Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. [Erster Theil.] Eisenach, 1760.Hast du Schurke jemals gehört, setzte er hinzu, daß Jeremias mit seinem Herrn so unverschämt sprechen darf? Wenn du Schlingel länger bei mir in Diensten seyn willst; so mußt du weit ehrerbietiger mit mir reden, woferne ich dir nicht deine schelmische Ohren abschneiden soll. Mit einem Worte, die Gallerie wurde fertig, und wir müssen in seiner Gesellschaft oft dahin gehen, und uns von ihm die Thaten dieser ehrwürdigen Ahnen erzählen lassen. Er selbst nimmt in Lebensgröße zu Pferde den ersten Platz ein. Damit aber sein heroisches Wesen recht natürlich gebildet wurde, so bestieg er seinen alten Fuchs, welcher drei Tage zuvor nicht eingespannt, vielmehr reichlich gefüttert wurde, paradirte im Hofe herum, und der Mahler mußte die Anlage zum Bilde, unter freien Himmel verfertigen. Lampert wollte bei dieser Gelegenheit sich auch mahlen, und bei Münzern oder bei den Aristoteles stellen lassen; Allein seine Bitte wurde ihm rund abgeschlagen; doch erhielt er den Trost: ich will eine Bronze aus Sie machen lassen, und Sie in meine Bibliotheck stellen. Ich Hast du Schurke jemals gehört, setzte er hinzu, daß Jeremias mit seinem Herrn so unverschämt sprechen darf? Wenn du Schlingel länger bei mir in Diensten seyn willst; so mußt du weit ehrerbietiger mit mir reden, woferne ich dir nicht deine schelmische Ohren abschneiden soll. Mit einem Worte, die Gallerie wurde fertig, und wir müssen in seiner Gesellschaft oft dahin gehen, und uns von ihm die Thaten dieser ehrwürdigen Ahnen erzählen lassen. Er selbst nimmt in Lebensgröße zu Pferde den ersten Platz ein. Damit aber sein heroisches Wesen recht natürlich gebildet wurde, so bestieg er seinen alten Fuchs, welcher drei Tage zuvor nicht eingespannt, vielmehr reichlich gefüttert wurde, paradirte im Hofe herum, und der Mahler mußte die Anlage zum Bilde, unter freien Himmel verfertigen. Lampert wollte bei dieser Gelegenheit sich auch mahlen, und bei Münzern oder bei den Aristoteles stellen lassen; Allein seine Bitte wurde ihm rund abgeschlagen; doch erhielt er den Trost: ich will eine Bronze aus Sie machen lassen, und Sie in meine Bibliotheck stellen. Ich <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0063" n="48"/> Hast du Schurke jemals gehört, setzte er hinzu, daß Jeremias mit seinem Herrn so unverschämt sprechen darf? Wenn du Schlingel länger bei mir in Diensten seyn willst; so mußt du weit ehrerbietiger mit mir reden, woferne ich dir nicht deine schelmische Ohren abschneiden soll. Mit einem Worte, die Gallerie wurde fertig, und wir müssen in seiner Gesellschaft oft dahin gehen, und uns von ihm die Thaten dieser ehrwürdigen Ahnen erzählen lassen. Er selbst nimmt in Lebensgröße zu Pferde den ersten Platz ein. Damit aber sein heroisches Wesen recht natürlich gebildet wurde, so bestieg er seinen alten Fuchs, welcher drei Tage zuvor nicht eingespannt, vielmehr reichlich gefüttert wurde, paradirte im Hofe herum, und der Mahler mußte die Anlage zum Bilde, unter freien Himmel verfertigen. Lampert wollte bei dieser Gelegenheit sich auch mahlen, und bei Münzern oder bei den Aristoteles stellen lassen; Allein seine Bitte wurde ihm rund abgeschlagen; doch erhielt er den Trost: ich will eine Bronze aus Sie machen lassen, und Sie in meine Bibliotheck stellen. Ich </p> </div> </body> </text> </TEI> [48/0063]
Hast du Schurke jemals gehört, setzte er hinzu, daß Jeremias mit seinem Herrn so unverschämt sprechen darf? Wenn du Schlingel länger bei mir in Diensten seyn willst; so mußt du weit ehrerbietiger mit mir reden, woferne ich dir nicht deine schelmische Ohren abschneiden soll. Mit einem Worte, die Gallerie wurde fertig, und wir müssen in seiner Gesellschaft oft dahin gehen, und uns von ihm die Thaten dieser ehrwürdigen Ahnen erzählen lassen. Er selbst nimmt in Lebensgröße zu Pferde den ersten Platz ein. Damit aber sein heroisches Wesen recht natürlich gebildet wurde, so bestieg er seinen alten Fuchs, welcher drei Tage zuvor nicht eingespannt, vielmehr reichlich gefüttert wurde, paradirte im Hofe herum, und der Mahler mußte die Anlage zum Bilde, unter freien Himmel verfertigen. Lampert wollte bei dieser Gelegenheit sich auch mahlen, und bei Münzern oder bei den Aristoteles stellen lassen; Allein seine Bitte wurde ihm rund abgeschlagen; doch erhielt er den Trost: ich will eine Bronze aus Sie machen lassen, und Sie in meine Bibliotheck stellen. Ich
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