Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite
Vierter Brief.
Vom Obervogt Herrn von Kracht aus
Minnesingen.

Wer einen Trüffelhund sucht, muß sich
unumgänglich an Sie wenden, wenn er
wünscht wohl bedient zu seyn. Der Düraß
hat eine vortreffliche Nase, und ich lasse Jh-
rem Philipp gern die Gerechtigkeit wieder-
fahren, daß er es versteht, wie er seinen
Hund abrichten soll. Sucht aber iemand
einen Hofmeister für seine Kinder, so will
ich iedermann warnen, auf Jhre bona of-
ficia
in diesem Stück verzicht zu thun.

Jch schreie Ach und Weh! über Jhren
Heidesheimer Rundhut. Das mag Gott
wissen-, was der Kerl für Zwirn im Kopfe
hat: ich verstehe kein Wort davon. Wenn
ich denke meine Kinder sitzen hinterm Kate-
chismus oder beym Vestibulum, wie ichs in
meiner Jugend machen mußte, daß ich ein
wenig Sitzefleisch bekam, läuft der Phantast
den ganzen Vormittag mit ihnen im Walde
herum, hat da von Lattenwerk einige Hüt-
ten in Form der Vogelbauer zusammen na-
geln lassen. Jn der Mitte einer ieden steht
ein kleiner Rasentisch, der soll einen Altar

bedeuten,
Vierter Brief.
Vom Obervogt Herrn von Kracht aus
Minneſingen.

Wer einen Truͤffelhund ſucht, muß ſich
unumgaͤnglich an Sie wenden, wenn er
wuͤnſcht wohl bedient zu ſeyn. Der Duͤraß
hat eine vortreffliche Naſe, und ich laſſe Jh-
rem Philipp gern die Gerechtigkeit wieder-
fahren, daß er es verſteht, wie er ſeinen
Hund abrichten ſoll. Sucht aber iemand
einen Hofmeiſter fuͤr ſeine Kinder, ſo will
ich iedermann warnen, auf Jhre bona of-
ficia
in dieſem Stuͤck verzicht zu thun.

Jch ſchreie Ach und Weh! uͤber Jhren
Heidesheimer Rundhut. Das mag Gott
wiſſen-, was der Kerl fuͤr Zwirn im Kopfe
hat: ich verſtehe kein Wort davon. Wenn
ich denke meine Kinder ſitzen hinterm Kate-
chismus oder beym Veſtibulum, wie ichs in
meiner Jugend machen mußte, daß ich ein
wenig Sitzefleiſch bekam, laͤuft der Phantaſt
den ganzen Vormittag mit ihnen im Walde
herum, hat da von Lattenwerk einige Huͤt-
ten in Form der Vogelbauer zuſammen na-
geln laſſen. Jn der Mitte einer ieden ſteht
ein kleiner Raſentiſch, der ſoll einen Altar

bedeuten,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0069" n="63"/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#g">Vierter Brief</hi>.<lb/>
Vom Obervogt Herrn <hi rendition="#fr">von Kracht</hi> aus<lb/>
Minne&#x017F;ingen.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">W</hi>er einen Tru&#x0364;ffelhund &#x017F;ucht, muß &#x017F;ich<lb/>
unumga&#x0364;nglich an Sie wenden, wenn er<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;cht wohl bedient zu &#x017F;eyn. Der Du&#x0364;raß<lb/>
hat eine vortreffliche Na&#x017F;e, und ich la&#x017F;&#x017F;e Jh-<lb/>
rem Philipp gern die Gerechtigkeit wieder-<lb/>
fahren, daß er es ver&#x017F;teht, wie er &#x017F;einen<lb/>
Hund abrichten &#x017F;oll. Sucht aber iemand<lb/>
einen Hofmei&#x017F;ter fu&#x0364;r &#x017F;eine Kinder, &#x017F;o will<lb/>
ich iedermann warnen, auf Jhre <hi rendition="#aq">bona of-<lb/>
ficia</hi> in die&#x017F;em Stu&#x0364;ck verzicht zu thun.</p><lb/>
            <p>Jch &#x017F;chreie Ach und Weh! u&#x0364;ber Jhren<lb/>
Heidesheimer Rundhut. Das mag Gott<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en-, was der Kerl fu&#x0364;r Zwirn im Kopfe<lb/>
hat: ich ver&#x017F;tehe kein Wort davon. Wenn<lb/>
ich denke meine Kinder &#x017F;itzen hinterm Kate-<lb/>
chismus oder beym Ve&#x017F;tibulum, wie ichs in<lb/>
meiner Jugend machen mußte, daß ich ein<lb/>
wenig Sitzeflei&#x017F;ch bekam, la&#x0364;uft der Phanta&#x017F;t<lb/>
den ganzen Vormittag mit ihnen im Walde<lb/>
herum, hat da von Lattenwerk einige Hu&#x0364;t-<lb/>
ten in Form der Vogelbauer zu&#x017F;ammen na-<lb/>
geln la&#x017F;&#x017F;en. Jn der Mitte einer ieden &#x017F;teht<lb/>
ein kleiner Ra&#x017F;enti&#x017F;ch, der &#x017F;oll einen Altar<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bedeuten,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0069] Vierter Brief. Vom Obervogt Herrn von Kracht aus Minneſingen. Wer einen Truͤffelhund ſucht, muß ſich unumgaͤnglich an Sie wenden, wenn er wuͤnſcht wohl bedient zu ſeyn. Der Duͤraß hat eine vortreffliche Naſe, und ich laſſe Jh- rem Philipp gern die Gerechtigkeit wieder- fahren, daß er es verſteht, wie er ſeinen Hund abrichten ſoll. Sucht aber iemand einen Hofmeiſter fuͤr ſeine Kinder, ſo will ich iedermann warnen, auf Jhre bona of- ficia in dieſem Stuͤck verzicht zu thun. Jch ſchreie Ach und Weh! uͤber Jhren Heidesheimer Rundhut. Das mag Gott wiſſen-, was der Kerl fuͤr Zwirn im Kopfe hat: ich verſtehe kein Wort davon. Wenn ich denke meine Kinder ſitzen hinterm Kate- chismus oder beym Veſtibulum, wie ichs in meiner Jugend machen mußte, daß ich ein wenig Sitzefleiſch bekam, laͤuft der Phantaſt den ganzen Vormittag mit ihnen im Walde herum, hat da von Lattenwerk einige Huͤt- ten in Form der Vogelbauer zuſammen na- geln laſſen. Jn der Mitte einer ieden ſteht ein kleiner Raſentiſch, der ſoll einen Altar bedeuten,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/69
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/69>, abgerufen am 21.11.2024.