Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761.einladen lassen, und da er den Tag darauf gekommen wäre, hätte sie sich aufs heftigste über den Herrn v. N. beklaget; sie hätte ihn auch eine Abschrift dieses Briefes gezeiget, und wäre so erbittert auf den Herrn v. N. gewesen, daß sie es gerne würde gesehen haben, wenn er von Stund an sich nach Kargfeld zu dem podagrischen Greise begeben, und sich mit ihm auf dem Bette duelliret hätte. Um die ungestüme Frau nur in etwas zu besänftigen und sie abzuhalten, daß sie ihn nicht einer Feigheit beschuldigen möchte, hätte er in ihrer Gegenwart ein Cartel gegen den Herrn v. N. aufgesetzt; da ihr aber dieses viel zu glimpflich geschienen: so hätte sie ihm selbsten einen verwünschten Brief dictiret, welcher dem guten Manne das Podagra gewiß in den Leib würde getrieben haben, wenn er ihm solchen während dieses schmerzhaften Zufalls zuschicken wollte. Er hätte sich aber ein Gewissen daraus gemacht, die Quaal des Patienten zu vergrößern, und er würde ihm den Fehdebrief nicht eher einhändigen lassen, bis er wieder wohl wäre. einladen lassen, und da er den Tag darauf gekommen wäre, hätte sie sich aufs heftigste über den Herrn v. N. beklaget; sie hätte ihn auch eine Abschrift dieses Briefes gezeiget, und wäre so erbittert auf den Herrn v. N. gewesen, daß sie es gerne würde gesehen haben, wenn er von Stund an sich nach Kargfeld zu dem podagrischen Greise begeben, und sich mit ihm auf dem Bette duelliret hätte. Um die ungestüme Frau nur in etwas zu besänftigen und sie abzuhalten, daß sie ihn nicht einer Feigheit beschuldigen möchte, hätte er in ihrer Gegenwart ein Cartel gegen den Herrn v. N. aufgesetzt; da ihr aber dieses viel zu glimpflich geschienen: so hätte sie ihm selbsten einen verwünschten Brief dictiret, welcher dem guten Manne das Podagra gewiß in den Leib würde getrieben haben, wenn er ihm solchen während dieses schmerzhaften Zufalls zuschicken wollte. Er hätte sich aber ein Gewissen daraus gemacht, die Quaal des Patienten zu vergrößern, und er würde ihm den Fehdebrief nicht eher einhändigen lassen, bis er wieder wohl wäre. <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0041" n="39"/> einladen lassen, und da er den Tag darauf gekommen wäre, hätte sie sich aufs heftigste über den Herrn v. N. beklaget; sie hätte ihn auch eine Abschrift dieses Briefes gezeiget, und wäre so erbittert auf den Herrn v. N. gewesen, daß sie es gerne würde gesehen haben, wenn er von Stund an sich nach Kargfeld zu dem podagrischen Greise begeben, und sich mit ihm auf dem Bette duelliret hätte. Um die ungestüme Frau nur in etwas zu besänftigen und sie abzuhalten, daß sie ihn nicht einer Feigheit beschuldigen möchte, hätte er in ihrer Gegenwart ein Cartel gegen den Herrn v. N. aufgesetzt; da ihr aber dieses viel zu glimpflich geschienen: so hätte sie ihm selbsten einen verwünschten Brief dictiret, welcher dem guten Manne das Podagra gewiß in den Leib würde getrieben haben, wenn er ihm solchen während dieses schmerzhaften Zufalls zuschicken wollte. Er hätte sich aber ein Gewissen daraus gemacht, die Quaal des Patienten zu vergrößern, und er würde ihm den Fehdebrief nicht eher einhändigen lassen, bis er wieder wohl wäre. </p> </div> </body> </text> </TEI> [39/0041]
einladen lassen, und da er den Tag darauf gekommen wäre, hätte sie sich aufs heftigste über den Herrn v. N. beklaget; sie hätte ihn auch eine Abschrift dieses Briefes gezeiget, und wäre so erbittert auf den Herrn v. N. gewesen, daß sie es gerne würde gesehen haben, wenn er von Stund an sich nach Kargfeld zu dem podagrischen Greise begeben, und sich mit ihm auf dem Bette duelliret hätte. Um die ungestüme Frau nur in etwas zu besänftigen und sie abzuhalten, daß sie ihn nicht einer Feigheit beschuldigen möchte, hätte er in ihrer Gegenwart ein Cartel gegen den Herrn v. N. aufgesetzt; da ihr aber dieses viel zu glimpflich geschienen: so hätte sie ihm selbsten einen verwünschten Brief dictiret, welcher dem guten Manne das Podagra gewiß in den Leib würde getrieben haben, wenn er ihm solchen während dieses schmerzhaften Zufalls zuschicken wollte. Er hätte sich aber ein Gewissen daraus gemacht, die Quaal des Patienten zu vergrößern, und er würde ihm den Fehdebrief nicht eher einhändigen lassen, bis er wieder wohl wäre.
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