herrn v. N. und mir feste gestellet wäre; sie wollte sich nach meiner Entschließung erkundigen, ob ich noch der Meinung wäre, den Herrn von N. meine <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0249" n="234"/> davon hoffen sollte. Wie sehr würde es mich kränken, wenn ich Sie einmal sagen hörte: beklagen Sie Sich nicht, warum haben Sie nicht gefolget, so geht es den Leuten die sich nicht wollen rathen noch helfen lassen. Solche Vorwürfe würden tödliche Stiche in mein Herz seyn. Nein, nein, ich will Ihnen folgen, ich will Ihnen gern gehorsam seyn: aber der Gehorsam gegen meinen Vater darf dadurch nichts verlieren. Sollte ich Ihn durch meinen Ungehorsam unter die Erde bringen?</p> <p>Ach Gott! Jetzt schlägt es 3 Uhr – Wie wird es morgen um diese Zeit aussehen? – Morgen habe ich einen sauern Tag zu überstehen, ich zittere, wenn ich daran gedenke.</p> <p>Heute frühe, kündigte mir meine Stiefmutter, wie sie sagte, auf Befehl meines Vaters an: daß morgen der feierliche Verlöbnistag zwischen dem Herrn v. N. und mir feste gestellet wäre; sie wollte sich nach meiner Entschließung erkundigen, ob ich noch der Meinung wäre, den Herrn von N. meine </p> </div> </body> </text> </TEI> [234/0249]
davon hoffen sollte. Wie sehr würde es mich kränken, wenn ich Sie einmal sagen hörte: beklagen Sie Sich nicht, warum haben Sie nicht gefolget, so geht es den Leuten die sich nicht wollen rathen noch helfen lassen. Solche Vorwürfe würden tödliche Stiche in mein Herz seyn. Nein, nein, ich will Ihnen folgen, ich will Ihnen gern gehorsam seyn: aber der Gehorsam gegen meinen Vater darf dadurch nichts verlieren. Sollte ich Ihn durch meinen Ungehorsam unter die Erde bringen?
Ach Gott! Jetzt schlägt es 3 Uhr – Wie wird es morgen um diese Zeit aussehen? – Morgen habe ich einen sauern Tag zu überstehen, ich zittere, wenn ich daran gedenke.
Heute frühe, kündigte mir meine Stiefmutter, wie sie sagte, auf Befehl meines Vaters an: daß morgen der feierliche Verlöbnistag zwischen dem Herrn v. N. und mir feste gestellet wäre; sie wollte sich nach meiner Entschließung erkundigen, ob ich noch der Meinung wäre, den Herrn von N. meine
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |