Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

auf ein Altvater, der mir aus dem Traum
half.

Der zeitige Pastor loci, sprach er, hab
mit hochobrigkeitlicher Erlaubniß, im Kir-
chenritual allerley Abänderungen unternom-
men; hab die gewöhnlichen Betstunden in
der Kirch, aus dem Sonnenschein hinaus
auf einen Rasenplatz in den Mondschein
verlegt. Hab auch das Gesangbuch um-
geackert, die Quecken, auch die ausländi-
schen Gewächs, als Myrrhen, Aloe, und
Cassia herausgepflügt, und dafür Nachtvio-
len, Rosen nnd Sonnenblumen hinein ge-
pflanzt. Dürfe niemand mehr zu Abend
singen: Hinunter ist der Sonnenschein, die
finstre Nacht bricht stark herein, sondern
iezt laut' es: Der liebe Mond glänzt hell
und rein. Doch sey iedem nachgelassen,
zur Zeit des Neuenlichtes der alten Weise
sich zu bedienen; darum pfleg er, als ein
Feind von allen Neuerungen, ders gleich-

wohl
J 4

auf ein Altvater, der mir aus dem Traum
half.

Der zeitige Paſtor loci, ſprach er, hab
mit hochobrigkeitlicher Erlaubniß, im Kir-
chenritual allerley Abaͤnderungen unternom-
men; hab die gewoͤhnlichen Betſtunden in
der Kirch, aus dem Sonnenſchein hinaus
auf einen Raſenplatz in den Mondſchein
verlegt. Hab auch das Geſangbuch um-
geackert, die Quecken, auch die auslaͤndi-
ſchen Gewaͤchs, als Myrrhen, Aloe, und
Caſſia herausgepfluͤgt, und dafuͤr Nachtvio-
len, Roſen nnd Sonnenblumen hinein ge-
pflanzt. Duͤrfe niemand mehr zu Abend
ſingen: Hinunter iſt der Sonnenſchein, die
finſtre Nacht bricht ſtark herein, ſondern
iezt laut’ es: Der liebe Mond glaͤnzt hell
und rein. Doch ſey iedem nachgelaſſen,
zur Zeit des Neuenlichtes der alten Weiſe
ſich zu bedienen; darum pfleg er, als ein
Feind von allen Neuerungen, ders gleich-

wohl
J 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0135" n="135"/>
auf ein Altvater, der mir aus dem Traum<lb/>
half.</p><lb/>
        <p>Der zeitige Pa&#x017F;tor loci, &#x017F;prach er, hab<lb/>
mit hochobrigkeitlicher Erlaubniß, im Kir-<lb/>
chenritual allerley Aba&#x0364;nderungen unternom-<lb/>
men; hab die gewo&#x0364;hnlichen Bet&#x017F;tunden in<lb/>
der Kirch, aus dem Sonnen&#x017F;chein hinaus<lb/>
auf einen Ra&#x017F;enplatz in den Mond&#x017F;chein<lb/>
verlegt. Hab auch das Ge&#x017F;angbuch um-<lb/>
geackert, die Quecken, auch die ausla&#x0364;ndi-<lb/>
&#x017F;chen Gewa&#x0364;chs, als Myrrhen, Aloe, und<lb/>
Ca&#x017F;&#x017F;ia herausgepflu&#x0364;gt, und dafu&#x0364;r Nachtvio-<lb/>
len, Ro&#x017F;en nnd Sonnenblumen hinein ge-<lb/>
pflanzt. Du&#x0364;rfe niemand mehr zu Abend<lb/>
&#x017F;ingen: Hinunter i&#x017F;t der Sonnen&#x017F;chein, die<lb/>
fin&#x017F;tre Nacht bricht &#x017F;tark herein, &#x017F;ondern<lb/>
iezt laut&#x2019; es: Der liebe Mond gla&#x0364;nzt hell<lb/>
und rein. Doch &#x017F;ey iedem nachgela&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
zur Zeit des Neuenlichtes der alten Wei&#x017F;e<lb/>
&#x017F;ich zu bedienen; darum pfleg er, als ein<lb/>
Feind von allen Neuerungen, ders gleich-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 4</fw><fw place="bottom" type="catch">wohl</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0135] auf ein Altvater, der mir aus dem Traum half. Der zeitige Paſtor loci, ſprach er, hab mit hochobrigkeitlicher Erlaubniß, im Kir- chenritual allerley Abaͤnderungen unternom- men; hab die gewoͤhnlichen Betſtunden in der Kirch, aus dem Sonnenſchein hinaus auf einen Raſenplatz in den Mondſchein verlegt. Hab auch das Geſangbuch um- geackert, die Quecken, auch die auslaͤndi- ſchen Gewaͤchs, als Myrrhen, Aloe, und Caſſia herausgepfluͤgt, und dafuͤr Nachtvio- len, Roſen nnd Sonnenblumen hinein ge- pflanzt. Duͤrfe niemand mehr zu Abend ſingen: Hinunter iſt der Sonnenſchein, die finſtre Nacht bricht ſtark herein, ſondern iezt laut’ es: Der liebe Mond glaͤnzt hell und rein. Doch ſey iedem nachgelaſſen, zur Zeit des Neuenlichtes der alten Weiſe ſich zu bedienen; darum pfleg er, als ein Feind von allen Neuerungen, ders gleich- wohl J 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/135
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/135>, abgerufen am 04.12.2024.