Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761.
Das Leben der Kriegsgefangenen stehet in der Hand des Siegers. v. N. Ja ja, so ist es. Der Major zu dem Hrn. v. N. Was sagte aber ihr General dazu, daß sie ihre ganze Compagnie aufhängen ließen? v. N. Was der sagte? Hm! der hatte nichts darnach zu fragen, ich war Herr über meine Leute. In acht Tagen hatte ich mir eine andere geworben, die noch einmal so stark war als die erste. Vorzeiten gieng es nicht so ordentlich im Kriege, wie heutiges Tages, dort that ein jeder, was er wollte. Aber die Zeit vergehet. Er zog seine Uhr, die einem Dreiersbrodte an Größe nichts nachgab, aus der Westentasche. Die Herren baten ihn alle, die Unterredung noch nicht abzubrechen, so sehr es auch der Schreiber wünschte. Er fuhr also fort. In Italien habe ich mehr als einmal die Ehre der Deutschen gerettet. Es ist nicht
Das Leben der Kriegsgefangenen stehet in der Hand des Siegers. v. N. Ja ja, so ist es. Der Major zu dem Hrn. v. N. Was sagte aber ihr General dazu, daß sie ihre ganze Compagnie aufhängen ließen? v. N. Was der sagte? Hm! der hatte nichts darnach zu fragen, ich war Herr über meine Leute. In acht Tagen hatte ich mir eine andere geworben, die noch einmal so stark war als die erste. Vorzeiten gieng es nicht so ordentlich im Kriege, wie heutiges Tages, dort that ein jeder, was er wollte. Aber die Zeit vergehet. Er zog seine Uhr, die einem Dreiersbrodte an Größe nichts nachgab, aus der Westentasche. Die Herren baten ihn alle, die Unterredung noch nicht abzubrechen, so sehr es auch der Schreiber wünschte. Er fuhr also fort. In Italien habe ich mehr als einmal die Ehre der Deutschen gerettet. Es ist nicht <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <floatingText> <body> <div n="2"> <sp> <p><pb facs="#f0131" n="129"/> Das Leben der Kriegsgefangenen stehet in der Hand des Siegers.</p> </sp> <sp> <speaker><hi rendition="#fr">v. N</hi>.</speaker> <p>Ja ja, so ist es.</p> </sp> <sp> <speaker><hi rendition="#fr">Der Major zu dem Hrn. v. N</hi>.</speaker> <p>Was sagte aber ihr General dazu, daß sie ihre ganze Compagnie aufhängen ließen?</p> </sp> <sp> <speaker><hi rendition="#fr">v. N</hi>.</speaker> <p>Was der sagte? Hm! der hatte nichts darnach zu fragen, ich war Herr über meine Leute. In acht Tagen hatte ich mir eine andere geworben, die noch einmal so stark war als die erste. Vorzeiten gieng es nicht so ordentlich im Kriege, wie heutiges Tages, dort that ein jeder, was er wollte. Aber die Zeit vergehet.</p> </sp> <p>Er zog seine Uhr, die einem Dreiersbrodte an Größe nichts nachgab, aus der Westentasche. Die Herren baten ihn alle, die Unterredung noch nicht abzubrechen, so sehr es auch der Schreiber wünschte. Er fuhr also fort.</p> <p>In Italien habe ich mehr als einmal die Ehre der Deutschen gerettet. Es ist nicht </p> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [129/0131]
Das Leben der Kriegsgefangenen stehet in der Hand des Siegers.
v. N. Ja ja, so ist es.
Der Major zu dem Hrn. v. N. Was sagte aber ihr General dazu, daß sie ihre ganze Compagnie aufhängen ließen?
v. N. Was der sagte? Hm! der hatte nichts darnach zu fragen, ich war Herr über meine Leute. In acht Tagen hatte ich mir eine andere geworben, die noch einmal so stark war als die erste. Vorzeiten gieng es nicht so ordentlich im Kriege, wie heutiges Tages, dort that ein jeder, was er wollte. Aber die Zeit vergehet.
Er zog seine Uhr, die einem Dreiersbrodte an Größe nichts nachgab, aus der Westentasche. Die Herren baten ihn alle, die Unterredung noch nicht abzubrechen, so sehr es auch der Schreiber wünschte. Er fuhr also fort.
In Italien habe ich mehr als einmal die Ehre der Deutschen gerettet. Es ist nicht
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