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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.

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Zwey Ding' haben endlich dem Faß den
Boden ausgestoßen, erstlich die Predigt am
vorigen Sonntag, über den Text: meidet
allen bösen Schein. Hoff' nach der Liebe,
daß hier nichts menschliches in Absicht auf
die Haasenschlingen mitunter gelaufen sey;
war auch alles was der Pfarrer vorbracht'
gar glatt und glimpflich gesagt, daß ich ihn
nicht packen könnt, wenn ich gleich wollt.
Aber 's war doch leicht mit Händen zu grei-
fen, wohin's gemeint war, hatte die Pre-
digt ganz die Physiognomie einer öffentlichen
Kirchencensur, und das will bey uns hier
hinterm Wald, freilich mehr sagen als in
Berlin, oder sonst in einer großen Stadt,
wo man aufs Abkanzeln eben nicht viel
achtet.

Hiernächst begab sichs Tages darauf,
daß der Gerichtsschreiber Volkmar ein Ver-
schlinger aller modischen Lektüre, meinen
Philipp foppt wegen der Sophie. Hatten
neulich beym Besuch die Predigerstöchter
derselben mächtig zugesetzt, sie ihres Her-
kommens und ihrer Heimath halber auszu-
locken, da denn das liebe Mädchen, des
zudringlichen Forschens loß zu werden, in
aller Unschuld eine Nothlügen erdacht und

vorge-

Zwey Ding’ haben endlich dem Faß den
Boden ausgeſtoßen, erſtlich die Predigt am
vorigen Sonntag, uͤber den Text: meidet
allen boͤſen Schein. Hoff’ nach der Liebe,
daß hier nichts menſchliches in Abſicht auf
die Haaſenſchlingen mitunter gelaufen ſey;
war auch alles was der Pfarrer vorbracht’
gar glatt und glimpflich geſagt, daß ich ihn
nicht packen koͤnnt, wenn ich gleich wollt.
Aber ’s war doch leicht mit Haͤnden zu grei-
fen, wohin’s gemeint war, hatte die Pre-
digt ganz die Phyſiognomie einer oͤffentlichen
Kirchencenſur, und das will bey uns hier
hinterm Wald, freilich mehr ſagen als in
Berlin, oder ſonſt in einer großen Stadt,
wo man aufs Abkanzeln eben nicht viel
achtet.

Hiernaͤchſt begab ſichs Tages darauf,
daß der Gerichtsſchreiber Volkmar ein Ver-
ſchlinger aller modiſchen Lektuͤre, meinen
Philipp foppt wegen der Sophie. Hatten
neulich beym Beſuch die Predigerstoͤchter
derſelben maͤchtig zugeſetzt, ſie ihres Her-
kommens und ihrer Heimath halber auszu-
locken, da denn das liebe Maͤdchen, des
zudringlichen Forſchens loß zu werden, in
aller Unſchuld eine Nothluͤgen erdacht und

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[134/0140] Zwey Ding’ haben endlich dem Faß den Boden ausgeſtoßen, erſtlich die Predigt am vorigen Sonntag, uͤber den Text: meidet allen boͤſen Schein. Hoff’ nach der Liebe, daß hier nichts menſchliches in Abſicht auf die Haaſenſchlingen mitunter gelaufen ſey; war auch alles was der Pfarrer vorbracht’ gar glatt und glimpflich geſagt, daß ich ihn nicht packen koͤnnt, wenn ich gleich wollt. Aber ’s war doch leicht mit Haͤnden zu grei- fen, wohin’s gemeint war, hatte die Pre- digt ganz die Phyſiognomie einer oͤffentlichen Kirchencenſur, und das will bey uns hier hinterm Wald, freilich mehr ſagen als in Berlin, oder ſonſt in einer großen Stadt, wo man aufs Abkanzeln eben nicht viel achtet. Hiernaͤchſt begab ſichs Tages darauf, daß der Gerichtsſchreiber Volkmar ein Ver- ſchlinger aller modiſchen Lektuͤre, meinen Philipp foppt wegen der Sophie. Hatten neulich beym Beſuch die Predigerstoͤchter derſelben maͤchtig zugeſetzt, ſie ihres Her- kommens und ihrer Heimath halber auszu- locken, da denn das liebe Maͤdchen, des zudringlichen Forſchens loß zu werden, in aller Unſchuld eine Nothluͤgen erdacht und vorge-

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/140>, abgerufen am 21.11.2024.