Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761.

Bild:
<< vorherige Seite

die langen goldgelben Haare aus dem Gesichte, um die Noten desto besser sehen zu können; zwei davon bemüheten sich, alle vorräthige Luft in dem Musikzimmer einzuathmen, und setzten bereits ihre Waldhörner an, um sie durch lebhafte Töne wieder auszulassen. Jedermann hatte seinen Platz eingenommen, und Lampert, der die Partitur führte, war eben im Begriff, den linken Fuß und die rechte Hand aufzuheben, um durch einen nachdrücklichen Tritt und Schlag das Zeichen zum Anfange einer lermenden Fuge zu geben: da der Jäger des Majors v. Ln. in das Zimmer geführet wurde, der meinem Oncle einen Brief überbrachte, den er mit einer ernsthaften und verächtlichen Mine entsiegelte. Er hatte ihn nicht so bald gelesen; als er seine Cantate voll Verdruß auf den Tisch warf und eiligst nebst dem Magister das Musikzimmer verließ, um mit ihm, wie er sagte, über eine Sache von der äußersten Wichtigkeit zu rathschlagen. Jedermann erwartete ihre Wiederkunft mit einer solchen Begierde, als wenn man hätte wollen Hanns

die langen goldgelben Haare aus dem Gesichte, um die Noten desto besser sehen zu können; zwei davon bemüheten sich, alle vorräthige Luft in dem Musikzimmer einzuathmen, und setzten bereits ihre Waldhörner an, um sie durch lebhafte Töne wieder auszulassen. Jedermann hatte seinen Platz eingenommen, und Lampert, der die Partitur führte, war eben im Begriff, den linken Fuß und die rechte Hand aufzuheben, um durch einen nachdrücklichen Tritt und Schlag das Zeichen zum Anfange einer lermenden Fuge zu geben: da der Jäger des Majors v. Ln. in das Zimmer geführet wurde, der meinem Oncle einen Brief überbrachte, den er mit einer ernsthaften und verächtlichen Mine entsiegelte. Er hatte ihn nicht so bald gelesen; als er seine Cantate voll Verdruß auf den Tisch warf und eiligst nebst dem Magister das Musikzimmer verließ, um mit ihm, wie er sagte, über eine Sache von der äußersten Wichtigkeit zu rathschlagen. Jedermann erwartete ihre Wiederkunft mit einer solchen Begierde, als wenn man hätte wollen Hanns

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0055" n="53"/>
die langen goldgelben Haare aus dem Gesichte, um die Noten desto besser sehen zu können; zwei davon bemüheten sich, alle vorräthige Luft in dem Musikzimmer einzuathmen, und setzten bereits ihre Waldhörner an, um sie durch lebhafte Töne wieder auszulassen. Jedermann hatte seinen Platz eingenommen, und Lampert, der die Partitur führte, war eben im Begriff, den linken Fuß und die rechte Hand aufzuheben, um durch einen nachdrücklichen Tritt und Schlag das Zeichen zum Anfange einer lermenden Fuge zu geben: da der Jäger des Majors v. Ln. in das Zimmer geführet wurde, der meinem Oncle einen Brief überbrachte, den er mit einer ernsthaften und verächtlichen Mine entsiegelte. Er hatte ihn nicht so bald gelesen; als er seine Cantate voll Verdruß auf den Tisch warf und eiligst nebst dem Magister das Musikzimmer verließ, um mit ihm, wie er sagte, über eine Sache von der äußersten Wichtigkeit zu rathschlagen. Jedermann erwartete ihre Wiederkunft mit einer solchen Begierde, als wenn man hätte wollen Hanns
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0055] die langen goldgelben Haare aus dem Gesichte, um die Noten desto besser sehen zu können; zwei davon bemüheten sich, alle vorräthige Luft in dem Musikzimmer einzuathmen, und setzten bereits ihre Waldhörner an, um sie durch lebhafte Töne wieder auszulassen. Jedermann hatte seinen Platz eingenommen, und Lampert, der die Partitur führte, war eben im Begriff, den linken Fuß und die rechte Hand aufzuheben, um durch einen nachdrücklichen Tritt und Schlag das Zeichen zum Anfange einer lermenden Fuge zu geben: da der Jäger des Majors v. Ln. in das Zimmer geführet wurde, der meinem Oncle einen Brief überbrachte, den er mit einer ernsthaften und verächtlichen Mine entsiegelte. Er hatte ihn nicht so bald gelesen; als er seine Cantate voll Verdruß auf den Tisch warf und eiligst nebst dem Magister das Musikzimmer verließ, um mit ihm, wie er sagte, über eine Sache von der äußersten Wichtigkeit zu rathschlagen. Jedermann erwartete ihre Wiederkunft mit einer solchen Begierde, als wenn man hätte wollen Hanns

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T15:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T15:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T15:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenumbruch erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Worttrennungen am Zeilenende entfallen.
  • Das lange „s“ („ſ“) wird als normales rundes „s“ wiedergegeben.
  • Auslassungspunkte werden, unabhängig von der Anzahl der Punkte, als „…“ (Sonderzeichen Alt+0133) wiedergegeben.
  • Apostrophe werden durch das Sonderzeichen „’“ (Alt+0146) wiedergegeben (nicht durch die Variante auf der Tastatur).
  • Bindestriche werden durch den normalen Bindestrich „-“ wiedergegeben (nicht durch „=“).
  • Gleichheitszeichen „=“ werden als normale Gedankenstriche (Halbgeviertstriche) „–“ wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761/55
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761/55>, abgerufen am 21.11.2024.