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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

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Ein schöner Abend wars, als ich bey
hellem Mondenlicht, die Thürm der Burg
Geroldsheim in der Fern entdeckte. Hatte
mir einen Plan ausgedacht, den Beamten
Spörtler mit meinem Besuch zu überra-
schen und zu versuchen, ob ihm aus der
übersendeten Silhouett' eine Jdee von mei-
ner Physiognomie vorschweben, item, ob
der erste physiognomische Anblick, Herzen
zu Herzen reissen werde. War sehr begie-
rig zu erfahren, was die Kunst für Effekt
thun würde, welches Verlangen der unschul-
dige Cimber büßen mußt', welchen ich weid-
lich anspornt', daß er mich bald an Ort und
Stelle brächte. Jch ritt in ein Wirthshauß
des Städtleins ein, hatte mich dicht in mei-
nem Oberrock hinein geknüpft, ließ mich
ganz solitarie auf die Burg geleiten, freut'
mich unterweges meines Jncognito, wie ei-
ne Fledermauß, die in einen Maskensaal
eintritt, ihre Bekannten und Gespielen närrt,

sich
J 3

Ein ſchoͤner Abend wars, als ich bey
hellem Mondenlicht, die Thuͤrm der Burg
Geroldsheim in der Fern entdeckte. Hatte
mir einen Plan ausgedacht, den Beamten
Spoͤrtler mit meinem Beſuch zu uͤberra-
ſchen und zu verſuchen, ob ihm aus der
uͤberſendeten Silhouett’ eine Jdee von mei-
ner Phyſiognomie vorſchweben, item, ob
der erſte phyſiognomiſche Anblick, Herzen
zu Herzen reiſſen werde. War ſehr begie-
rig zu erfahren, was die Kunſt fuͤr Effekt
thun wuͤrde, welches Verlangen der unſchul-
dige Cimber buͤßen mußt’, welchen ich weid-
lich anſpornt’, daß er mich bald an Ort und
Stelle braͤchte. Jch ritt in ein Wirthshauß
des Staͤdtleins ein, hatte mich dicht in mei-
nem Oberrock hinein geknuͤpft, ließ mich
ganz ſolitarie auf die Burg geleiten, freut’
mich unterweges meines Jncognito, wie ei-
ne Fledermauß, die in einen Maſkenſaal
eintritt, ihre Bekannten und Geſpielen naͤrrt,

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[133/0133] Ein ſchoͤner Abend wars, als ich bey hellem Mondenlicht, die Thuͤrm der Burg Geroldsheim in der Fern entdeckte. Hatte mir einen Plan ausgedacht, den Beamten Spoͤrtler mit meinem Beſuch zu uͤberra- ſchen und zu verſuchen, ob ihm aus der uͤberſendeten Silhouett’ eine Jdee von mei- ner Phyſiognomie vorſchweben, item, ob der erſte phyſiognomiſche Anblick, Herzen zu Herzen reiſſen werde. War ſehr begie- rig zu erfahren, was die Kunſt fuͤr Effekt thun wuͤrde, welches Verlangen der unſchul- dige Cimber buͤßen mußt’, welchen ich weid- lich anſpornt’, daß er mich bald an Ort und Stelle braͤchte. Jch ritt in ein Wirthshauß des Staͤdtleins ein, hatte mich dicht in mei- nem Oberrock hinein geknuͤpft, ließ mich ganz ſolitarie auf die Burg geleiten, freut’ mich unterweges meines Jncognito, wie ei- ne Fledermauß, die in einen Maſkenſaal eintritt, ihre Bekannten und Geſpielen naͤrrt, ſich J 3

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/133>, abgerufen am 04.12.2024.