Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Dritter Theil. Eisenach, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

nichts böses zutrauete, so verstattete ich Ihnen dann und wann, zu Ihrer eignen Uebung eine Predigt abzulegen, und diese Gefälligkeit, die ich Ihnen hierinne erwies, rücken Sie mir nun mit Unrecht als eine große Dienstleistung auf. Wenn ich gewußt hätte, was in Ihrem Herzen verborgen war, so hätte ich Sie niemals die Canzel betreten lassen, noch vielweniger würde ich die theuren Pfänder meiner Ehe Ihrem Unterrichte anvertrauet haben. Meinen Sohn haben Sie völlig verdorben, er disputirt mit mir oftmals von Dingen, die gar nicht in seinen Kram gehören, und wenn ich ihn frage, wo er die verdammten ketzerischen Argumente her hat, die er mir vorleget, so giebt er zwar vor, daß er diese schönen Sächelgen auf der Universität gelernet habe: aber ich weiß es besser, von Ihnen kommt dieser Unrath. Unsere Universitäten sind, Gott Lob, noch nicht so verderbt, wie es ehemals die hohe Schule zu Paris war, wo der Satan in eigener Person soll gelehret haben. Wenigstens kann ich mir nicht einbilden, daß

nichts böses zutrauete, so verstattete ich Ihnen dann und wann, zu Ihrer eignen Uebung eine Predigt abzulegen, und diese Gefälligkeit, die ich Ihnen hierinne erwies, rücken Sie mir nun mit Unrecht als eine große Dienstleistung auf. Wenn ich gewußt hätte, was in Ihrem Herzen verborgen war, so hätte ich Sie niemals die Canzel betreten lassen, noch vielweniger würde ich die theuren Pfänder meiner Ehe Ihrem Unterrichte anvertrauet haben. Meinen Sohn haben Sie völlig verdorben, er disputirt mit mir oftmals von Dingen, die gar nicht in seinen Kram gehören, und wenn ich ihn frage, wo er die verdammten ketzerischen Argumente her hat, die er mir vorleget, so giebt er zwar vor, daß er diese schönen Sächelgen auf der Universität gelernet habe: aber ich weiß es besser, von Ihnen kommt dieser Unrath. Unsere Universitäten sind, Gott Lob, noch nicht so verderbt, wie es ehemals die hohe Schule zu Paris war, wo der Satan in eigener Person soll gelehret haben. Wenigstens kann ich mir nicht einbilden, daß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0259" n="257"/>
nichts böses zutrauete, so verstattete ich Ihnen dann und wann, zu Ihrer eignen Uebung eine Predigt abzulegen, und diese Gefälligkeit, die ich Ihnen hierinne erwies, rücken Sie mir nun mit Unrecht als eine große Dienstleistung auf. Wenn ich gewußt hätte, was in Ihrem Herzen verborgen war, so hätte ich Sie niemals die Canzel betreten lassen, noch vielweniger würde ich die theuren Pfänder meiner Ehe Ihrem Unterrichte anvertrauet haben. Meinen Sohn haben Sie völlig verdorben, er disputirt mit mir oftmals von Dingen, die gar nicht in seinen Kram gehören, und wenn ich ihn frage, wo er die verdammten ketzerischen Argumente her hat, die er mir vorleget, so giebt er zwar vor, daß er diese schönen Sächelgen auf der Universität gelernet habe: aber ich weiß es besser, von Ihnen kommt dieser Unrath. Unsere Universitäten sind, Gott Lob, noch nicht so verderbt, wie es ehemals die hohe Schule zu Paris war, wo der Satan in eigener Person soll gelehret haben. Wenigstens kann ich mir nicht einbilden, daß
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0259] nichts böses zutrauete, so verstattete ich Ihnen dann und wann, zu Ihrer eignen Uebung eine Predigt abzulegen, und diese Gefälligkeit, die ich Ihnen hierinne erwies, rücken Sie mir nun mit Unrecht als eine große Dienstleistung auf. Wenn ich gewußt hätte, was in Ihrem Herzen verborgen war, so hätte ich Sie niemals die Canzel betreten lassen, noch vielweniger würde ich die theuren Pfänder meiner Ehe Ihrem Unterrichte anvertrauet haben. Meinen Sohn haben Sie völlig verdorben, er disputirt mit mir oftmals von Dingen, die gar nicht in seinen Kram gehören, und wenn ich ihn frage, wo er die verdammten ketzerischen Argumente her hat, die er mir vorleget, so giebt er zwar vor, daß er diese schönen Sächelgen auf der Universität gelernet habe: aber ich weiß es besser, von Ihnen kommt dieser Unrath. Unsere Universitäten sind, Gott Lob, noch nicht so verderbt, wie es ehemals die hohe Schule zu Paris war, wo der Satan in eigener Person soll gelehret haben. Wenigstens kann ich mir nicht einbilden, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T15:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T15:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T15:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenumbruch erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Worttrennungen am Zeilenende entfallen.
  • Das lange „s“ („ſ“) wird als normales rundes „s“ wiedergegeben.
  • Auslassungspunkte werden, unabhängig von der Anzahl der Punkte, als „…“ (Sonderzeichen Alt+0133) wiedergegeben.
  • Apostrophe werden durch das Sonderzeichen „’“ (Alt+0146) wiedergegeben (nicht durch die Variante auf der Tastatur).
  • Bindestriche werden durch den normalen Bindestrich „-“ wiedergegeben (nicht durch „=“).
  • Gleichheitszeichen „=“ werden als normale Gedankenstriche (Halbgeviertstriche) „–“ wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison03_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison03_1762/259
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Dritter Theil. Eisenach, 1762, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison03_1762/259>, abgerufen am 22.11.2024.