Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761.

Bild:
<< vorherige Seite

Leute von dem Charakter eines Lamperts, verdienen in meinen Augen Mitleiden, wenn man ihre Vergehungen nach der Strenge bestraft. So boshaft ihre Unternehmungen auch oftmals scheinen; so gehören sie doch zu den unwissendlichen oder wenigstens zu den Schwachheitssünden. Ich bin überzeugt, daß Lampert gewiß nicht den Vorsatz gehabt hat, uns zu beleidigen, er sahe seine Erfindung als eine erlaubte List an, seinen Gönner von einem so großen Uebel als ein Nebenbuhler ist, zu befreien, und dadurch das Lob eines klugen und erfindungsreichen Mannes zu verdienen. Ich bin geneigt eine größere Beleidigung gleichgültiger zu ertragen, wenn sie mir zugefüget wird, ohne daß man dabei die Absicht hat, mich zu beleidigen, als eine geringere, womit diese Absicht verbunden ist. Der Baron hat eben diese Gesinnung. Es wurde dahero in unserm Rathe beschlossen, uns zu stellen, als wenn wir die Briefe gar nicht empfangen hätten, und wo möglich, diese Gedanken unserm Oncle und dem Magister Lampert selbst beizubringen.

Leute von dem Charakter eines Lamperts, verdienen in meinen Augen Mitleiden, wenn man ihre Vergehungen nach der Strenge bestraft. So boshaft ihre Unternehmungen auch oftmals scheinen; so gehören sie doch zu den unwissendlichen oder wenigstens zu den Schwachheitssünden. Ich bin überzeugt, daß Lampert gewiß nicht den Vorsatz gehabt hat, uns zu beleidigen, er sahe seine Erfindung als eine erlaubte List an, seinen Gönner von einem so großen Uebel als ein Nebenbuhler ist, zu befreien, und dadurch das Lob eines klugen und erfindungsreichen Mannes zu verdienen. Ich bin geneigt eine größere Beleidigung gleichgültiger zu ertragen, wenn sie mir zugefüget wird, ohne daß man dabei die Absicht hat, mich zu beleidigen, als eine geringere, womit diese Absicht verbunden ist. Der Baron hat eben diese Gesinnung. Es wurde dahero in unserm Rathe beschlossen, uns zu stellen, als wenn wir die Briefe gar nicht empfangen hätten, und wo möglich, diese Gedanken unserm Oncle und dem Magister Lampert selbst beizubringen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0298" n="296"/>
Leute von dem Charakter eines Lamperts, verdienen in meinen Augen Mitleiden, wenn man ihre Vergehungen nach der Strenge bestraft. So boshaft ihre Unternehmungen auch oftmals scheinen; so gehören sie doch zu den unwissendlichen oder wenigstens zu den Schwachheitssünden. Ich bin überzeugt, daß Lampert gewiß nicht den Vorsatz gehabt hat, uns zu beleidigen, er sahe seine Erfindung als eine erlaubte List an, seinen Gönner von einem so großen Uebel als ein Nebenbuhler ist, zu befreien, und dadurch das Lob eines klugen und erfindungsreichen Mannes zu verdienen. Ich bin geneigt eine größere Beleidigung gleichgültiger zu ertragen, wenn sie mir zugefüget wird, ohne daß man dabei die Absicht hat, mich zu beleidigen, als eine geringere, womit diese Absicht verbunden ist. Der Baron hat eben diese Gesinnung. Es wurde dahero in unserm Rathe beschlossen, uns zu stellen, als wenn wir die Briefe gar nicht empfangen hätten, und wo möglich, diese Gedanken unserm Oncle und dem Magister Lampert selbst beizubringen.
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[296/0298] Leute von dem Charakter eines Lamperts, verdienen in meinen Augen Mitleiden, wenn man ihre Vergehungen nach der Strenge bestraft. So boshaft ihre Unternehmungen auch oftmals scheinen; so gehören sie doch zu den unwissendlichen oder wenigstens zu den Schwachheitssünden. Ich bin überzeugt, daß Lampert gewiß nicht den Vorsatz gehabt hat, uns zu beleidigen, er sahe seine Erfindung als eine erlaubte List an, seinen Gönner von einem so großen Uebel als ein Nebenbuhler ist, zu befreien, und dadurch das Lob eines klugen und erfindungsreichen Mannes zu verdienen. Ich bin geneigt eine größere Beleidigung gleichgültiger zu ertragen, wenn sie mir zugefüget wird, ohne daß man dabei die Absicht hat, mich zu beleidigen, als eine geringere, womit diese Absicht verbunden ist. Der Baron hat eben diese Gesinnung. Es wurde dahero in unserm Rathe beschlossen, uns zu stellen, als wenn wir die Briefe gar nicht empfangen hätten, und wo möglich, diese Gedanken unserm Oncle und dem Magister Lampert selbst beizubringen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T15:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T15:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T15:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenumbruch erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Worttrennungen am Zeilenende entfallen.
  • Das lange „s“ („ſ“) wird als normales rundes „s“ wiedergegeben.
  • Auslassungspunkte werden, unabhängig von der Anzahl der Punkte, als „…“ (Sonderzeichen Alt+0133) wiedergegeben.
  • Apostrophe werden durch das Sonderzeichen „’“ (Alt+0146) wiedergegeben (nicht durch die Variante auf der Tastatur).
  • Bindestriche werden durch den normalen Bindestrich „-“ wiedergegeben (nicht durch „=“).
  • Gleichheitszeichen „=“ werden als normale Gedankenstriche (Halbgeviertstriche) „–“ wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761/298
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761/298>, abgerufen am 21.11.2024.