Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Dritter Theil. Eisenach, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

lobte Ihre Aufmerksamkeit, dieses war zugleich ein Vorwurf für den Major wegen seiner Nachläßigkeit, daß er, der sie beständig begleitet wie ein Trabante seinen Planeten, nicht einmal ihrem Geburtstage nachgespüret hatte. So eine gute Gelegenheit kommt nicht alle Tage, sein Wort auf eine gute Art anzubringen. Sie hat Fräulein Amalien gefragt, wie Sie Sich befänden, ob Ihre Krankheit von Folgen zu seyn schien. Man könnte glauben, daß sie diese Frage aus Eigennutz gethan hätte, um die Erbschaft, die Sie ihr zugedacht haben, bald hoffen zu können, ja man könnte hierinne dadurch bestärket werden, daß sie sich auch unter der Hand erkundiget, ob Sie seit ihrem ersten Geburtstage, nicht wieder an Ihren letzten Willen gedacht hätten; allein solche hypochondrische Gedanken müssen einen Verliebten nicht einfallen, man kann auch von diesen Worten eine vortheilhafte Auslegung machen. Ueberhaupt läßt sich von dem vortreflichen Charakter des Fräuleins nicht vermuthen,

lobte Ihre Aufmerksamkeit, dieses war zugleich ein Vorwurf für den Major wegen seiner Nachläßigkeit, daß er, der sie beständig begleitet wie ein Trabante seinen Planeten, nicht einmal ihrem Geburtstage nachgespüret hatte. So eine gute Gelegenheit kommt nicht alle Tage, sein Wort auf eine gute Art anzubringen. Sie hat Fräulein Amalien gefragt, wie Sie Sich befänden, ob Ihre Krankheit von Folgen zu seyn schien. Man könnte glauben, daß sie diese Frage aus Eigennutz gethan hätte, um die Erbschaft, die Sie ihr zugedacht haben, bald hoffen zu können, ja man könnte hierinne dadurch bestärket werden, daß sie sich auch unter der Hand erkundiget, ob Sie seit ihrem ersten Geburtstage, nicht wieder an Ihren letzten Willen gedacht hätten; allein solche hypochondrische Gedanken müssen einen Verliebten nicht einfallen, man kann auch von diesen Worten eine vortheilhafte Auslegung machen. Ueberhaupt läßt sich von dem vortreflichen Charakter des Fräuleins nicht vermuthen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0086" n="84"/>
lobte Ihre Aufmerksamkeit, dieses war zugleich ein Vorwurf für den Major wegen seiner Nachläßigkeit, daß er, der sie beständig begleitet wie ein Trabante seinen Planeten, nicht einmal ihrem Geburtstage nachgespüret hatte. So eine gute Gelegenheit kommt nicht alle Tage, sein Wort auf eine gute Art anzubringen. Sie hat Fräulein Amalien gefragt, wie Sie Sich befänden, ob Ihre Krankheit von Folgen zu seyn schien. Man könnte glauben, daß sie diese Frage aus Eigennutz gethan hätte, um die Erbschaft, die Sie ihr zugedacht haben, bald hoffen zu können, ja man könnte hierinne dadurch bestärket werden, daß sie sich auch unter der Hand erkundiget, ob Sie seit ihrem ersten Geburtstage, nicht wieder an Ihren letzten Willen gedacht hätten; allein solche hypochondrische Gedanken müssen einen Verliebten nicht einfallen, man kann auch von diesen Worten eine vortheilhafte Auslegung machen. Ueberhaupt läßt sich von dem vortreflichen Charakter des Fräuleins nicht vermuthen,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0086] lobte Ihre Aufmerksamkeit, dieses war zugleich ein Vorwurf für den Major wegen seiner Nachläßigkeit, daß er, der sie beständig begleitet wie ein Trabante seinen Planeten, nicht einmal ihrem Geburtstage nachgespüret hatte. So eine gute Gelegenheit kommt nicht alle Tage, sein Wort auf eine gute Art anzubringen. Sie hat Fräulein Amalien gefragt, wie Sie Sich befänden, ob Ihre Krankheit von Folgen zu seyn schien. Man könnte glauben, daß sie diese Frage aus Eigennutz gethan hätte, um die Erbschaft, die Sie ihr zugedacht haben, bald hoffen zu können, ja man könnte hierinne dadurch bestärket werden, daß sie sich auch unter der Hand erkundiget, ob Sie seit ihrem ersten Geburtstage, nicht wieder an Ihren letzten Willen gedacht hätten; allein solche hypochondrische Gedanken müssen einen Verliebten nicht einfallen, man kann auch von diesen Worten eine vortheilhafte Auslegung machen. Ueberhaupt läßt sich von dem vortreflichen Charakter des Fräuleins nicht vermuthen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T15:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T15:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T15:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenumbruch erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Worttrennungen am Zeilenende entfallen.
  • Das lange „s“ („ſ“) wird als normales rundes „s“ wiedergegeben.
  • Auslassungspunkte werden, unabhängig von der Anzahl der Punkte, als „…“ (Sonderzeichen Alt+0133) wiedergegeben.
  • Apostrophe werden durch das Sonderzeichen „’“ (Alt+0146) wiedergegeben (nicht durch die Variante auf der Tastatur).
  • Bindestriche werden durch den normalen Bindestrich „-“ wiedergegeben (nicht durch „=“).
  • Gleichheitszeichen „=“ werden als normale Gedankenstriche (Halbgeviertstriche) „–“ wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison03_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison03_1762/86
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Dritter Theil. Eisenach, 1762, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison03_1762/86>, abgerufen am 18.05.2024.