Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Dritter Theil. Eisenach, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

verliehen hat. Hieraus erhellet, was ein Musikus in eigentlichem Verstande, welchen man gemeiniglich einen Virtuosen nennet, für ein Mann ist, und daß solche Leute billig in Ehren zu halten sind, auch ihnen ein reichlich Auskommen muß verschaffet werden, denn sie wachsen nicht so zahlreich wie die Schwämme, und können auch nicht durch die Kunst hervorgebracht werden wie die Orgelpfeifen, sondern die gütige Natur bringt sie nur dann und wann hervor, wenn sie ihr Spiel haben, will wie die Weidenrosen, oder die Kornstengel mit hundert Aehren. Das wissen diese Herren auch gar wohl, darum blehen sie sich nicht selten auf wie die Untervögte, und haben ihre Mucken wie die Pferde, die den Sonnenschuß bekommen. Ich könnte von ihrem Eigensinne manches artige Stückgen anführen, wenn ich mich nicht der Kürze befleißigen wollte. Nur einger im Vorbeigehen zu gedenken, so sind einige Virtuosen so eigensinnig, daß sie sich durchaus nicht wollen hören lassen, so lange sie ein volles

verliehen hat. Hieraus erhellet, was ein Musikus in eigentlichem Verstande, welchen man gemeiniglich einen Virtuosen nennet, für ein Mann ist, und daß solche Leute billig in Ehren zu halten sind, auch ihnen ein reichlich Auskommen muß verschaffet werden, denn sie wachsen nicht so zahlreich wie die Schwämme, und können auch nicht durch die Kunst hervorgebracht werden wie die Orgelpfeifen, sondern die gütige Natur bringt sie nur dann und wann hervor, wenn sie ihr Spiel haben, will wie die Weidenrosen, oder die Kornstengel mit hundert Aehren. Das wissen diese Herren auch gar wohl, darum blehen sie sich nicht selten auf wie die Untervögte, und haben ihre Mucken wie die Pferde, die den Sonnenschuß bekommen. Ich könnte von ihrem Eigensinne manches artige Stückgen anführen, wenn ich mich nicht der Kürze befleißigen wollte. Nur einger im Vorbeigehen zu gedenken, so sind einige Virtuosen so eigensinnig, daß sie sich durchaus nicht wollen hören lassen, so lange sie ein volles

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0225" n="223"/>
verliehen hat. Hieraus erhellet, was ein Musikus in eigentlichem Verstande, welchen man gemeiniglich einen Virtuosen nennet, für ein Mann ist, und daß solche Leute billig in Ehren zu halten sind, auch ihnen ein reichlich Auskommen muß verschaffet werden, denn sie wachsen nicht so zahlreich wie die Schwämme, und können auch nicht durch die Kunst hervorgebracht werden wie die Orgelpfeifen, sondern die gütige Natur bringt sie nur dann und wann hervor, wenn sie ihr Spiel haben, will wie die Weidenrosen, oder die Kornstengel mit hundert Aehren. Das wissen diese Herren auch gar wohl, darum blehen sie sich nicht selten auf wie die Untervögte, und haben ihre Mucken wie die Pferde, die den Sonnenschuß bekommen. Ich könnte von ihrem Eigensinne manches artige Stückgen anführen, wenn ich mich nicht der Kürze befleißigen wollte. Nur einger im Vorbeigehen zu gedenken, so sind einige Virtuosen so eigensinnig, daß sie sich durchaus nicht wollen hören lassen, so lange sie ein volles
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[223/0225] verliehen hat. Hieraus erhellet, was ein Musikus in eigentlichem Verstande, welchen man gemeiniglich einen Virtuosen nennet, für ein Mann ist, und daß solche Leute billig in Ehren zu halten sind, auch ihnen ein reichlich Auskommen muß verschaffet werden, denn sie wachsen nicht so zahlreich wie die Schwämme, und können auch nicht durch die Kunst hervorgebracht werden wie die Orgelpfeifen, sondern die gütige Natur bringt sie nur dann und wann hervor, wenn sie ihr Spiel haben, will wie die Weidenrosen, oder die Kornstengel mit hundert Aehren. Das wissen diese Herren auch gar wohl, darum blehen sie sich nicht selten auf wie die Untervögte, und haben ihre Mucken wie die Pferde, die den Sonnenschuß bekommen. Ich könnte von ihrem Eigensinne manches artige Stückgen anführen, wenn ich mich nicht der Kürze befleißigen wollte. Nur einger im Vorbeigehen zu gedenken, so sind einige Virtuosen so eigensinnig, daß sie sich durchaus nicht wollen hören lassen, so lange sie ein volles

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T15:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T15:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T15:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenumbruch erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Worttrennungen am Zeilenende entfallen.
  • Das lange „s“ („ſ“) wird als normales rundes „s“ wiedergegeben.
  • Auslassungspunkte werden, unabhängig von der Anzahl der Punkte, als „…“ (Sonderzeichen Alt+0133) wiedergegeben.
  • Apostrophe werden durch das Sonderzeichen „’“ (Alt+0146) wiedergegeben (nicht durch die Variante auf der Tastatur).
  • Bindestriche werden durch den normalen Bindestrich „-“ wiedergegeben (nicht durch „=“).
  • Gleichheitszeichen „=“ werden als normale Gedankenstriche (Halbgeviertstriche) „–“ wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison03_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison03_1762/225
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Dritter Theil. Eisenach, 1762, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison03_1762/225>, abgerufen am 21.11.2024.