Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.um das güldne Kalb der Physiognomik erlebt
um das guͤldne Kalb der Phyſiognomik erlebt
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um das guͤldne Kalb der Phyſiognomik
herum; aber glauben Sie uͤber kurz oder
lang wird dieſe angebetete Afterſcienz das
Schikſal ienes Jdols haben. Lange gnug
iſt ſeine Subſtanz fuͤr reines gediegenes
Gold gehalten worden; ia Moſes, der Zer-
ſtoͤhrer deſſelben, hat ſich gar fuͤr einen
Adepten muͤſſen ausſchreien laſſen; endlich
hat der Ritter Michaͤlis dieſes idealiſche
Kalb geſchlachtet, und nachdem er ihm
das guͤldne Fell abgeſtreift, befunden daß
nichts anders als ein Stuͤck Holz in ſeinem
Jnnern verborgen war, und ihm nur die
Auſſenſeite einigen Werth gegeben hatte.
Wenn Sie fuͤr die Wiſſenſchaften keine an-
dern Pfropfreiſſer wiſſen, und ſo friſch die
Saͤge brauchen wollen, wo noch ein nuz-
barer Aſt durch Schienen und Umſchlaͤge
von Baumwachs koͤnnte erhalten werden,
ſo wird ihr Baum bald ganz entblaͤttert da
ſtehen: denn die genannten bekleiben nicht.
Solche luftige Scienzen erhalten in dem
Gebiete der Gelehrſamkeit nicht einmal das
Buͤrgerrecht, ſondern werden als Vagabon-
den bald wieder uͤber die Graͤnze gebracht,
wie wir das an der Alchymie, Aſtrologie,
Geomantie, Chiromantie und andern mehr
erlebt
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