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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

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werden, daß es damit eine ganz andre Be-
wandniß hat.

Wenn ich nun solcher Gestalt den Anti-
physiognostikern einräumen wollt', daß das
physiognomische Studium nichts mehr als
Phantaseykram und Spielwerk sey: so müs-
sen sie mir doch hinwiederum zugestehen
daß es das interessanteste und anmuthigste
Spiel sey, welches der menschliche Witz ie-
mals ausgedacht hat müßige Köpfe zu be-
schäftigen, damit sie wenigstens nichts
Schlimmers beginnen, so lang sie damit
sich zu thun machen. Daher mein ich, hab
Meister Lichtenberg sehr übel gethan, daß
er dem Publikum das geliebte Spielwerk,
wie ein strenger Pädagog seinen Eleven die
Geige, Trommel, oder Pfennigtrompete
aus der Hand zu nehmen und zu zertrüm-
mern sich unterfangen hat, weil die iunge
Herrschaft auf der Gasse des Lerms damit
zu viel machte. Jn unserm spielenden Zeit-

alter,

werden, daß es damit eine ganz andre Be-
wandniß hat.

Wenn ich nun ſolcher Geſtalt den Anti-
phyſiognoſtikern einraͤumen wollt’, daß das
phyſiognomiſche Studium nichts mehr als
Phantaſeykram und Spielwerk ſey: ſo muͤſ-
ſen ſie mir doch hinwiederum zugeſtehen
daß es das intereſſanteſte und anmuthigſte
Spiel ſey, welches der menſchliche Witz ie-
mals ausgedacht hat muͤßige Koͤpfe zu be-
ſchaͤftigen, damit ſie wenigſtens nichts
Schlimmers beginnen, ſo lang ſie damit
ſich zu thun machen. Daher mein ich, hab
Meiſter Lichtenberg ſehr uͤbel gethan, daß
er dem Publikum das geliebte Spielwerk,
wie ein ſtrenger Paͤdagog ſeinen Eleven die
Geige, Trommel, oder Pfennigtrompete
aus der Hand zu nehmen und zu zertruͤm-
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Herrſchaft auf der Gaſſe des Lerms damit
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[120/0120] werden, daß es damit eine ganz andre Be- wandniß hat. Wenn ich nun ſolcher Geſtalt den Anti- phyſiognoſtikern einraͤumen wollt’, daß das phyſiognomiſche Studium nichts mehr als Phantaſeykram und Spielwerk ſey: ſo muͤſ- ſen ſie mir doch hinwiederum zugeſtehen daß es das intereſſanteſte und anmuthigſte Spiel ſey, welches der menſchliche Witz ie- mals ausgedacht hat muͤßige Koͤpfe zu be- ſchaͤftigen, damit ſie wenigſtens nichts Schlimmers beginnen, ſo lang ſie damit ſich zu thun machen. Daher mein ich, hab Meiſter Lichtenberg ſehr uͤbel gethan, daß er dem Publikum das geliebte Spielwerk, wie ein ſtrenger Paͤdagog ſeinen Eleven die Geige, Trommel, oder Pfennigtrompete aus der Hand zu nehmen und zu zertruͤm- mern ſich unterfangen hat, weil die iunge Herrſchaft auf der Gaſſe des Lerms damit zu viel machte. Jn unſerm ſpielenden Zeit- alter,

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/120>, abgerufen am 18.05.2024.