Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Dritter Theil. Eisenach, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

einen Blick werfen, und darinne mein Schicksal lesen könnte. Ich wendete allen möglichen Fleis bei diesem schönen Kinde an, um ihr die Grundsätze, welche man von einer tugendhaften Frau verlanget, wohl einzuprägen, damit ich dereinst durch ihren Besitz mich für den glücklichsten Mann auf der Erden schätzen könnte. Aus dieser Ursache wollte ich auch nie einiges Lehrgeld von Ihnen annehmen, weil ich mir feste vorgenommen hatte, diese Rahel Ihnen selbst abzuverdienen. Da Jungfer Hannchen die Jahre erreicht hatte, die sie meinem Unterrichte entzogen, unterließ ich nicht, meine Dienstleistungen gegen Sie zu verdoppeln. Wenn Ihre podagrischen Zufälle Sie abhielten, Ihr Amt zu verrichten: so war ich immer bereit, Sie zu unterstützen, und seitdem Sie diese Bereitwilligkeit bei mir bemerkten, wurden Sie das Podagra fast niemals los. Endlich glaubte ich berechtiget zu seyn, mir wenigstens einige Hoffnung für meine Bemühungen machen zu dürfen, und nahm mir

einen Blick werfen, und darinne mein Schicksal lesen könnte. Ich wendete allen möglichen Fleis bei diesem schönen Kinde an, um ihr die Grundsätze, welche man von einer tugendhaften Frau verlanget, wohl einzuprägen, damit ich dereinst durch ihren Besitz mich für den glücklichsten Mann auf der Erden schätzen könnte. Aus dieser Ursache wollte ich auch nie einiges Lehrgeld von Ihnen annehmen, weil ich mir feste vorgenommen hatte, diese Rahel Ihnen selbst abzuverdienen. Da Jungfer Hannchen die Jahre erreicht hatte, die sie meinem Unterrichte entzogen, unterließ ich nicht, meine Dienstleistungen gegen Sie zu verdoppeln. Wenn Ihre podagrischen Zufälle Sie abhielten, Ihr Amt zu verrichten: so war ich immer bereit, Sie zu unterstützen, und seitdem Sie diese Bereitwilligkeit bei mir bemerkten, wurden Sie das Podagra fast niemals los. Endlich glaubte ich berechtiget zu seyn, mir wenigstens einige Hoffnung für meine Bemühungen machen zu dürfen, und nahm mir

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0247" n="245"/>
einen Blick werfen, und darinne mein Schicksal lesen könnte. Ich wendete allen möglichen Fleis bei diesem schönen Kinde an, um ihr die Grundsätze, welche man von einer tugendhaften Frau verlanget, wohl einzuprägen, damit ich dereinst durch ihren Besitz mich für den glücklichsten Mann auf der Erden schätzen könnte. Aus dieser Ursache wollte ich auch nie einiges Lehrgeld von Ihnen annehmen, weil ich mir feste vorgenommen hatte, diese Rahel Ihnen selbst abzuverdienen. Da Jungfer Hannchen die Jahre erreicht hatte, die sie meinem Unterrichte entzogen, unterließ ich nicht, meine Dienstleistungen gegen Sie zu verdoppeln. Wenn Ihre podagrischen Zufälle Sie abhielten, Ihr Amt zu verrichten: so war ich immer bereit, Sie zu unterstützen, und seitdem Sie diese Bereitwilligkeit bei mir bemerkten, wurden Sie das Podagra fast niemals los. Endlich glaubte ich berechtiget zu seyn, mir wenigstens einige Hoffnung für meine Bemühungen machen zu dürfen, und nahm mir
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0247] einen Blick werfen, und darinne mein Schicksal lesen könnte. Ich wendete allen möglichen Fleis bei diesem schönen Kinde an, um ihr die Grundsätze, welche man von einer tugendhaften Frau verlanget, wohl einzuprägen, damit ich dereinst durch ihren Besitz mich für den glücklichsten Mann auf der Erden schätzen könnte. Aus dieser Ursache wollte ich auch nie einiges Lehrgeld von Ihnen annehmen, weil ich mir feste vorgenommen hatte, diese Rahel Ihnen selbst abzuverdienen. Da Jungfer Hannchen die Jahre erreicht hatte, die sie meinem Unterrichte entzogen, unterließ ich nicht, meine Dienstleistungen gegen Sie zu verdoppeln. Wenn Ihre podagrischen Zufälle Sie abhielten, Ihr Amt zu verrichten: so war ich immer bereit, Sie zu unterstützen, und seitdem Sie diese Bereitwilligkeit bei mir bemerkten, wurden Sie das Podagra fast niemals los. Endlich glaubte ich berechtiget zu seyn, mir wenigstens einige Hoffnung für meine Bemühungen machen zu dürfen, und nahm mir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T15:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T15:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T15:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenumbruch erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Worttrennungen am Zeilenende entfallen.
  • Das lange „s“ („ſ“) wird als normales rundes „s“ wiedergegeben.
  • Auslassungspunkte werden, unabhängig von der Anzahl der Punkte, als „…“ (Sonderzeichen Alt+0133) wiedergegeben.
  • Apostrophe werden durch das Sonderzeichen „’“ (Alt+0146) wiedergegeben (nicht durch die Variante auf der Tastatur).
  • Bindestriche werden durch den normalen Bindestrich „-“ wiedergegeben (nicht durch „=“).
  • Gleichheitszeichen „=“ werden als normale Gedankenstriche (Halbgeviertstriche) „–“ wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison03_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison03_1762/247
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Dritter Theil. Eisenach, 1762, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison03_1762/247>, abgerufen am 06.05.2024.