Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Dritter Theil. Eisenach, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

Sitten ihr unterwerfen müssen, dergestalt, daß sie solche nach ihrer Fantasie bald sanfter bald wilder macht, und ihnen mir einer der Zauberkraft der Circe ähnlichen Macht, bald diese bald jene Gestalt zu geben weiß.

Die gelehrte Republick, die durchaus keinen Oberherrn vertragen kann, muß gleichwohl die Gesetze derselben eben so wohl als das schöne Geschlecht verehren, und je weniger die Gelehrten Gesetze erkennen wollen, desto nachdrücklicher verlangt sie die Befolgung derselben. Ein Mädchen das sich wider die Mode auflehnet, wird belacht; ein Gelehrter, der ihre Gesetze verachtet, hat Leib- und Lebensgefahr deswegen zu besorgen. Wenn Doris in dem Nachtzeuge ihrer Aeltermutter erscheinen wollte, so würden sie höchstens nur die Kinder auf der Gasse auszischen; wenn aber ein Gelehrter die aus der Mode gekommenen Lehrsätze der alten Ketzer oder der Platonischen Philosophen wieder wollte aufleben lassen, und in Activität setzen, so würde man ihn steinigen.

Sitten ihr unterwerfen müssen, dergestalt, daß sie solche nach ihrer Fantasie bald sanfter bald wilder macht, und ihnen mir einer der Zauberkraft der Circe ähnlichen Macht, bald diese bald jene Gestalt zu geben weiß.

Die gelehrte Republick, die durchaus keinen Oberherrn vertragen kann, muß gleichwohl die Gesetze derselben eben so wohl als das schöne Geschlecht verehren, und je weniger die Gelehrten Gesetze erkennen wollen, desto nachdrücklicher verlangt sie die Befolgung derselben. Ein Mädchen das sich wider die Mode auflehnet, wird belacht; ein Gelehrter, der ihre Gesetze verachtet, hat Leib- und Lebensgefahr deswegen zu besorgen. Wenn Doris in dem Nachtzeuge ihrer Aeltermutter erscheinen wollte, so würden sie höchstens nur die Kinder auf der Gasse auszischen; wenn aber ein Gelehrter die aus der Mode gekommenen Lehrsätze der alten Ketzer oder der Platonischen Philosophen wieder wollte aufleben lassen, und in Activität setzen, so würde man ihn steinigen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0170" n="168"/>
Sitten ihr unterwerfen müssen, dergestalt, daß sie solche nach ihrer Fantasie bald sanfter bald wilder macht, und ihnen mir einer der Zauberkraft der Circe ähnlichen Macht, bald diese bald jene Gestalt zu geben weiß.</p>
        <p>Die gelehrte Republick, die durchaus keinen Oberherrn vertragen kann, muß gleichwohl die Gesetze derselben eben so wohl als das schöne Geschlecht verehren, und je weniger die Gelehrten Gesetze erkennen wollen, desto nachdrücklicher verlangt sie die Befolgung derselben. Ein Mädchen das sich wider die Mode auflehnet, wird belacht; ein Gelehrter, der ihre Gesetze verachtet, hat Leib- und Lebensgefahr deswegen zu besorgen. Wenn Doris in dem Nachtzeuge ihrer Aeltermutter erscheinen wollte, so würden sie höchstens nur die Kinder auf der Gasse auszischen; wenn aber ein Gelehrter die aus der Mode gekommenen Lehrsätze der alten Ketzer oder der Platonischen Philosophen wieder wollte aufleben lassen, und in Activität setzen, so würde man ihn steinigen.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0170] Sitten ihr unterwerfen müssen, dergestalt, daß sie solche nach ihrer Fantasie bald sanfter bald wilder macht, und ihnen mir einer der Zauberkraft der Circe ähnlichen Macht, bald diese bald jene Gestalt zu geben weiß. Die gelehrte Republick, die durchaus keinen Oberherrn vertragen kann, muß gleichwohl die Gesetze derselben eben so wohl als das schöne Geschlecht verehren, und je weniger die Gelehrten Gesetze erkennen wollen, desto nachdrücklicher verlangt sie die Befolgung derselben. Ein Mädchen das sich wider die Mode auflehnet, wird belacht; ein Gelehrter, der ihre Gesetze verachtet, hat Leib- und Lebensgefahr deswegen zu besorgen. Wenn Doris in dem Nachtzeuge ihrer Aeltermutter erscheinen wollte, so würden sie höchstens nur die Kinder auf der Gasse auszischen; wenn aber ein Gelehrter die aus der Mode gekommenen Lehrsätze der alten Ketzer oder der Platonischen Philosophen wieder wollte aufleben lassen, und in Activität setzen, so würde man ihn steinigen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T15:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T15:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T15:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenumbruch erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Worttrennungen am Zeilenende entfallen.
  • Das lange „s“ („ſ“) wird als normales rundes „s“ wiedergegeben.
  • Auslassungspunkte werden, unabhängig von der Anzahl der Punkte, als „…“ (Sonderzeichen Alt+0133) wiedergegeben.
  • Apostrophe werden durch das Sonderzeichen „’“ (Alt+0146) wiedergegeben (nicht durch die Variante auf der Tastatur).
  • Bindestriche werden durch den normalen Bindestrich „-“ wiedergegeben (nicht durch „=“).
  • Gleichheitszeichen „=“ werden als normale Gedankenstriche (Halbgeviertstriche) „–“ wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison03_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison03_1762/170
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Dritter Theil. Eisenach, 1762, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison03_1762/170>, abgerufen am 23.11.2024.