Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Dritter Theil. Eisenach, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

Meilen nachgelaufen, eine andere ist gar über ihn närrisch geworden, und seine Frau hat vor Sehnsucht einen Anfall der Schwindsucht bekommen, daß er nicht so bald als sie gewünschet, Hochzeit gemacht. Ich habe mein Gedächtniß, meine Leidenschaften, meinen Körper strappaziret wie die Hunde, um ihm so ähnlich zu werden, als mir möglich gewesen; ich habe meine Wirthschaft, und überhaupt alles, was nur einer Veränderung fähig ist, nach dem Geschmack des Herrn Grandisons eingerichtet; von mir bis auf meinem Wigand, den ich Jeremias nenne, ist alles Grandisonisch, und es fehlet mir nichts, als ein Fresko, den ich mir auch noch anzuschaffen gedenke: dem ungeachtet will es bei den Mädchens nicht recht mit mir fort. Ich habe hierüber meine eigene Gedanken, und glaube, unsere Nymphen sind nicht fein genug, die Schönheiten des Verstandes, die bei andern Nationen am ersten in die Augen leuchten, zu empfinden. Herr Grandison ist auch in Deutschland gewesen, aber ich habe

Meilen nachgelaufen, eine andere ist gar über ihn närrisch geworden, und seine Frau hat vor Sehnsucht einen Anfall der Schwindsucht bekommen, daß er nicht so bald als sie gewünschet, Hochzeit gemacht. Ich habe mein Gedächtniß, meine Leidenschaften, meinen Körper strappaziret wie die Hunde, um ihm so ähnlich zu werden, als mir möglich gewesen; ich habe meine Wirthschaft, und überhaupt alles, was nur einer Veränderung fähig ist, nach dem Geschmack des Herrn Grandisons eingerichtet; von mir bis auf meinem Wigand, den ich Jeremias nenne, ist alles Grandisonisch, und es fehlet mir nichts, als ein Fresko, den ich mir auch noch anzuschaffen gedenke: dem ungeachtet will es bei den Mädchens nicht recht mit mir fort. Ich habe hierüber meine eigene Gedanken, und glaube, unsere Nymphen sind nicht fein genug, die Schönheiten des Verstandes, die bei andern Nationen am ersten in die Augen leuchten, zu empfinden. Herr Grandison ist auch in Deutschland gewesen, aber ich habe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0030" n="28"/>
Meilen nachgelaufen, eine andere ist gar über ihn närrisch geworden, und seine Frau hat vor Sehnsucht einen Anfall der Schwindsucht bekommen, daß er nicht so bald als sie gewünschet, Hochzeit gemacht. Ich habe mein Gedächtniß, meine Leidenschaften, meinen Körper strappaziret wie die Hunde, um ihm so ähnlich zu werden, als mir möglich gewesen; ich habe meine Wirthschaft, und überhaupt alles, was nur einer Veränderung fähig ist, nach dem Geschmack des Herrn Grandisons eingerichtet; von mir bis auf meinem Wigand, den ich Jeremias nenne, ist alles Grandisonisch, und es fehlet mir nichts, als ein Fresko, den ich mir auch noch anzuschaffen gedenke: dem ungeachtet will es bei den Mädchens nicht recht mit mir fort. Ich habe hierüber meine eigene Gedanken, und glaube, unsere Nymphen sind nicht fein genug, die Schönheiten des Verstandes, die bei andern Nationen am ersten in die Augen leuchten, zu empfinden. Herr Grandison ist auch in Deutschland gewesen, aber ich habe
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0030] Meilen nachgelaufen, eine andere ist gar über ihn närrisch geworden, und seine Frau hat vor Sehnsucht einen Anfall der Schwindsucht bekommen, daß er nicht so bald als sie gewünschet, Hochzeit gemacht. Ich habe mein Gedächtniß, meine Leidenschaften, meinen Körper strappaziret wie die Hunde, um ihm so ähnlich zu werden, als mir möglich gewesen; ich habe meine Wirthschaft, und überhaupt alles, was nur einer Veränderung fähig ist, nach dem Geschmack des Herrn Grandisons eingerichtet; von mir bis auf meinem Wigand, den ich Jeremias nenne, ist alles Grandisonisch, und es fehlet mir nichts, als ein Fresko, den ich mir auch noch anzuschaffen gedenke: dem ungeachtet will es bei den Mädchens nicht recht mit mir fort. Ich habe hierüber meine eigene Gedanken, und glaube, unsere Nymphen sind nicht fein genug, die Schönheiten des Verstandes, die bei andern Nationen am ersten in die Augen leuchten, zu empfinden. Herr Grandison ist auch in Deutschland gewesen, aber ich habe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T15:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T15:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T15:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenumbruch erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Worttrennungen am Zeilenende entfallen.
  • Das lange „s“ („ſ“) wird als normales rundes „s“ wiedergegeben.
  • Auslassungspunkte werden, unabhängig von der Anzahl der Punkte, als „…“ (Sonderzeichen Alt+0133) wiedergegeben.
  • Apostrophe werden durch das Sonderzeichen „’“ (Alt+0146) wiedergegeben (nicht durch die Variante auf der Tastatur).
  • Bindestriche werden durch den normalen Bindestrich „-“ wiedergegeben (nicht durch „=“).
  • Gleichheitszeichen „=“ werden als normale Gedankenstriche (Halbgeviertstriche) „–“ wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison03_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison03_1762/30
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Dritter Theil. Eisenach, 1762, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison03_1762/30>, abgerufen am 23.11.2024.